Unangenehm wird es, wenn Accounts auf ihre Echtheit geprüft werden. Zuletzt warf Komödiant Oliver Pocher Influencerin Anne Wünsche vor, nicht existierende Follower zu haben. Selbst Instagram-Gigantin Kylie Jenner wird unterstellt, sie habe eine Anzahl ihrer 180 Millionen Follower gekauft.
Für Rechtsanwalt André Schenk von der Kanzlei SBS-Legal sind solche Fälle auch strafrechtlich relevant. Er erklärt BILD, viele Prominente hätten sich so strafbar gemacht. Denn: Wie viel Werbepartner zahlen, richtet sich oft nach Anzahl der Follower und Likes.► Außerdem sprach BILD mit Influencerin Jacqueline Siemsen. Sie kennt Personen in der Branche, die Follower gekauft haben - und hält das oft für einen Betrug am Werbepartner.
Wenn falsche Follower verschwiegen werden, drohen StrafenAnwalt Schenk schätzt, dass bereits Milliarden an Werbegeldern geflossen sind, die Unternehmen nun zurückfordern können. Denn wenn in den Werbeverträgen steht, dass ein Instagram-Star zum Beispiel 100 000 Follower hat, sollten diese auch aus Accounts realer Menschen bestehen.
► Wenn der Influencer bewusst getäuscht hat und darüber Bescheid weiß, dass ein Teil seiner Fangemeinde nicht existiert, liege ein Eingebungsbetrug vor. Dann können hohe Vertragsstrafen drohen, die Vereinbarung kann fristlos gekündigt werden.Da eine Produktwerbung ab etwa 500 000 Followern schnell mal 30 000 Euro koste, sei das Verschweigen falscher Follower strafrechtlich also oft kein Kavaliersdelikt, sondern ein Fall für das Landgericht und interessant für die Staatsanwaltschaft, sagt Schenk. „Außerdem kann es sogar zu hohen Schadensersatzzahlungen kommen."
Influencerin: „Frustrierend für alle in der Branche" Die Influencerin Jacqueline Siemsen, der auf ihrem Instagram-Profil „ jacqueline.siemsen„Das ist frustrierend für alle in der Branche, die ehrlich arbeiten. Für mich ist das ein Vollzeitjob, der selbst am Wochenende oder am Abend nicht vorbei ist." Sie sei oft nur am Telefon, gebe wahnsinnig viel Privates preis, produziere Beiträge vor. „Manchmal sind Freunde sogar genervt davon, dass ich alles in meinem Leben teilen muss." " bereits fast 16 000 Menschen folgen, kann gut verstehen, dass Firmen Influencer mit unechten Followern verklagen. Sie pflichtet dem Anwalt bei: „Das kann in vielen Fällen Betrug sein." Die Firma zahle dafür, echte Menschen zu erreichen, die einem Influencer folgen. „Diese gibt es aber nicht. Damit gefährdet jemand das Business des anderen."Die 29-Jährige leitet einen eigenen Onlineshop für Kleidung und wurde deutschlandweit bekannt durch die Teilnahme an der TV-Show „Temptation Island". Sie schätzt, dass etwa 20 bis 30 Prozent der Follower weltweit gekauft sind. In Onlinemarketing-Kreisen ist sogar zu hören, das bis zu 70 Prozent der Follower gefälscht sein könnten.
In den meisten Fällen, die Schenk betreute, waren die Influencer sofort bereit, die gezahlten Honorare zu mindern. „Das weist auch darauf hin, dass sie sich oft schon darüber bewusst sind, dass sie etwas rechtlich nicht Einwandfreies getan haben", sagt der Anwalt. Er geht davon aus, dass ein Vorsatz in den meisten Fällen vorhanden ist. „Ein Vorsatz ist in den meisten Fällen sicherlich vorhanden"Besonders in der vergangenen Zeit vertrat Anwalt Schenk viele Firmen, die sich gegen entsprechende Fälle wehren wollten. Bisher wurde sich stets außergerichtlich geeinigt - zu groß ist der Gesichtsverlust für Influencer und Werbepartner. Die Prominenten können schnell als „verbrannt" gelten. Außerdem verkörpern Influencer, die als sogenannte Ambassadors hinter einem Unternehmen stehen, oft den den Wert einer Marke. Wenn sich die Follower dann als falsch entpuppen, kann das auch die Marken abwerten, für die sie werben.
