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Was durch die Luke passt: „Solche Container sind Abfallsammelstellen"

Herr Thate, in Ihrem Betrieb sortieren gut 200 Mitarbeiter das, was täglich in den Altkleidercontainern landet. Wie oft misten Sie selbst zuhause aus?

Zu Weihnachten stand ich vor dem Kleiderschrank, um Ordnung zu schaffen. Ich bügelte meine Hemden und stellte fest, dass ich die gar nicht mehr trage, obwohl ich mir in den letzten zwei Jahren so gut wie nichts Neues gekauft habe. Hier mal eine Hose oder ein T-Shirt, das war's. Ich ziehe mich gern gut an, aber kaufe mit Bedacht. Wenn ich zwei- oder dreimal pro Jahr ausmiste, kommt das in meine Textilsortierung.

Bevor Sie Ihre Firma Geo-Tex gründeten, haben Sie einen Secondhand-Shop in Amsterdam geleitet und einen Vintage-Großhandel unterhalten. Warum dann Altkleider?

Wir wollten eigentlich das finden, was wir schon als Handelsware aus dem Vintage-Geschäft kannten: zum Beispiel saubere, blütenweiße Tisch­wäsche, gestickt, gehäkelt und mit Spitze verziert. Schnell wurde uns klar, dass wir nur das bekamen, was man in den Haushalten nicht mehr brauchte. Dazu ge­hörte minderwertige, kaputte, verdreckte Bekleidung. Alles, was durch die Luke eines Containers passt, war da auch drin, inklusive Müll. Wir standen vor einem großen Haufen, der irgendwie verarbeitet werden musste. Das war 1991.

Damals haben sich die Deutschen von der Haus- und Straßensammlung verabschiedet, das Containersammel­system kam auf. Ein äußerst undurchsichtiges System. Haben Sie das auch erlebt?

Unternehmen riefen bei Textilverwertern wie mir an und erkundigten sich nach unseren Arbeitsstrukturen. Sie ga­ben mich als zertifizierten Verwerter in der Kette an, wurden grob überprüft, und man hörte nie wieder von ihnen. Niemand weiß, was anschließend mit der Ware passiert. Bis heute hat sich noch keine Kommune bei uns rück­ver­sichert, ob der Händler, der für seinen Zuschlag unser Zertifikat eingereicht hat, die erworbene Menge vollständig, in Teilen oder gar nicht an uns veräußert hat.

Welche Gründe haben die Verantwortlichen der Altkleidercontainer, die Spenden nicht Ihnen zu schicken?

Geht die Ware ins Ausland, besonders ins Nicht-EU-Ausland, müssen die An­lagenbetreiber zum Beispiel weniger strenge Auflagen erfüllen als wir hier. Es entstehen weniger Kosten für Sicherheit, Mitarbeiter und Entsorgung. Wo der Anteil an Müll landet, ist nicht nachvollziehbar.

Könnten die Kommunen dagegen vorgehen?

Es ist besser geworden, nur noch wenige Auf­träge gehen an solche Händler. Trotzdem fehlt ein richtiges Monitoring. Wir waren erstaunt, als wir mit Leuten vom Umweltministerium redeten; da gab es keine Daten. Es gibt keine offizielle Stelle in Deutschland, an der die Daten zusammenlaufen, um die bundesweit erfassten Mengen zu bestimmen. Laut einer schon etwas älteren Studie der RWTH-Aachen sind es etwa eine Millionen Tonnen pro Jahr in Deutschland. Überschlage ich das Kontingent der mir bekannten inländischen Sortierer, komme ich auf eher weniger als tausend Tonnen pro Tag. Rechne ich das aufs Jahr hoch, deckt das etwa ein Fünftel der vermutlich erfassten Menge von einer Million ab. Der Rest landet direkt im Ausland. Zumindest was Drittländer betrifft, kann niemand genau sagen, was damit passiert.

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