„Wen wählen junge, linke Menschen bei der Wahl in Österreich?" Eine Kollegin stellte mir diese Frage vor Kurzem während einer Redaktionssitzung in Berlin. „Abgesehen von den Grünen", legte sie nach und nahm mir damit die einzige Antwort, die ich auf Lager hatte. Denn es gibt in Österreich keine relevante linke Partei.
Die Sozialdemokrat*innen der SPÖ kämpfen mit so schlechten Werten wie nie zuvor und mit konservativen bis rechten Tendenzen in der eigenen Partei. Die Grünen flogen bei der Nationalratswahl vor zwei Jahren aus dem österreichischen Parlament. Mehr als die Hälfte der Österreicher*innen stimmten damals für eine rechtspopulistische oder rechtskonservative Partei.
Gibt es überhaupt linke Wähler*innen in Österreich? Wo sind die? Und wem geben sie ihre Stimme?
Viele Menschen, die sich linke Politik in Österreich wünschen, machten in der Vergangenheit ihr Kreuz bei den Grünen, der sozialdemokratischen SPÖ, der Liste Jetzt (gegründet von dem Ex-Grünen Peter Pilz) oder bei einer Kleinstpartei wie der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) und Wandel. Oft mit Bauchweh, oft aus Mangel an Alternativen.
An dieser Stelle könnte man nun argumentieren, dass die österreichische Bevölkerung eben konservativ und rechts sei und es darum keine linke Partei brauche. Doch so einfach ist es nicht.
Einige Bewegungen wie die Arenabesetzung (linke Gruppierungen, die Ende der 70er Jahre mehrere Häuser besetzten), das Lichtermeer gegen Jörg Haider und Schwarz-Blau (Hunderttausende demonstrierten um das Jahr 2000 am Heldenplatz in Wien gegen die rechte Regierung), die Uni-Brennt-Bewegung (Studierende besetzten die Uni Wien ab 2009) oder die Donnerstagsdemos damals wie heute machen sichtbar, dass es auch in Österreich linke Bewegungen und damit potenzielle Wähler*innen für linke Parteien gibt.
Anhand des European Social Survey 2014 lässt sich das auch mit Zahlen belegen: So berechnete die österreichische Tageszeitung mit diesen Zahlen, dass das Wähler*innenpotenzial für linke Politik in Österreich ähnlich hoch sei wie in Deutschland. Dabei wurden bestimmte Charakteristika, die als wichtig für die Wahl einer Linkspartei gelten, festgelegt und mit Zahlen von Ländern mit relevanten linken Parteien verglichen.
In einer Stadt in Österreich gibt es auch linke Politik, das südösterreichische Graz ist die politische Ausnahmeerscheinung im Land. Dort hat die KPÖ mit dem Thema Wohnen eine Nische für sich besetzt und wurde mit 20 Prozent zweitstärkste Kraft bei der Gemeindewahl. Das Beispiel Graz zeigt, dass Menschen in Österreich sehr wohl bereit sind, eine linke Partei zu wählen, sogar eine kommunistische. Doch das Erfolgsmodell in der 286.000-Einwohner*innen-Stadt konnte bisher nicht auf die Bundesebene übertragen werden.
Warum gibt es also in Österreich keine linke Partei?Benjamin Opratko forscht an der Universität Wien schwerpunktmäßig zu Rechtspopulismus und Rassismus. Laut dem Politikwissenschaftler scheitern linke Parteigründungen erst mal an praktischen Gründen wie fehlendem Geld, Personal, Ressourcen und Strukturen. Ein Wahlkampf in Österreich kostet viel. Dazu komme, dass die SPÖ das linke Spektrum lange dominiert hat.
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