Pieter Wittenberg steht neben einer Straßenlaterne vor dem Gericht der Hafenstadt Mytilini auf der griechischen Insel . Es ist kurz nach neun Uhr morgens, ein sonniger Tag Anfang Januar. Er und ein paar andere sind gekommen, um Solidarität zu bekunden. Sie halten ein Banner hoch, darauf steht " We are in this together" - wir hängen da zusammen drin.
Der 75-Jährige ist an diesem Tag zur Unterstützung von Mohammad Hanad Abdi da. Der 29-jährige Somalier wurde vor zwei Jahren in Griechenland zu 142 Jahren Haft verurteilt, wegen "Transport von Drittstaatangehörigen" und der "Gefährdung des Lebens von Menschen". Heute soll über seine Berufung verhandelt werden.
Wittenberg ist Niederländer, angereist ist er nicht wegen Hanad Abdi, sondern da er selbst ebenfalls vor Gericht steht. Einen Tag später soll der Prozess gegen ihn und 23 weitere humanitäre Helferinnen und Helfer eröffnet werden. Die bekundete Solidarität gilt nicht nur Hanad Abdi, sondern auch ihm selbst. Den 24 angeklagten Helfern drohen jeweils mehr als 20 Jahre Haft. Unter den Vorwürfen: Spionage, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Menschenhandel und Geldwäsche. Sie hängen da zusammen drin, genau wie Hanad Abdi. Nur dass der geplante Prozess gegen Wittenberg viel Aufmerksamkeit bekommen hat als der Prozess gegen den jungen Somalier, nicht zuletzt weil auch die Syrerin Sarah Mardini mitangeklagt ist, deren Geschichte in Die Schwimmerinnen auf Netflix verfilmt wurde. Über Fälle wie den von Hanad Abdi berichtet heute kaum noch eine Zeitung.
Eine Politik, die abschrecken sollIm Dezember 2020 ist der damals 27-jährige Mohammad Hanad Abdi mit 33 weiteren Geflüchteten in einem Schlauchboot von der türkischen Küste aus auf Lesbos angekommen. Kurz darauf wurde er als vermeintlicher Schmuggler festgenommen. Vor dem Gericht sagte Hanad Abdi schon beim ersten Verfahren, er habe das Schlauchboot erst gesteuert, nachdem die Gruppe auf dem Meer in Seenot geraten war. Zwei Menschen waren gestorben. Hanad Abdi wurde dennoch zu 142 Jahren Haft verurteilt, zwei Jahre saß er seitdem im Gefängnis auf der Insel Chios.
Diese Art von Gerichtsverfahren sind laut Menschenrechtsgruppen seit 2016 in Griechenland zu beobachten. Diejenigen, die wie Hanad Abdi als Fahrer von Booten identifiziert werden, werden in schnellen Verfahren vor Gericht gestellt und verurteilt. Doch die eigentlichen Schmuggler steigen gar nicht auf die Boote. Für Anwälte wie Alexandros Georgoulis, der auch Hanad Abdi an diesem Tag vertritt, ist die Einstufung von Flüchtlingen als Menschenhändler symptomatisch für eine Politik, die darauf zielt, Flüchtende von den Grenzen Europas fernzuhalten. Das Gleiche gilt für die Kriminalisierung von Seenotrettern wie Pieter Wittenberg.
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