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Hoch das Bein

Zirkusreif: Gutes Design braucht Balance.

Der aus Südtirol stammende Designer Harry Thaler macht Sessel platt, veredelt Apfelkisten und huldigt Thomas Edisons Glühbirne - Ein Porträt

Südtirol und Design? Aber ja. Seit Matteo Thun mit seinem Design in den späten 1980er-Jahren das Augenmerk auf die Alpenregion lenkte, hat sich viel getan, zum Beispiel in Sachen Apfelkisten. Apfelkisten? Aber ja. Harry Thaler, ein schlanker, verschmitzt dreinschauender Gestalter, hat das asymmetrisch verbaute Modulregal, das in München präsentiert wurde, sozusagen kuratiert und die Verbindungselemente dafür geschaffen. Nicht irgendwelche Fruchtbehälter - diese hier sind aus hochwertigem Apfelholz, das Modul für 99 Euro. "Twist and lock" heißt das Regal.

Bis heute richten sich Studenten weltweit mit simplen Kisten ein - doch derart veredelt? Da werden auch Designliebhaber nachdenklich. Handwerk plus Zeitlosigkeit plus internationales Flair, so hieße wohl die Beschreibung in Katalogsprache. Doch diese Kisten können mehr: Optisch und haptisch hochwertig, persiflieren sie einen unterschätzten Gebrauchsgegenstand des Alltags.

Was macht Harry noch so? Lampen, Stühle, Tische, das Übliche. Das Übliche? Eben nicht. Thalers Entwürfe besitzen diesen besonderen Dreh, diesen "twist", der Dinge besonders macht. Der vielleicht darin besteht, bekannte Objekte völlig neu zu betrachten. Allen voran sein stapelbarer Stuhl "Pressed Chair", Abschlussarbeit am Royal College of Art London, entwickelt aus einem Papiermodell. Die platte, männchenförmige Grundform übertrug Thaler auf 2,5 Millimeter dünnes Aluminiumblech. "Flachmann" nennt er sie treffend. Diese bog er in die dreidimensionale Form eines Stuhls - fertig war ein Entwurf, der wirklich frischen Wind in die Sessellandschaft brachte.

Mit nur 2,5 kg ist der "Pressed Chair" ziemlich leicht: Reliefartig eingeprägte Nut-Rillen verleihen die nötige Steifigkeit. Für diese unkonventionelle Arbeit erhielt Thaler diverse Preise wie den Conran Award oder den Interior Innovation Award. Und überzeugte damit auch Möbelverleger und Querdenker Nils Holger Moormann, der das Modell ins Programm nahm. Die Konsequenz: weitere Preise.

Pforzheim und Sri Lanka

Seit sieben Jahren lebt der 39-Jährige in London. Er stammt aus Meran, die Eltern arbeiteten in der Logistikbranche. Jeden Sommer verbringt Thaler zwei Monate in der Heimat, arbeitet dort in einem kleinen Studio. Die Anfänge? "Mein Nachbar war Goldschmied und nahm mich als Kind mit in die Werkstatt", erzählt er, "das fand ich faszinierend. Nach dem Schulabschluss hab ich erst mal eine Goldschmiedelehre in Lana bei Meran gemacht." Es folgten Stationen in Wien, Sri Lanka und Pforzheim, wo er kurz an der Hochschule studierte und ins Produktdesign wechselte. Dann kehrte er nach Südtirol zurück, um in Bozen Design zu studieren.

2008 ging er wieder ins Ausland, machte ein Praktikum im Studio des Südtiroler Kollegen Martino Gamper in London. Thaler gefiel es in London, er blieb. Studierte am Royal College of Art und gründete 2010 selbst ein Studio im Künstlerviertel Hackney. "Die Stadt hat viel Energie, das ist toll zum Arbeiten", sagt er. Die Vorliebe für Metall ist ihm seit der Goldschmiedelehre geblieben. Für "Lichtkammer" bündelte er leuchtende Metallwürfel, mit hochwertigen Jacquardstoffen bezogen, zu einer Neuinterpretation des Kronleuchters.

Um die Ecke gedacht

Aber auch Holz steht weiter im Fokus: Nine-Sitzer ist ein hoher stapelbarer Hocker aus massivem Zedernholz, entstanden während eines USA-Aufenthalts. Das Atelierhaus des Museion in Bozen bespielte er mit originellem Mobiliar nach einem ausgeklügelten Raum-im-Raum-Konzept: ein Klappbett im Hochschrank, dazu eine Riesenkiste mit integriertem Doppelbett und Klapptüren auf Rollen, die tagsüber als neutraler Würfel daherkommt - alles aus Fichtenholz. Auch der Arbeitstisch bleibt sozusagen "im Rahmen".

Ebenfalls um die Ecke gedacht ist "Hang it on the wall": Das Modell ist Leuchtkörper, Objektkunst und Statement in einem. Ein überdimensionaler Nagel bohrt sich durch den Glaskörper einer Glühbirne in die Wand. Was will uns der Designer damit sagen?

"Dass ich es schade finde, wie Edisons Glühbirne sozusagen an den Nagel gehängt wurde, wie ein Paar alte Schuhe nach der Fußballerkarriere." Das zweideutig einleuchtende Modell ist in limitierter Auflage von 200 Stück über die ES Gallery in Meran zu beziehen. Und wo bleiben die Südtiroler Wurzeln? "Die sieht man doch, in diversen Arbeiten", sagt er. Zum Beispiel in "Flip Side": einer "very sophisticated" Sitzbank und zudem perfekten Holzarbeit, die britisches Understatement mit Thalers Kreativität und Südtiroler Bodenständigkeit verbindet. (Franziska Horn, Rondo, DER STANDARD, 9.5.2014)

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