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Eine unheilige Allianz

In Siegerpose. Ein Kämpfer der Isil an einem eingenommenen Grenzpunkt im Norden des Irak. Das Foto wurde auf einer Website der Dschihadisten veröffentlicht. - FOTO: AFP

Mit hoher Geschwindigkeit rückt die Terrorgruppe „Islamischer Staat in Irak und Syrien" (Isis) im Irak vor. Opfer des Siegeszugs der Radikalen ist die Zivilbevölkerung - in beiden Ländern. Denn der Vorstoß von Isis im Irak ist ohne den Syrienkonflikt nicht zu verstehen: Der überhastete Abzug der US-Truppen aus dem Irak und die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten bieten allein keine ausreichende Erklärung. Lange Zeit war Isis primär in Syrien aktiv. Der seit über drei Jahren andauernde Bürgerkrieg bietet den Nährboden für die Gruppierung, die die Errichtung eines islamischen Kalifats zum Ziel hat.

Paradoxerweise spielt das Erstarken von Isis dem Assad-Regime in die Hände, das Anteil an dessen Aufstieg zur regionalen Militärmacht hat.

Damaskus hat sich dem Vorrücken des Isis in Syrien bewusst nicht entgegengestellt. Während Assad gegen die Rebellen in ihren urbanen Hochburgen Homs und Aleppo mit einem Dauerbombardement vorgeht, bleiben die von Isis kontrollierten Gebiete Nord- und Ostsyriens von Luftschlägen verschont. Die gemäßigte syrische Opposition ist geschwächt, weil sie ihre Ressourcen im Kampf gegen radikale Kräfte aufwenden muss. Dem syrischen Militär kann sie kaum noch die Stirn bieten. Auch auf internationaler Ebene profitiert das Assad-Regime von der Macht der islamistischen Kräfte in der Opposition. Sie scheinen die Propaganda des Diktators zu bestätigen, die seit Beginn des Bürgerkriegs die Oppositionellen als fundamentalistische Terroristen zu denunzieren versucht. Der Vormarsch von Isis wird so zur Bewährungsprobe für die Haltung des Westens. Auf einmal erscheint eine Kooperation mit dem Assad-Regime, mit dem Ziel fundamentalistische Gruppen wie Isis zurückzuschlagen, das kleinere Übel zu sein. Lieber ein berechenbarer säkularer Diktator als eine unberechenbare Gruppe internationaler religiöser Fanatiker, scheint die Devise zu sein. Die demokratischen Kräfte der syrischen Opposition würden dabei auf der Strecke bleiben. Dabei hatte Isis noch Anfang des Jahres an Boden verloren. Nun sind bei dem Vormarsch große Geldmengen und militärisches Equipment der irakischen Armee an die Extremisten-Truppe gefallen. Ein Teil der erbeuteten Fahrzeuge, Waffen und Munition sind bereits in die von Isis kontrollierten Gebiete Syriens transportiert worden. Die Kampfkraft der Dschihadisten wird sich dort erheblich steigern.

Und auch wenn sich Isis noch auf den Vormarsch im Irak konzentriert und die Kämpfe an mehreren Orten in Syrien vorübergehend eingestellt hat, ist eine Offensive in Syrien gegen die kurdisch kontrollierten Gebiete im Norden und die Rebellengebiete im Osten Syriens zu erwarten. Die gemäßigte Opposition und die Zivilbevölkerung in Syrien drohen somit zwischen den radikal-islamistischen Kräften und den Regimetruppen zermalmt zu werden. Dies löst eine weitere Zuspitzung der Flüchtlingssituation in der Region aus. Darüber hinaus führt die zunehmende regionale Ausbreitung der Gewalt in die Nachbarstaaten Syriens zu neuen Flüchtlingswellen. Im Irak sind allein seit dem Vorstoß von Isis nach Angaben der Vereinten Nationen etwa eine halbe Millionen Menschen auf der Flucht. Dazu kommen Millionen syrischer Flüchtlinge.

Angesichts dieser prekären Lage sind die Europäer in der Pflicht. Eine substanzielle finanzielle und humanitäre Unterstützung der Aufnahmestaaten in der Konfliktregion - im Libanon, Jordanien und der Türkei - muss zeitgleich mit einem umfangreicheren Aufnahmeprogramm von Kriegsflüchtlingen in Deutschland und Europa erfolgen. Der politische Druck auf den irakischen Premier Nuri al Maliki und das Assad Regime muss stärker werden. Eine militärische Intervention im Irak kann den Konflikt nicht lösen, denn radikale Kräfte wie Isis haben in Syrien einen sicheren Rückzugsort. Solange sich dies nicht ändert, wird sich die gesamte Region, ausgehend von dem syrischen Bürgerkrieg weiter destabilisieren.

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