Der Hof „Trehjørning" (drei Ecken) ist an drei Seiten von Wasser umgeben. Ansonsten sieht man von hier aus nur Bäume. So ist es schon immer gewesen auf diesem einsamen Hof in der norwegischen Landschaft Nordmarka nördlich von Oslo. Aase Marie Løkken (81) lebt hier zurückgezogen seit mehr als 30 Jahren und ist an die Stille gewohnt. Nur manchmal ziehen Wanderer vorbei. Oder Skifahrer, die die langen Loipen im Wald lieben. Aber bald kommt Action in den sonst so stillen Wald. Im März rückt ein Filmteam an, und James Bond himself wird zwischen den Bäumen und auf den drei Gewässern das Böse jagen - oder selbst gejagt werden. Aase Marie Løkken schmunzelnd gegenüber der Zeitung „ Aftenposten": Weil es sonst weit und breit niemanden gibt, werden das „Das Mädchen mit dem Stock" und „Trehjørning" bei den Dreharbeiten eine zentrale Rolle einnehmen. Denn irgendwo muss die Crew auch mal Kaffee trinken und die Hände wärmen. Vielleicht werden sie bei Aase Marie sogar das Catering aufbauen. Was genau auf ihrem Hof passieren wird, kann Aase Marie Løkken jedoch nicht sagen. Nur eines weiß sie: „Ich werde jeden gleich behandeln, auch wenn die großen Stars durch die Tür treten. Wir sind in dieser Gegend für unsere Gastfreundschaft bekannt."
Aase Marie Løkken vor ihrem Haus, das ein bisschen aussieht wie aus BullerbüFoto: Monica Strømdahl/Aftenposten/NTB scanpix/dpa picture alliance Topsecret im WaldDass in Nordmarka irgendetwas im Busch ist, vermutete man schon lange. Erst wurde eine alte traditionelle Ski-Loipe um einige Kilometer verlegt, dann bauten Unbekannte direkt am vereisten See eine Hütte. Mitten durch den Wald zogen sich plötzlich lange Sperrbänder, Parkplätze wurden angelegt, Schnee umgeräumt. Wenn Wanderer und Skifahrer zu nahe kamen, erschienen geheimnisvolle Sicherheitsleute und versperrten den Weg. Hier, wo man sonst höchstens ein paar Hasen und Rehe sieht, wimmelte es plötzlich von geheimnisvollen Sonnenbrillen-Trägern. Die Gerüchte überschlugen sich. Von internationalen Bauprojekten war die Rede, von Großinvestoren, die dabei sind, dieses wunderschöne Stückchen norwegische Landschaft zu zerstören. Immer häufiger fragten Norweger beim zuständigen Rathaus in Nittedal nach. Antworten gab es keine.
Daniel Craig wird bald im tiefen norwegischen Wald den nächsten Bond drehenErst als die Proteste zunahmen und eine Lokalzeitung groß darüber berichtete, ließ Nittedal die Bombe platzen und teilte am Freitag mit, dass die neugebaute Hütte Teil einer Filmkulisse sei. Die Dreharbeiten seien für den Monat März geplant. Bevor die Schonzeit der Vögel im April beginnt, sei alles wieder weg. Es gäbe absolut keinen Grund zur Sorge.Foto: Britta Pedersen / dpaWas genau gedreht werden soll, sei allerdings bis auf weiteres ein Geheimnis. Alle, die am Projekt mitarbeiten, hätten sich per Unterschrift und Vertrag zum Schweigen verpflichtet. Für Aase Løkken waren diese Nachrichten keine Überraschung: „Ich habe es schon lange gewusst. Sie haben auch meine Scheune gemietet. Aber ich habe es niemanden erzählt."
Loipen, Skifahrer und Wald. Mehr Nachbarschaft hat Aase Marie Løkken nichtFoto: Monica Strømdahl/Aftenposten/NTB scanpix/dpa picture alliance Subventionierte HeldenAuch wenn niemand offiziell bestätigen will, dass es sich wirklich um die Dreharbeiten zu James Bond handelt, führt die Spur direkt zu dem englischen Geheimagenten. Laut der Zeitung „Aftenposten" stellte die Produktionsgesellschaft „True North" den Antrag zur Drehgenehmigung. Sie arbeitet mit den James-Bond-Produzenten eng zusammen. Außerdem wurde inzwischen bekannt, dass der nächste Bond-Film, der den Decknamen „B25" hat, im Januar mit fast fünf Millionen Euro vom norwegischen Filminstitut subventioniert wurde. Dasselbe Institut hat auch die Dreharbeiten zum Blockbuster „Mission Impossible 6" mit 600 000 Euro gefördert. Nicht zuletzt deshalb kletterte Tom Cruise in der Schlussszene am berühmten Felsen „Preikestolen" nach oben und rettete so die Welt. Dumm nur, dass die Filmleute den Felsen mit der ganzen Landschaft nach Kaschmir verlegten. Vielleicht hat das norwegische Filminstitut deswegen die Subvention dieses Mal fast verzehnfacht. Nicht dass wieder eine wunderschöne norwegische Landschaft auf der anderen Seite der Erdkugel landet. Die Enttäuschung war nach der Premiere von „Mission Impossible 6" nämlich riesengroß. Die Web-Seite „ Businessportal-Norwegen " witzelte nach der Premiere von Mission Impossible 6: „Sollte der Film tatsächlich weltweit ein starkes Interesse an spektakulärer Natur geweckt haben, wie es die Norweger erhofften, ist wohl damit zu rechnen, dass im nächsten Jahr Naturliebhaber aus aller Welt in das Kaschmir-Gebirge reisen, um den Preikestolen zu besuchen. Die dortige Tourismusindustrie wird es freuen."