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Makeover hoch vier

Das Schweizer Tal Vals bietet Abgeschiedenheit, Ruhe – und eine Nobelherberge mit urbanem Design-Appeal. Mit Peter Zumthor, Tadao Ando, Kengo Kuma und Thom Mayne haben gleich vier Star-Architekten dem „7132 Hotel“ ein spektakuläres Upgrade verpasst.

19.11.2021 von Franziska Horn

Von Chur fährt das Bähnli nach Ilanz, zuckelt beschaulich die Rheinschlucht mit ihrer wilden Felsenszenerie entlang. Auf Anfrage hält der Zug auch an den winzigen Haltestellen, die gerade einmal mit einem bunten Bahnhofshäusl aufwarten. So geht es dahin, stetig und beschaulich. Von Ilanz windet sich dann eine Bergstraße mit zahlreichen Kehren und Tunneln hinauf ins Valser Tal, vorbei an Vrin, mit seinen Caminada-Bauten als Hort der Architektur bekannt. Auch oben in Vals, nicht weit vom Stausee und dem nadelspitzen Zervreilahorn, überraschen Kulturschätze wie sonst nur in der Großstadt. „1000 Einwohner, 1000 Betten, 1000 Stück Vieh“ – so umschreibt sich das Dorf, erzählt Katrin Rüfenacht am Abend mit einem Augenzwinkern. Rüfenacht ist Direktorin des „7132 Hotels“, die Nummer leitet sich von der heimischen Postzahl ab. Das Hotel liegt in Vals auf 1252 Meter Höhe. Im Jahr 1996 setzte Peter Zumthor das Dorf mit einem architektonischen Coup auf die touristische Landkarte: Mit der Felsentherme Vals, die zwei Jahre später zum Unesco-Welterbe erklärt wurde. Ein Tempel aus Stein, der dem Wasser huldigt. Das Wasser und der Stein – beide Exportschlager haben das kleine Tal berühmt gemacht. Rund 20 Jahre braucht das Wasser, bis es vom Piz Aul durchsickert und 30 Grad heiß aus der St. Petersquelle

strömt, die der Gemeinde Vals gehört. Das Natriumsulfathydrogencarbonat, so die chemische Bezeichnung, wird zur Hälfte abgefüllt in Flaschen und als „Valser Wasser“ verkauft, die andere Hälfte fließt in die Becken von Zumthors Felstherme. Dann ist da noch der Valser Quarzit, der aus dem heimischen Steinbruch der Truffer AG in alle Welt exportiert wurde. Aus diesem Stein hat Zumthor seinen Tempel erbaut. Wie Steinbruch-Inhaber Pius Truffer stammt auch der heutige Thermeninhaber Remo Stoffel ausVals – wer den Namen googelt, findet mach veritable Räuberpistole aus der Wirtschaftswelt. Nach heftigen Kontroversen um eine Neuorientierung wurde die berühmte Felsentherme 2012 an den heimischen Investor Remo Stoffel verkauft. Zu seinem Valser Imperium gehören das Hotel7132, das 7132 House of Architects, das 7132 Glenner – und eben die 7132Therme. Stoffels Plan jedoch war eine anderer: Einen knapp 400 Meter hohen Wohnturm namens „Femme de Vals“ (in Anhehnung an Alberto Giacomettis „Femme de Venise“) wollte er im Dorf errichten, mit 107 Zimmern auf 82 Stockwerken, inspiriert von den Skyscrapern von Dubai, wo Stoffel derzeit lebt. Es hätte das höchste Gebäude Europas werden sollen, geplant vom amerikanischen Architekten Thom Mayne. Teilhaber des ambitionierten Unternehmens: Pius Truffer, der den Valser Quarzit im eigenen Steinbruch mit rund 60 Mitarbeitern abbaut. Zu den Medien sagte Truffer einmal: „Wir wollen mehr sein als ein Erholungs-Zirkus für die Unterländer oder ein Naturschutzreservat.“

