An der Klias-Halbinsel kommt man nicht zufällig vorbei. Rund 120 Kilometer gen Süden sind es von Sabahs Hauptstadt Kota Kinabalu bis zum Naturschutzgebiet "Klias Wetlands Reserve". Über holprige Wege, vorbei an Palmölplantagen, kleinen Dörfern mit Stelzenhäusern. Winkende Kinder hüpfen als Farbkleckse durch das Grün, ein Bauer mit Wasserbüffel rauscht vorbei, eine Hängematte zwischen zwei Palmen, viel Sonne. Eine Idylle, die sich wunderbar anfühlt, solange man keinen schnellen Schritt in der flimmernden Hitze tun muss.
Je weiter der Weg auf die Klias-Halbinsel führt, desto holpriger und schmaler wird er. Mitten in einer Palmenplantage dann das kleine Holztor: "Selamat Datang" steht drauf - willkommen. Ansonsten gibt das bemalte Holzbrett wenige Auskünfte, wohin der lauschige Pfad führt. Auch er auf Stelzen, rechts und links getrocknete Schlammmassen und Ölpalmen. Heerscharen von Mücken summen bereits voller Vorfreude auf die Touristengruppen. Eine Viertelstunde zieht sich der Weg durch die Palmen bis zur Anlegestelle "Klias Jetty". Drei Bootsführer sitzen im Schatten gemütlich beisammen, am Kiosk nebenan gibt es Cola und Eis, und all das sieht so gemächlich aus, dass jeder Stress sofort abfällt. Eines der Boote wird von der Anlegestelle abgetäut. Und dann geht es los.
Die Natur wuchert nachFünf magere Zeilen widmet der deutsche Reiseführer den Klias Wetlands, was für die spektakuläre Natur, die Reptilien und Affen, könnten sie es denn lesen, geradezu beleidigend sein müsste. Denn Klias ist atemberaubend. Das Boot tuckert durch die Mangrovenwälder, durch kleine Kanäle und Flüsschen, vorbei an brüchigen Holzhäusern auf Stelzen, einer verlassenen Mini-Moschee aus Holz, verfallenen Stegen und einer Holztreppe ins Nichts. Wenn überhaupt, leben hier nur noch saisonal Fischer, die ihre Familie längst in einer der Kleinstädte ringsherum untergebracht haben. Kaum zieht sich der Mensch zurück, wuchert die Natur nach, umschlingt und würgt die Gebäude geradezu, bis die ersten Pfeiler nachgeben und das Gebäude in den Fluten versinkt.
So mager das menschliche Leben, so üppig zeigt sich die tierische Besiedlung. Warane, Krokodile, Makaken, hier und da eine Herde Wasserbüffel, die mittlerweile längst durch den Traktor abgelöst wurden und nun einfach herrenlos und schier vergnügt am seichten Ufer des Flusses baden. Ein paar Schnappschüsse mit der Kamera, dann geht es weiter.
Die wahre Attraktion der Klias Wetlands taucht erst eine halbe Stunde später auf: Es raschelt in den Bäumen, ein langer Schwanz baumelt aus dem Geäst - und dann streckt der erste Nasenaffe unübersehbar die Nase aus dem Gebüsch. "Orang Belanda" (Holländer) heißen sie in manchen Gegenden Borneos: Mit ihren dicken Bäuchen, braunen Haaren und großen Nasen scheinen sie genau zu dem Klischee des Plantagenbesitzers aus der Kolonialzeit zu passen; ein Ausdruck, der aus Indonesien stammt, das lange Jahre holländische Kolonie war. Aber weil sich Malaiisch und Indonesisch kaum unterscheiden, hatte es der Begriff nicht schwer, über die sonst gut bewachte Grenze zu sickern.
Gehabe wie vor der LanddiscoGenau die Nase der männlichen Affen ist es, die nicht nur Touristen verzückt, sondern auch die weiblichen Vertreter der Spezies: je größer das birnenförmige Organ, desto besser die Chancen beim weiblichen Geschlecht. Kurz vor Sonnenuntergang treffen sich die einzelnen Kleingruppen in den Baumwipfeln am Flussufer. Hier zeigen sich die Männchen von ihrer Macho-Seite: Ein wenig auf und ab stolzieren, ein paar dicke Äste durchschütteln und dabei Stimmgewalt beweisen, kurzum, das ist das Gehabe, wie man es auch von jugendlichen Männern vor der Landdisco kennt. Den Weibchen scheint's zu gefallen, sie wechseln von einer Gruppe zur anderen und damit den Partner - was in der Welt der Affen eher ungewöhnlich ist. Ein bisschen unpraktisch ist die Nase übrigens schon, denn sie wächst bis ins hohe Alter, sodass die Seniorenklasse das Riechorgan beim Essen schon mal beiseiteschieben muss. Beim Durchqueren des Flusses nutzen sie ihn jedoch als Schnorchel: Nasenaffen sind leidenschaftliche Schwimmer. Lockt jenseits des Flusses eine leckere Frucht oder pirscht sich ein Nebelparder, eine Katzenart, an die Gruppe heran, geht es mit Bauchklatscher ans andere Ufer.
Nur auf Borneo leben diese sympathischen Tiere, doch sind sie mittlerweile vom Aussterben bedroht. Rund 8000 Tiere gibt es noch, um die 600 sind es im Klias Wetlands Reserve. Ganz genau weiß es natürlich keiner - wie sollte man die Tiere im unwegsamen Gelände auch verlässlich zählen? Auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten wird der Nasenaffe als stark gefährdet eingestuft. Dass man ihn trotzdem relativ leicht aufspüren kann, liegt daran, dass er sich für den Menschen kaum interessiert. In den Mangrovenwäldern der Feuchtgebiete droht die Gefahr selten vom Fluss aus, sondern schleicht sich von Land her an. Abends sitzen die Affen daher wie eine in den Fernseher schauende Großfamilie alle gleich ausgerichtet, den Rücken immer zum Wasser gedreht.
Die wahren Gefahren sind für die Nasenaffen ohnehin nicht ersichtlich. Immer öfter müssen die Mangrovenwälder des Flachlands Shrimps-Farmen weichen, werden Regenwaldgebiete gerodet und durch Palmölplantagen ersetzt. Für die Nasenaffen eine Katastrophe, brauchen die wählerischen Tiere doch ein erheblich größeres Revier als andere Affenarten, um genügend Nahrung zu finden. Fast scheinen es die wenigen Touristenn in den Booten zu ahnen: Sogar die fröhlichen chinesischen Gruppen, eher bekannt für feurige Diskussionen als der Tierbeobachtung zuträgliche Ruhe, verstummen, als sie die Nasenaffen sehen.
Die Reise wurde unterstützt von Malaysia Tourism .
Foto: Infografik WELT ONLINE