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Jugendwächter warnen: Der IS angelt sich mithilfe von Lern-Apps unsere Kinder

Ein Fingerwisch auf dem Smartphone oder dem Tablet-Computer reicht - schon ist der „Heilige Krieg" im Kinderzimmer. Mit als Lernprogrammen getarnten Apps versucht die Terrororganisation „Islamischer Staat" nun Mädchen und Jungen für den Dschihad zu begeistern. Die Internetwächter von „Jugendschutz.net" schlagen deshalb Alarm.

In einer Studie fanden sie heraus, wie der IS verstärkt deutschlandweit aktiv wird, um mit harmlos wirkenden Handy-Apps und Messenger-Diensten bereits Kleinkinder, vor allem aus islamischen Familien, spielerisch an Gewalt und Terror heranzuführen. Und das natürlich auch in Berlin.

Nach Jugendlichen werden nun auch immer mehr Kinder angesprochen

Im Chat-Forum von Telegram (Hauptsitz in Berlin) segelt der IS schon lange unter seiner schwarzen Flagge, um immer mehr Jugendliche für den „Heiligen Krieg" mit Kampf- und Hinrichtungsszenen zu begeistern (KURIER berichtete exklusiv). Über 1000 Gesetzesverstöße in islamischen Internetangeboten haben die Internetwächter von „Jugendschutz.net" dieses Jahr herausgefunden. Zum Vergleich: 2015 waren es nur 383! Ein völlig neues Phänomen ist, dass nun nach Jugendlichen auch Kinder gezielt mit islamistischer Propaganda vom IS angesprochen werden. Den Internetwächtern fielen dabei drei arabischsprachige Apps besonders auf.

Apps wirken zunächst harmlos

Zuerst wirken die Programme harmlos. Schließlich sollen sie dazu dienen, Kindern das arabische Abc oder das Rechnen beizubringen. So sieht man zuerst bunt gemalte Landschaften wie aus einem schönen Kinderbuch. Doch in den scheinbar so harmlosen Lern-Apps sind dann auf perfide Weise die kranken Hassbotschaften des IS versteckt. Denn mitten im Spiel sollen plötzlich Flugzeuge abgeschossen werden.

Anhand von Granaten und Maschinengewehren lernen die Kleinen dann die Bedeutung der arabischen Buchstaben kennen oder wie man Bomben im Kinderzimmer entschärft. Spielerisch soll so den Kleinsten eingetrichtert werden, dass der Krieg gegen Israel, die USA oder Europa etwas ganz Normales ist.

Die Apps tragen meist unverfängliche Namen wie „Moalem Al-Huruf" (dt.: „Lehrer der Buchstaben") oder „Dua" („Bittgebete"). In den Handy-Diensten, die Jugendschutz.net aufgedeckt hat, erscheint neben der einfachen Sprache und quietschbunter Atmosphäre auch die Flagge der Terrormiliz IS.

Apps werden über Plattformen wie Facebook verbreitet

Die Spiele gibt es nicht in normalen App-Stores. Sie gelangen über Plattformen wie Facebook auf die Handys der Kids. Alleine bei Telegram haben die Experten über 51 Kanäle entdeckt, die skrupellos den Mythos vom Wohlstands-Kalifat präsentieren. „Die Anwendungen richten sich vor allem an bereits radikalisierte Eltern, die ihre Kinder schon früh mit den Symbolen und Feindbildern des IS vertraut machen wollen", sagt Islamismus-Experte Patrick Frankenberger von „Jugendschutz.net".

Die IS-Saat geht auf. In Ludwigshafen versuchte ein Junge (12) gleich zweimal, Nagelbomben auf dem Weihnachtsmarkt zu zünden (KURIER berichtete). In einem Rucksack hatte er den selbst gebastelten Sprengsatz versteckt. Ermittler vermuten, dass die Terrormiliz dahinter steckt, die Anweisungen über den Messenger-Dienst von Telegram gab.

Solche Hassbotschaften kommen per Internet auch bei Berliner Schülern an. „Wir nehmen unter ihnen einen raschen Anstieg radikal-islamistischer Gedanken wahr", sagt José Semedo (34). Der Schulsozialarbeiter leitet an der Herbert-Hoover-Schule (Wedding) ein Präventionsprojekt gegen dschihadistische Einflüsse. Salafistenvideos und Terror-Apps bereiten ihm zunehmend Sorgen. „Wir haben vor kurzem mitbekommen, dass Videos im Umlauf sind, die radikale Prediger zeigen, mit teils verstörenden Botschaften."

Diese werden von Schülern der ersten bis zur zehnten Klasse mit voller Begeisterung geschaut. In Gesprächen mit ihnen versucht Semedo klar zu machen, woher die Botschaften kommen, die zum Hass gegen Christen und Juden aufrufen, und dass diese mit der Realität nichts zu tun haben.

„Die meisten Jugendlichen sind religiöse Analphabeten."

In seinem Kampf gegen dschihadistische Verführungen steht er nicht allein. Die Beratungsstelle „Kompass" (Tel. 030/23 911 300) ist erster Ansprechpartner für besorgte Mütter und Väter. Projektleiter Thomas Mücke erklärt: „Sollten Eltern mitbekommen, dass ihr Kind im Besitz solcher Apps oder Videos ist, empfehlen wir, uns anzurufen". Sein Rat an Eltern, die vermuten, dass ihre Kinder vom IS per Internet unterwandert werden: „Fragen Sie, was Ihr Kind sieht, zeigen Sie Interesse für die Videos, die Ihre Tochter oder Ihr Sohn sehen. Immer stets nachfragen, sprechen Sie gegebenenfalls auch mit den Lehrern Ihres Kindes."

Die erfahrenen „Kompass"-Mitarbeiter bieten Gespräche zu Hause oder im vertrauten Umfeld an. Momentan arbeiten sie langfristig an über 60 Fällen in Berlin. Tendenz steigend. Mücke: „Die meisten Jugendlichen sind religiöse Analphabeten. Das nutzen die Radikalen aus. Oft reicht ein wenig Aufklärung, um gegen die Dschihadisten abzuschrecken."


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