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Was heißt eigentlich „sicheres Herkunftsland"?

In Artikel 16a des Grundgesetzes finden sich die Kriterien, die ein Land mindestens erfüllen muss, damit es als „sicher" eingestuft wird. So muss aufgrund der Rechtslage und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet sein, dass Menschen dort generell weder politische Verfolgung noch unmenschliche Behandlung, zum Beispiel Folter, droht. Der Staat muss außerdem in der Lage sein, seine Bürger vor nichtstaatlicher - zum Beispiel religiöser - Verfolgung zu schützen. Es gilt dann die Vermutung, dass keine Verfolgungsgefahr vorliegt. Ob ein Herkunftsstaat als sicher eingestuft wird, entscheiden am Ende Bundestag und Bundesrat.


Momentan zählen alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien als sichere Herkunftsstaaten.

In Asylverfahren gibt es immer eine persönliche Anhörung, unabhängig vom Herkunftsland. Wer während dieser glaubhaft nachweisen kann, dass er in seinem eigentlich „sicheren" Herkunftsland mit Verfolgung oder Folter rechnen muss - die Regelvermutung also nicht zutrifft -, hat unter Umständen die Chance auf Asyl. Antragsteller aus „sicheren Herkunftsländern" haben allerdings nur eine Woche Zeit, um gegen abgelehnte Asylbescheide Einspruch einzulegen. Und: Sie können abgeschoben werden, während die Klage noch läuft. Menschenrechtsorganisationen kritisieren diese Verfahrensbedingungen scharf.


Afghanistan gilt in Deutschland nicht als sicheres Herkunftsland. Abschiebungen in dieses Land wurden nach einem besonders schweren Anschlag in Kabuls Diplomatenviertel im Sommer 2017 ausgesetzt. Nur in Ausnahmefällen waren Abschiebungen dorthin weiterhin möglich, zum Beispiel, wenn es sich bei den abgelehnten Asylbewerbern um Gefährder, Straftäter oder Menschen handelte, die sich weigern, ihre Identität feststellen zu lassen.

Im Juni hatte die Bundesregierung beschlossen, diese Einschränkungen wieder aufzuheben. Ihre Entscheidung stützte sie auf einen kurz vorher veröffentlichten Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Situation in Afghanistan: Demnach gelten Teile des Landes als sicher.


Diese Aufhebung des Abschiebestopps stieß auf große Kritik, zum Beispiel seitens der UNHCR, da die Sicherheitslage in Afghanistan sehr instabil und regional unterschiedlich ist. So sieht es auch ein Großteil der Bundesländer: 13 von 16 Ländern verzichten nach wie vor auf Abschiebungen nach Afghanistan. Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern hingegen weiteten ihre Abschiebepraxis aus. Insbesondere die Abschiebeflüge der bayerischen Landesregierung haben großes mediales Aufsehen erregt, weil nur fünf der 51 abgeschobenen Menschen Straftäter waren.


Das Kabinett will zukünftig die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als sicher einstufen lassen, um Abschiebungen dorthin zu erleichtern und zu beschleunigen. Begründet wird das Vorhaben damit, dass die von dort stammenden Asylbewerber kaum Chancen auf Asyl hätten. Nur in Ausnahmefällen gelingt es ihnen zu beweisen, Verfolgung ausgesetzt zu sein. Das entsprechende Gesetz müsste jedoch noch vom Bundesrat beschlossen werden, wo es derzeit als nicht mehrheitsfähig gilt. Die FDP-Fraktion ist am 18. Oktober auch im Bundestag mit einem Vorstoß gescheitert, Algerien, Marokko und Tunesien als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten einzustufen.

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