Was vom großen Fest der Visionen übrig blieb? Mit der berühmten Schweizer Nüchternheit stimmten die Valser gegen den Skyscraper der Superlative. Statt dessen bevorzugten sie einen Umbau des bereits bestehenden Thermen-Kurhotels aus den 60er Jahren. Hierfür wurden gleich vier Architekten beauftragt. Nicht irgendwelche: Alle zählen zur Oberliga, drei davon sind Pritzker-Preisträger. Neben Peter Zumthor verwirklichten Kengo Kuma, Tadao Ando und Thom Mayne im heutigen „House of Architects“, ihre Wohn(t)raum-Visionen, es liegt benachbart zum „7132 Hotel“. Ende 2017 war der Komplex fertig.

Wie schon in der Therme, in der Zumthor den Elementen Wasser und Stein ein Denkmal setzte, dominieren auch im „House of Architects“ pure Materialien (wie Holz, Beton, Stein), ergänzt von monochromatischen Farbtönen. Deko und Firlefanz? Fehlanzeige. Die 73 Zimmer mit je 20 qm halten sich – wie die Therme – an ein klares Gestaltungskonzept. Auf starke farbliche Akzente setzte Zumthor, der zehn Zimmer mit einem Edelputz in Stucco Lustro-Technik schmückte, jeweils in den Tönen Rot, Gelb oder Schwarz. Handbemalte Vorhänge aus Habotai-Seide rahmen die Fenster mit Berglick. Tadao Ando gestaltete 18 Zimmer mit viel hellem Holz und klarem Weiß, stilistisch erinnern sie an traditionelle japanische Teehäuser. Kengo Kuma, unter anderem auf erdbebensicheres Bauen spezialisiert, verkleidete seine 23 Räume mit schindelartigen Strukturen aus Eichenholz, außerdem plante er drei 90-qm-Penthouse Suiten mit verglasten Fronten für das „7132 Hotel.“ „Die Kuma-Zimmer gehören zu die beliebtesten“, verrät Rüfenacht. Dazu gibt es ein Leckerli für Gutbetuchte, denn „wer die Kengo Kuma-Penthouse-Suite bucht, wird per 7132-Heli-Shuttle von seinem Wohnort abgeholt – schweizweit“. Als einziges Hotel der Schweiz leistet sich das Haus einen eigenen Heli mitsamt festangestelltem Piloten. Wobei ja, wie beschrieben, auch die Anreise per Bummelbahn viele Reize hat...

Der Amerikaner Thom Mayne inszenierte 22 Zimmer mit Flächen aus natürlichem Stein oder Holz, genannt „Wood“ oder „Stone“, mittig pflanzte er transparent schimmernde Ganzglasduschkabinen als dominierende Eyecatcher in den Raum. Auch der futuristische Eingangsbereich stammt aus der Feder von Architekt Mayne. Was die Arbeiten aller vier Baumeister verbindet? Es ist der minimalistische Ansatz mit seinen klaren Linien, der den gestalterischen Duktus der Felsentherme weiter führt, während die verwendeten Materialien mit der umliegenden alpinen Natur korrespondieren. Mit seinem Aufgebot illustrer Namen sind Therme und Hotel längst zum Design-Mekka für Fans aus aller Welt avanciert. Darben müssen die dann keinesfalls, denn im Michelin-Restaurant „7132Silver“ unter Chef Mitja Birlo oder im A-la-Carte-Restaurant „7132Red“ finden sich Gerichte für hohe bis allerhöchste kulinarische Ansprüche. Am Ende erinnert, unten im Weinkeller, nur noch ein kühn bis unter die Decke gestapelter Turm feiner Spirituosen an Stoffels einstige Turmbau-Visionen. „Hier lagert ein Best-of an Bordeaux und Champagner, zusammen 15.000 Flaschen von 175 Produzenten“, erzählt Sommelière Florentina Shanari. Anderen genügt ganz einfach das ursprüngliche Valser Wasser, das aus der nahen Quelle schießt. Ebenso ein edler Tropfen, dem eine ganze Therme als Tempel geweiht ist.

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