Stockholm Die vergangene Woche wird Jimmie Åkesson nicht so schnell vergessen. Erst ergab eine vom öffentlich-rechtlichen schwedischen Fernsehsender SVT in Auftrag gegebene Untersuchung, dass der Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei Schwedendemokraten bei den Wählern das größte Vertrauen aller Parteichefs genießt.
Ein knappes Drittel der Schweden - 31 Prozent - vertraut demnach Åkesson, der sozialdemokratische Regierungschef Stefan Löfvén kommt nur auf 23 Prozent. Und nur wenige Tage später fragte ein Meinungsforschungsinstitut nach den Parteiensympathien: Danach sind die Schwedendemokraten jetzt mit einer Zustimmung von 24 Prozent die stärkste Partei. Die regierenden Sozialdemokraten kommen nur noch auf etwas mehr als 23 Prozent.
„Das Ergebnis zeigt, dass wir eine neue Meinungslage haben", erklärte Nicklas Källebring, Analyst beim Meinungsforschungsinstitut Ipsos, das die Umfrage im Auftrag der Zeitung „Dagens Nyheter" durchgeführt hat. „Der große Verlierer des Jahres ist Stefan Löfvén, der große Gewinner Jimmie Åkesson."
In allen nordeuropäischen Ländern haben rechtspopulistische Parteien in den vergangenen Jahren große Erfolge gefeiert. Und das, lange bevor die AfD in Deutschland Fuß fassen konnte. Die Ursachen für den Vormarsch der rechten Parteien sind in Ländern unterschiedlich, doch gibt es eine Gemeinsamkeit: Die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien.
Der Vormarsch der rechtspopulistischen Schwedendemokraten hat nach Meinung von Torbjörn Sjöström vor allem einen Grund. „Sie sind die einzige Partei, die noch nie an der Macht war und wird deshalb von vielen als die einzige echte Oppositionsalternative angesehen", erklärte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Novus.
Aufwärtstrend geht weiterIn das schwedische Parlament hat es die Partei um ihren Vorsitzenden Jimmie Åkesson bereits 2010 geschafft - mit EU-kritischen und zum Teil ausländerfeindlichen Parolen. Die Partei, die bei den Wahlen 2014 knapp 13 Prozent erhielt, steigerte ihren Stimmenanteil 2018 auf 17,5 Prozent. Und der Aufwärtstrend geht weiter. Mittlerweile würde fast jeder vierte Wähler der Partei seine Stimme geben.
Die Schwedendemokraten machen sich die gescheiterte Integrationspolitik und die allgemeine EU-Skepsis in Schweden zunutze. Sie spielen immer wieder ihre Rolle als Zünglein an der Waage geschickt aus, da die rot-grüne Regierung von Ministerpräsident Stefan Löfvén keine eigene Mehrheit besitzt.
Zwar lehnen alle etablierten Parteien eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten ab, doch als Mehrheitsbeschaffer ist die ursprünglich aus der Neonazi-Szene hervorgegangene Partei gut genug. Und der Erfolg der Rechtspopulisten hat dazu geführt, dass sowohl Sozialdemokraten als auch die bürgerlichen Parteien mit Vorschlägen zu einer deutlich restriktiveren Asylpolitik Kernforderungen der Schwedendemokraten übernommen haben.
Auch in den anderen nordeuropäischen Ländern mischen Rechtspopulisten in der Politik kräftig mit. Während aber die Schwedendemokraten offiziell von den etablierten Parteien ausgegrenzt werden, hat sich beim Nachbarn Dänemark die Dänische Volkspartei seit über 15 Jahren teilweise als offizielle Stützpartei der jeweiligen Regierungen etablieren können. Seit diesem Sommer hat die Partei allerdings stark an Einfluss verloren, da die Sozialdemokratin Mette Frederiksen zwar eine Minderheitsregierung führt, sich aber auf eine linke Mehrheit im Parlament stützen kann.
Indirekt nimmt die Dänische Volkspartei aber weiterhin Einfluss auf die dänische Politik. Auch Frederiksen behielt die von der Dänischen Volkspartei initiierte äußerst restriktive Einwanderungspolitik bei.
Einbindung oder Ausgrenzung?Unter den rechtspopulistischen Parteien in Europa gehört die Dänische Volkspartei zu den eher gemäßigten. So lehnt die Partei beispielsweise eine Zusammenarbeit mit Marine Le Pen in Frankreich ab. Auch ist sie auf Distanz zu den Schwedendemokraten gegangen, die immer wieder mit ausländerfeindlichen Parolen in Schweden auf Stimmenfang gehen.
In Finnland, wo gerade die 34-jährige Sozialdemokratin Sanna Marin zur jüngsten Ministerpräsidentin der Welt gewählt wurde, waren Rechtspopulisten sogar einst in der Regierungsverantwortung. Die Partei „Die Finnen" saß bis zum Frühjahr dieses Jahres mit in der Mitte-rechts-Regierung.
Zwar wurde die Partei bei den Wahlen im April zur zweitstärksten Kraft, doch dem damaligen Regierungschef Antti Rinne gelang es, ein Mitte-links-Bündnis aus fünf Parteien zu schmieden. Die Rechtspopulisten blieben außen vor - auch, weil der wegen Volksverhetzung verurteilte Jussi Halla-aho die Parteiführung übernommen hatte und niemand mit ihm zusammenarbeiten wollte.
Norwegen bildet derzeit in Nordeuropa eine Ausnahme, da hier mit der Fortschrittspartei die Rechtspopulisten sogar die stellvertretende Regierungschefin stellen. Allerdings ist die norwegische Fortschrittspartei eine eher wirtschaftsliberale Gruppierung, die sich mit ausländerfeindlichen Parolen zumeist zurückhält.
Zwar zählen Nordeuropäer zu den glücklichsten Menschen der Welt, wie der World Happiness Report der Vereinten Nationen immer wieder ermittelt, doch das Bild der zufriedenen und friedliebenden Skandinavier hat Risse bekommen.
Der Wohlfahrtsstaat wurde abgebaut, die Gewalt vor allem in Schweden hat neue Dimensionen erreicht. In diesem Umfeld, so die Meinung von Soziologen, konnten rechtspopulistische Parteien mit der Forderung nach mehr Polizei, weniger Ausländern und mehr Sozialleistungen punkten. Die etablierten Parteien sind bislang ideenlos, wie man den Vormarsch der Rechtspopulisten stoppen kann. Einbindung oder Ausgrenzung - beide Modelle haben bislang keine Wirkung gezeigt.