Warum wenden sich immer mehr junge Menschen nach rechts? Ein Gespräch mit Soziologe Philipp Ikrath
Bei der Wahl zum Bundespräsidenten in Österreich wählten 38 Prozent der 16- bis 29-Jährigen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer, in Frankreich gaben 35 Prozent der 18- bis 24-Jährigen dem Front National ihre Stimme. Und in Sachsen-Anhalt entschieden sich 26 Prozent der jüngsten Wählergruppe (18 bis 24 Jahre) für die AFD. Was ist an den Rechten so attraktiv? Viele sind politikverdrossen. Gerade junge Menschen sind eine sehr kleine Wählergruppe und waren nie besonders relevant für Parteien. Viele denken - sicherlich zu Unrecht -, dass sich die Politik zwar für die Schwulenehe, Migranten und Banken starkmacht, aber nicht mehr für den kleinen Mann, das Rückgrat der Gesellschaft. Sie fürchten sich vor „denen da oben" und treten darum gegen „die ganz unten". Theodor W. Adorno nannte das den „autoritären Charakter".
Ist es heute legitimer, rechts zu sein, als in den 30er Jahren?
Es wurde definitiv enttabuisiert. Die Rechten haben das Gefühl, im Aufwind zu sein. Wir sehen das auch bei den Wahlbefragungen in Österreich. Früher trauten sich weniger Menschen, am Telefon zu sagen, dass sie die wählen, als es dann am Wahltag taten. Heute haben die Leute kaum noch ein Problem damit, zuzugeben, dass sie FPÖ wählen.
In einem Interview sprachen Sie von einer Generation der „verhinderten Spießer". Was ist eigentlich ein Spießer?
Bei den meisten Menschen taucht das Bild von Doppelhaushälfte, kariertem Pullunder, Golden Retriever und Grillen am Samstag auf. Dieses Bild ist in den 50er und 60er Jahren entstanden. Im Kern ist der Spießer eine Person, die sich an den herrschenden Zeitgeist zumindest anlehnt, und das ist heute nicht mehr der Mann im Pullunder. Für mich verkörpert die Spießigkeit am besten Helene Fischer. Sie entspricht dem Bild einer braven, biederen und bürgerlichen Existenz, ohne dass sie besonders konservativ wäre. Sie ist eine Projektionsfläche für alles.
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