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Der Fimbul-Winter und das Ende der Welt | Das war die Ur-Angst der Wikinger

Wikinger fürchteten sich vor dem Fimbul-Winter, der das Ende der Welt einläuten sollte (Foto: Neujahrs-Prozession „Up Helly Aa" 2017 im schottischen Edinburgh)Foto: RUSSELL CHEYNE / Reuters

Kopenhagen (Dänemark) - Die Wikinger ermordeten auf ihren Raubzügen Zehntausende, hatten selbst keine Angst zu sterben. Doch vor einem besonders unheimlichen Winter-Fluch fürchteten sie sich zu Tode. Gab es ihn wirklich?

BILD erklärt den so genannten Fimbul-Winter. Angst vor Eiswinter

Wenn das Meer zwischen Dänemark und Schweden zufriert, weil die Temperaturen wochenlang weit unter dem Gefrierpunkt liegen, spricht man im Norden von einem Eiswinter.

Drei Eiswinter hintereinander sind möglich, beim vierten - dem Fimbul-Winter - geht nach der Legende nach die Welt unter.

Als es in Dänemark und Schweden in den Jahren 1984/85 bis 1986/87 zu drei Eiswintern in Folge kam, zitterten die Skandinavier vor dem Winter 1988/89. Zur allgemeinen Erleichterung blieb es mild.

Woher rührt die Angst der Wikinger-Nachfahren? Sie scheint zumindest nicht unbegründet zu sein. Neuere Forschungsergebnisse zeigen: Es gab sie wirklich, die vier Katastrophenwinter! Und damals ging im Norden tatsächlich beinahe die Welt unter, berichtet das dänische Wissenschaftsportal „ Videnskab ".

Fimbul-Winter in der Mythologie In der nordischen Mythologie folgt auf den dritten Winter die Ragnarök (dt.: „die Sage vom Ende der Welt"): Der riesige Fenriswolf verspeist Hauptgott Odin und verschluckt die Sonne.

Hier kämpft Odin gegen den Fenriswolf - und verliert (Illustration um 1900)Foto: dpa Picture-Alliance

Mord und Totschlag gehören von nun an zur Tagesordnung, am Ende überlebt nur ein Menschenpaar die Kälte und das Morden: Liv und Livtrase (Leben und Lebenskämpfer). So steht es auch in der Island-Saga Edda. Erstaunlicherweise tauchen die Katastrophenwinter auch im Kalevala - der finnischen Mythologie - auf.

Seltsam, denn: Die Bevölkerung Finnlands stammt ursprünglich aus einem völlig anderen Teil Europas und hatte mit den Wikingern nichts zu schaffen. Vulkane verdunkeln den Himmel

Forscher glauben seit langem, dass der Ursprung des Mythos in der Wetteranomalie der Jahre 535 und 536 n. Chr. zu finden ist. Aus mehreren schriftlichen Quellen weiß man, dass diese Jahre so bitterkalt waren, dass sogar im Sommer Schnee vom Himmel fiel.

Wahrscheinlich - so die Forscher - war der Ausbruch eines fernen Vulkans schuld. Seine Aschewolke muss für Monate den Himmel über Europa und Asien verdunkelt haben. Drama vor 1500 Jahren

Was bisher nicht bekannt war: Auch im Jahr 540 muss es zu einem Vulkanausbruch gekommen sein. Per Sjögren, Paleo-Archäologe der Universität Tromsö (Norwegen), untersucht seit Jahren die Kulturlandschaften Norwegens. Er untersuchte Blütenpollen aus verschiedenen Erdschichten.

Dabei machte er eine erstaunliche Entdeckung: In einer Gegend, die seit der Steinzeit besiedelt war, muss es vor rund 1500 Jahren zu dramatischen Veränderungen gekommen sein. Diese waren so gravierend, dass die Menschen gezwungen waren, ihre angestammte Region zu verlassen.

Sjögrens Erkenntnisse wurden in dem norwegischen Forschungsbericht („The Agrarian Life oft he North") veröffentlicht.

In Schweden fanden Archäologen ähnliche Hinweise. Im Norden Schwedens scheint die Katastrophe sogar so intensiv gewesen zu sein, dass hier nach 550 überhaupt kein Mensch mehr lebte. Weiter im Süden verschwanden bis zu 50 Prozent aller Menschen.

Hälfte der Menschheit verschwand

Fredrik Chapentiere Ljungqvist arbeitet als Historiker an der Universität Stockholm (Schweden). Er veröffentlichte 2017 das Buch „Das Klima und der Mensch in den letzten 12 000 Jahren":

„Aufgrund der archäologischen Funde können wir heute sagen, dass die Hälfte aller Menschen damals verschwand. Es gab zwei Vulkanausbrüche. Einen 536, und einen weiteren und noch größeren 540. Der Vulkan muss in der Nähe des Äquators gewesen sein, möglicherweise war es der El Chichón in Mexiko. Die Partikel erreichten in der Atmosphäre große Höhen und blieben dort mehrere Jahre."

So kam es auf der nördlichen Halbkugel für mehrere Jahre zu einer massiven Verdunkelung und Abkühlung.

Die Untersuchung von Jahresringen alter Bäume ergab: Die Abkühlung war so massiv, dass es selbst im Hochsommer zu Frost kam.

Jahr ohne Sommer Wie schwerwiegend die Katastrophe war, lässt sich anhand eines ähnlichen Ereignisses in neuerer Zeit ermessen.

►1816 galt in Europa als das „Jahr ohne Sommer". Grund: In Indonesien war der Vulkan Tambora ausgebrochen, daraufhin verdunkelte eine Aschewolke monatelang den Himmel. In Deutschland sprach man auch vom Jahr „Achtzehnhundertunderfroren". Bauern mussten ihre Ackergäule schlachten, weil es kein Heu gab.

Obwohl 1816 für Europa ein Katastrophenjahr war, reicht diese Tragödie mit Sicherheit nicht an die Jahre ab 535 heran, sind die Forscher überzeugt.

Schließlich gab es 1816 nur einen einzigen Sommer ohne Sonne. Wäre damals nur ein weiterer Vulkan ausgebrochen, die Folgen wären unvorstellbar gewesen: Eine Hungersnot mit Millionen Toten in Europa, wenn nicht sogar weltweit.

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