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Plastikmüll: Warum Forscher die Vögel in Plastik brüten lassen

Auch auf Helgoland brüten Basstölpel im Müll - und auch dort sterben deswegen auch mal VögelFoto: picture alliance / blickwinkel/H

Oslo - Auf der kleinen Nordsee-Insel Runde mit ihren 150 Einwohnern liegt die größte Vogelkolonie Norwegens südlich des Polarkreises. Auf dem steilen Felsen brüten bis zu 500 000 Vögel, darunter alleine 100 000 Papageientaucher, aber auch viele andere Vogelarten wie Basstölpel und sogar Seeadler. Natur pur, denkt man hier! Bis ein Fotograf vor einigen Monaten die Idylle heranzoomte und etwas ganz anderes sah. Die Vögel nutzen für ihre Nester gerne Kunststoff und Plastik. Zwischen den Algen und Gräsern hängen auch viele bunte Plastikstreifen. Dazwischen leider auch einige tote Vögel, die sich in den Schnüren verheddert haben. ▶︎ Die Empörung nach Veröffentlichung der Fotos war enorm. Die Hilfsbereitschaft auch. Freiwillige Kletterer meldeten sich, die das Plastik einsammeln wollen. Eine Offshore-Firma hat sogar angeboten, die Felswände mit Wasserkanonen sauber zu spritzen. Ansässige Unternehmen haben finanzielle Unterstützung für Säuberungsprojekte angeboten. Denn einfach würde es nicht werden. Der steile Vogelfelsen ist 300 Meter hoch und mehrere Hundert Meter breit. Dabei ist rundherum die Landschaft sogar einigermaßen sauber. Der zuständige Naturschutzverein „Runde Centre" organisiert jährlich zum Frühjahrsbeginn unter dem Motto „Wir putzen, bevor die Vögel kommen" ein großes Aufräumen. 2018 sammelten Freiwillige 1,7 Tonnen Plastikmüll ein, der an der Küste und zwischen Felsen lag. So finden inzwischen Vögel weniger zum Nesterbauen. Nur der Vogelfelsen selbst wurde bisher nicht gesäubert.

Und so soll es auch bleiben. Der Müll bleibt auf dem Felsen!

Der Ornithologe Alv Ottar Folkestad findet die Idee, den Felsen zu säubern, entsetzlich. Er beobachtet den Felsen schon sein ganz Leben und sah die ersten Kunststoffnester vor 50 Jahren. Gegenüber dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender „NRK" sagt er: „Die Vögel holen sich hauptsächlich Kunststoffgarne und Seile von Fischereibooten. Sie lieben das Material. Es ist sehr stabil und bietet den Vögeln mehr Sicherheit als reine Grasnester. In den letzten Jahrzehnten ist eine dicke Schicht entstanden, die alles zusammenhält. Wenn man den Felsen reinigen würde, würde man den Vögeln ihre Nistgrundlage nehmen. Man würde die Kolonie zerstören."

Außerdem würde es nichts bringen, wenn man den Felsen abspritzen und der Kunststoff wieder im Meer landen würde. „Das wäre reine Kosmetik, das Problem würde man dadurch nicht lösen." Dass sich die Vögel manchmal verheddern, findet er traurig, aber nicht tragisch. „Es sind sehr viele Vögel. Wenn drei oder fünf sterben, ist das nichts im Vergleich dazu, wenn man die Kolonie ganz zerstören würde. Generell geht es den Vögeln gut, sie haben gute Nester und finden sehr viel Futter."

Er freut sich, dass Regionalverwaltung eine Grundreinigung kategorisch ablehnt, die mitteilte: „Wir müssen etwas gegen die Verschmutzung der Meere tun. Die Vögel dürfen nicht unsere Reinigungskräfte werden. Im Meer schwimmt sehr viel Kunststoff. Wenn wir den Felsen sauber machen, holen sich die Vögel einfach neue Plastikteile."

Odd Kristian Dahle, Sprecher der Fischereiorganisation „Fiskebåt" findet die jetzige Situation „traurig". „Viele dieser Plastikteile in den Nestern sind Seile und Schnüre von Fischerbooten. Früher war es üblich, alles einfach ins Meer zu werfen. Diese alten Sünden holen uns ein. Inzwischen ist es aber üblich, dass die Boote ihren Abfall sammeln und an Land richtig entsorgen."

Man kann nur hoffen, dass das stimmt.

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