Auch Influencerin Siemsen erklärt, wie leicht falsche Follower zu enttarnen sind. Sie wundert sich darüber, dass es Werbepartner gibt, die die Influencerprofile nicht überprüfen: „Eigentlich müssten die Firmen sofort merken, wenn Follower nicht echt sind. Ich könnte durch Analysetools sofort vorweisen, dass meine Fanbase nicht gekauft ist." Falsche Follower können leicht enttarnt werdenEs gibt zahlreiche Agenturen mit Sitz im Ausland, bei denen für wenig Geld Follower oder Likes erworben werden können. Schenk erklärt jedoch, dass es häufig sehr offensichtlich sei, wessen Follower existieren und wer seine Fanbase lediglich gekauft hat: „Wir als Kanzlei können die Herkunft der Likes und hierüber dann die Agenturen mit etwas Aufwand zurückverfolgen."
Dort sei nämlich statistisch aufbereitet, wo die Follower leben, wie alt die Zielgruppe ist, ob sie mit Beiträgen interagieren. „Das ist wie ein Lebenslauf auf Instagram. Jeder kann sofort sehen, wenn es hier nicht mit rechten Dingen zugeht", sagt die 29-Jährige.
„Auch Bekannten wurde schon vorgeworfen, dass ihre Follower nicht echt sind", sagt Siemsen. Diese hätten dann gegen die, von denen sie beschuldigt wurden, auf Unterlassung geklagt. In solchen Fällen stelle sich jedoch folgende Frage: „Wenn die Follower echt wären, dann könnten die Personen das doch durch die Analyse-Tools beweisen und eine Klage wäre überhaupt nicht nötig." „Irgendwann kommt die Wahrheit ans Licht" Anwalt Schenk ist verwundert darüber, dass das Thema nicht schon früher so weitreichend besprochen wurde. Denn: Für ihn ist die Thematik der gekauften Follower, Likes und Ähnlichem schon lange relevant. Bereits im Jahr 2014 hat seine Kanzlei einen Fall betreut, in dem ein Staubsauger-Direktvertrieb mit gekauften Likes auf Facebook warb.Siemsen wurde bereits selbst von solchen Firmen angeschrieben - und erklärt, sie habe die Anfragen abgelehnt: „Man muss sich eben entscheiden, ob man authentisch sein möchte, viel Zeit investiert, aber dafür auch aktive und werberelevante Follower hat - oder ob man schnell viele falsche Follower haben will, die dann überhaupt nicht mit den Beiträgen interagieren." Letzteres würde vielleicht auch einige Werbepartner anlocken - aber in den meisten Fällen käme irgendwann die Wahrheit ans Licht.
„Wundere mich, dass das Thema erst jetzt besprochen wird"Dies habe den Eindruck vermittelt, dass die Leistungen der Firma vielen Kunden gefallen hätten. Die Likes hätten jedoch von Profilen aus weit entfernten Ländern gestammt, die wohl niemals Kunden des Staubsaugervertriebs gewesen seien.
► Das Landesgericht Stuttgart gab der Klage der Kanzlei schließlich Recht und erließ eine einstweilige Verfügung - auch wenn der Händler Glück hatte und diese Verfügung durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung wieder aufgehoben wurde. „Rechtlich stand jedoch fest, dass die Suttgarter Richter in den unechten Likes eine Rechtsverletzung sahen. Es erfolgte danach eine außergerichtliche Lösung des Konflikts."