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Reaktionen auf SPD-Votum: „Wir werden der Partei aufs Dach steigen"

Bei der Pressekonferenz des SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz und des Schatzmeisters Dietmar Nietan, die das Ergebnis des Mitgliedervotums über die Neuauflage der Groko verkündeten, wurde für Juso-Chef Kevin Kühnert kein Podium aufgestellt. Der prominenteste Gegner der Groko in der SPD hielt seine Pressekonferenz am Sonntagmorgen im Freien bei Minustemperaturen. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch er hob hervor, dass die Jusos keine schlechten Verlierer seien. Kühnert kündigte an, der Regierung künftig auf die Finger schauen zu wollen. „Wenn Kritik nötig ist, dann wird sie von uns kommen." Auch wollten sich die Jusos weiter für die Erneuerung der Partei einsetzen: „Wir werden eine grundlegende Erneuerung einfordern und wir werden dieser Partei auch so lange aufs Dach steigen, bis wir das Gefühl haben, das passiert jetzt in einem ausreichenden Rahmen."

Im Parteivorstand herrschte aber mehrheitlich Erleichterung über den klaren Ausgang des Mitgliederentscheids. Die Fraktionsvorsitzende und designierte Parteichefin Andrea Nahles sagte auf die Frage, ob sie mit einer Zustimmung der Basis gerechnet habe: „Ich habe in den letzten Tagen mit gar nichts mehr gerechnet. Ich bin froh, dass es jetzt so gekommen ist." Außenminister Sigmar Gabriel erklärte: „Auf die Mitglieder der SPD ist Verlass. Sie lassen sich nicht erschrecken oder entmutigen."

Auch der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz, der die Koalitionsverhandlungen für seine Partei führte, zeigte sich gegenüber der „Süddeutschen Zeitung" erfreut über das Ergebnis: „Es kann Deutschland und Europa nach vorne bringen und die SPD stärken." Nüchterner bewertete die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer das Ergebnis: „Es ist am Ende dann auch eine wirkliche Zweckentscheidung geworden. Es ist gibt wenig Leidenschaft in dem Sinne in unserer Partei für dieses Regierungsbündnis." Allerdings helfe die entstandene Diskussionskultur der Erneuerung, der sich die Partei nun widmen müsse. Dem stimmte auch Justizminister Heiko Maas zu, der auf Twitter eine Stärkung der Partei durch das Mitgliedervotum feststelle.

Bundeskanzlerin Angela Merkel trat am Sonntagmorgen nicht vor die Presse, ließ aber von ihrer Partei via Twitter Glückwünsche an die SPD verbreiten. Die frisch gewählte Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach von einer guten Entscheidung für Deutschland und betonte, „Vor dieser neuen Bundesregierung liegt viel Arbeit, die jetzt zügig angegangen werden muss." Auch der scheidende bayrische Ministerpräsident und designierte Innenminister Horst Seehofer (CSU) gratulierte der SPD und pries das Ergebnis als „gute Grundlage für eine stabile Bundesregierung". Sein Nachfolger Markus Söder lobte das deutliche Ergebnis des Votums und zeigte sich erleichtert, „dass Deutschland endlich eine stabile Regierung bekommt".

FDP-Chef Christian Lindner äußerte sich ebenfalls via Twitter und zollte den SPD-Mitgliedern Respekt für ihre Entscheidung. Er fügte hinzu: „Es wäre auch ein Rätsel gewesen, wenn die SPD sich einem Koalitionsvertrag mit 70 Prozent eigenem Inhalt verweigert hätte". Seine Partei freue sich jetzt auf „smarte" Oppositionsarbeit.

In der Linkspartei herrschte dagegen weniger Freude über das Ergebnis der Abstimmung. Die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger befürchten, das „Weiter-So der Groko" werde „den Rechtsruck nicht aufhalten, sondern befeuern". Der Fraktionschef im Bundestag Dietmar Bartsch erklärte mit Blick auf die kommenden vier Jahre: „Union und SPD lassen die brennenden sozialen Fragen in unserem Land unbeantwortet."

Ähnlich sehen das auch die Grünen. Parteichefin Annalena Baerbock freute sich auf Twitter, dass die Hängepartie beendet sei, forderte aber, „GroKo-Leerstellen wie bei Klima, Pflege, Kinderarmut" müssten „aus dem Parlament heraus gefüllt werden". Der ehemalige Parteichef Cem Özdemir kündigte eine konstruktive Oppositionsarbeit an.

Die AfD kritisierte die Aussicht auf eine weitere große Koalition. In einem Tweet bezeichnete sie die Entscheidung der SPD als „Katastrophe" und fügte hinzu: „Spätestens 2021 kommt die Quittung."

Auf europäischer Ebene gab es am Sonntagmittag viel Zustimmung für die Entscheidung der SPD-Mitglieder. Der französische Präsident Emmanuel Macron begrüßte das „Ja" zur Groko. „Das ist eine gute Nachricht für Europa", teilte der Elysée-Palast in einer Erklärung mit. Aus Élysée-Kreisen heißt es, Macron habe Kanzlerin Merkel und den kommissarischen SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz beglückwünscht. Deutschland und Frankreich könnten nun zusammenarbeiten, um das europäische Projekt voranzubringen.

Auch der belgische Premierminister Charles Michel freute sich über die Aussicht einer stabilen Regierung in Deutschland und der damit möglich werdenden Erneuerung Europas: „Ich bin überzeugt, dass die Bundesregierung eine treibende Kraft des europäischen Projekts sein kann", teilte Michel laut einer Mitteilung in Brüssel mit.

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