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Justin Trudeau, der „Anti-Trump“

Mit einem „Staatsdinner“ im Weißen Haus wird US-Präsident Barack Obama in der kommenden Woche Kanadas Premierminister Justin Trudeau beehren.  Washington rollt für den erst seit vier Monaten regierenden Trudeau den roten Teppich aus. Die Washington Post bezeichnet den Kanadier als „Anti-Trump“. Und US-Amerikaner überlegen, ob sie im Falle eines Trump-Siegs nach Kanada auswandern sollen und suchen über Google Informationen über das Nachbarland.

 

Trudeaus „progressive, jeden einbeziehende Botschaft“ sei völlig anders als die von Donald Trump, schrieb die Washington Post Ende Februar. Während Kanada in den vergangenen Monaten 25.000 Flüchtlinge aus Syrien aufnahm, Trudeau persönlich Flüchtlinge auf Flughäfen begrüßte und erklärte, dass die Kanadier „ihre Herzen öffnen und Menschen begrüßen, die schwierigen Lebensumständen entfliehen“, ist Trump, der seit dem „Super-Dienstag“ beste Chancen hat, Kandidat der Republikaner bei der Präsidentenwahl im November zu werden, strikt gegen die Aufnahme von Syrern und verspricht, sie im Falle eines Wahlsiegs nach Hause zu schicken. Trudeau führt eine Kampgane gegen das Mobbing an Schulen, Trump dagegen habe geäußert, er wolle Demonstranten am liebsten ins Gesicht schlagen, schreibt die Post. Trudeau zeige die Gefahren des Klimawandels auf, Trump dagegen sage, es gebe größere Probleme. Die Zeitung sieht im freundlichen, ausgleichenden Auftreten Trudeaus das Kontrastprogramm zu Trump.

 

Umfragen in Kanada zeigen die tiefe Abneigung, die die überwältigende Mehrheit der Kanadier gegen den Immobilien-Milliardär, dessen rüdes Verhalten und seine provozierenden und verletzenden Reden hegen, und zugleich die Furcht, dass dieser Präsident der USA werden könnte. Zwei Drittel der Kanadier sagten in einer vor einem Monat veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Leger, dass sie mit Bangen die Möglichkeit sähen, dass Trump US-Präsident werden könnte. Unter konservativen Kanadiern hat er zwar auch Anhänger, aber 70 Prozent haben eine negative Meinung von ihm. Der frühere liberale Politiker Bob Rae bezeichnete Trump als „Lieferant von Hass, Rassismus und tiefen Vorurteilen“. In Toronto und Vancouver fordern Lokalpolitiker, den unter dem Namen „Trump Tower“ geführten Luxushotels einen anderen Namen zu geben, denn mit Trump werde nun Rassismus verbunden. Trumps Ansichten seien „historisch als faschistische Politik“ bekannt, meint Torontos Stadtratsmitglied Josh Matlow. Im weltoffenen Toronto habe dieser Namen nichts zu suchen.      

 

Trudeau betonte vor wenigen Tagen, er werde mit dem künftigen US-Präsidenten zusammenarbeiten, wer auch immer gewählt werde. Ideologie könne die Beziehungen zwischen den Ländern, die wirtschaftlich eng verbunden sind, nicht bestimmen, sie müssten pragmatisch sein und sich auf die Dinge konzentrieren, bei denen beide Seiten übereinstimmen. Sorgfältig vermied Trudeau, sich direkt auf Trump zu beziehen. Mitte Dezember hatte er sich bei einer Diskussion mit Lesern des Nachrichtenmagazis Maclean´s in Ottawa klarer geäußert. Nachdem er zunächst betont hatte, er wolle sich nicht in einen Wahlprozess in einem anderen Land einmischen und es sei für Kanada wichtig, eine positive Beziehung zum US-Präsidenten zu haben, hatte er, ohne Trump zu nennen, deutlich gemacht, was er denkt: „Es wird niemanden überraschen, dass ich gegen die Politik der Spaltung,  die Politik der Angstmache und die Politik der Intoleranz und der hasserfüllten Rhetorik bin.“ Für Kanada und jede moderne Gesellschaft sei Vielfalt eine Quelle der Stärke, nicht der Schwäche. „Wenn wir Politikern erlauben Erfolg zu haben, indem sie den Menschen Angst einjagen, sind wir am Ende nicht sicherer. Angst macht uns nicht sicherer, sie macht uns schwächer.“ Dies war eine deutliche Absage an den von Trump vertretenen Politikstil. Damals hatten allerdings auch die Kanadier gedacht, dass sich das Phänomen Trump nach den ersten Vorwahlen in den USA in Luft auflöst. Jetzt muss Trudeau etwas vorsichtiger agieren.

 

Heute beobachten die Kanadier mit  Erstaunen oder gar Entsetzen, dass ein Mann, der das Land abschotten, eine Mauer zu Mexiko errichten will und Folter als Verhörmethode akzeptiert, Präsident werden könnte. Andererseits scheinen manche US-Amerikaner Kanada als Zufluchtsort für den Fall eines Trump-Sieges in Erwägung zu ziehen. Nach Bekanntwerden der Ergebnisse des Super-Dienstag stiegen bei Google Anfragen aus den USA „How to move to Canada?“ (Wie kann man nach Kanada umziehen?) um 350 Prozent, gegen Mitternacht gar um mehr als 1000 Prozent. Auch die Website der kanadischen Regierung wurde laut Presseberichten stärker frequentiert, zudem erhielten auf Einwanderung spezialisierte Anwälte vermehrt Anrufe aus den USA. Vor wenigen Wochen hatte bereits ein Bewohner der Cape Breton-Insel in der kanadischen Atlantikprovinz Nova Scotia eine viel beachteteWebsite gestartet, die US-Amerikaner, die vor Trump flüchten wollen, nach Cape Breton locken möchte.