Wer sich der Liebe des Partners nicht (mehr) sicher ist - oder selbst nicht mehr so richtig um seine Zuneigung weiß, greift gerne mal zu einem Liebestest. Beziehung beenden? Aber kann ein solcher wirklich weiterhelfen? bildderfrau.de hat bei einem Experten nachgefragt.
Wer kennt das nicht: Die Liebe zum Partner ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Und möglicherweise empfindet der Partner das genauso. Vielleicht ist es nur eine momentane Krise, vielleicht ist die Beziehung aber einfach am Ende... Manchmal ist das gar nicht so einfach herauszufinden. Gut, wenn Hilfe auch von außerhalb kommt - für viele in der Form eines Liebestests. Dabei wird die Beziehung anhand vieler Fragen analysiert - und am Ende ist man vielleicht auch wirklich schlauer. Aber sind solche Liebestests wirklich seriös? Und vor allem aussagekräftig?
Paarberater und Parship-Coach Eric Hegmann kennt solcherlei Sorgen und Ängste aus seiner beruflichen Erfahrung. Mit bildderfrau.de hat der Experte über Sinn und Einsatz von Liebestests gesprochen - und worauf bei ihnen zu achten ist.
Liebestest in Bezug auf einen selbst Warum vertrauen manche Menschen mehr auf eine Liebestest-Auswertung als auf die eigenen Gefühle?Natürlich sollte man zuerst auf das eigene Gefühl hören, doch es ist schon klug, nicht die wichtigsten Entscheidungen im Leben allein emotional zu treffen. Denn viele Gefühle haben keinen aktuellen Bezug, sondern basieren auf früheren Erfahrungen und Verletzungen. Wenn der aktuelle Partner etwas macht, woran man sich als besonders schmerzhaft aus einer früheren Beziehung erinnert, findet ein Übertrag statt, mit dem der neue Partner nichts zu tun hat. Wer seine Beziehung in Frage stellt, ist gut beraten, nicht nur impulsiv zu handeln, sondern sich Zeit zu lassen, einen Schritt zurück zu treten und zu erfassen, woher die Zweifel stammen.
Kann mir ein "guter" Liebestest wirklich über mich Auskunft geben?Es gibt durchaus valide Erkenntnisse über Beziehungszufriedenheit und welche Kriterien diese beeinflussen. Gängige stammen beispielsweise von dem amerikanischen Professor John Gottman, er hat 40 Jahre lang studiert, wie Paare sich verhalten, wie sie streiten, wie sie kommunizieren - und dabei hat er sie beobachtet und tatsächlich vermessen: ihre Reaktionen, ihre Aufregung, ihre Beruhigungsphasen, ihre Zuversicht, ihre Angst. Diese Ergebnisse werden heute weltweit in der Paartherapie verwendet, denn sie sind in ihrer Präzision einzigartig. Doch was kein Test der Welt aussagen kann, sondern letztlich nur die Partner selbst: Tut uns unsere Beziehung gut? Tun wir einander gut oder verletzen wir uns?
Was sind in der Regel die Intentionen für Menschen, die sich testen?Dies sind häufig Menschen in Krisensituationen, die aber nicht impulsiv alles hinwerfen wollen, was sie mit ihrem Partner aufgebaut haben, sondern sozusagen eine zweite Meinung einholen möchten. Ein guter Test kann eine solche Meinung darstellen, er kann aber nur ein Hinweis sein und keinesfalls beispielsweise ein Gespräch mit einem Paartherapeuten ersetzen. Im besten Fall ist ein Liebestest ein Anlass, genau dies zu tun.
Wo liegen die Gefahren, wenn ich mich einem solchen Test stelle?Kein Test kann jede individuelle Situation eines Paare erfassen. Er kann nur eine Stimme von vielen sein, die man sich anhört und auf sich wirken lässt. Sonst könnte man sich zu schnell zu einer Entscheidung drängen oder überreden lassen. Gefahr besteht auch in der Wissenschaftlichkeit eines solchen Testes: Er muss auf validen Daten basieren und er darf nur Anregungen für neue Gedanken und Blickwinkel geben. Auch ein Paartherapeut wird nur in extremen Fällen wie Missbrauch oder Abhängigkeit zu einer Trennung raten. Die Entscheidung über die Fortführung einer Beziehung darf nur und muss das Paar selbst treffen.
Liebestest in Bezug auf den Partner Kann mir ein "guter" Liebestest wirklich über meinen Partner Auskunft geben?Eine Fremdeinschätzung ist grundsätzlich schwierig und kann wie eine Statistik höchstens einen Eindruck wiederspiegeln, der sich vom individuellen Fall möglicherweise erheblich unterscheidet. Möglich ist aber, dass die im Test abgefragten Situationen helfen, das eigene Erleben ins Erinnerung zu rufen. Vielleicht hat ja ein aktueller Streit alle guten Momente verdrängt und es wird klar, die Partner verbindet doch viel mehr als sie entzweit.
Warum ziehen manche Menschen einen solchen Test dem Gespräch mit dem Partner vor?Dies sind vor allem vermeidende Paare, die sich so verhalten. Sie wollen keinen Streit, mögen keine Auseinandersetzungen und grübeln lieber, bevor sie die Harmonie zerstören. Das ist ein Stück weit Pragmatismus, aber auch Angst vor Konfrontation. Verständlich ist das, doch Konflikte werden meist größer, wenn man sie verbergen möchte, deshalb prallen solche Paare oft erst mit ihren Wünschen und Bedürfnissen aufeinander, wenn sie einander bereits sehr verletzt haben - was sie ja eigentlich gerade vermeiden wollten.
Was schlagen Sie als vernünftige Alternative zum Liebestest im Bezug auf den Partner vor - gerade wenn es sich um einen handelt, der nicht willens ist, ein Gespräch zu führen?Ein Partner, der nicht willens ist, ein Gespräch über Probleme in der Beziehung zu führen, ist kein Partner, mit dem eine Beziehung mittel- und langfristig zu führen ist. Ich erlebe oft, dass zunächst ein Partner die Paarberatung aufsucht, weil der andere nicht bereit ist, mitzukommen. Doch schnell komme ich dann an den Punkt, an dem es nur Fortschritt mit gemeinsamer Beziehungsarbeit geben kann. Ein Partner, der sich weigert, an einer Beziehung zu arbeiten, macht dadurch eine deutliche Ansage, wie wichtig ihm diese Beziehung ist.
Liebestest in Bezug auf beide Worauf muss ich achten, wenn ich partout einen seriösen Liebestest machen will?Professor John Gottman behauptet, er kann mit einer Zuverlässigkeit von über 90 Prozent vorhersagen, ob ein Paar, das bei ihm Unterstützung sucht, zusammenbleiben oder sich trennen wird. In seinen Büchern "Die Vermessung der Liebe" und "Principia Amoris" präsentiert er die Formeln, nach denen er dies berechnet. Seriöse Tests gibt es also durchaus, man sollte aber auf vertrauenswürdige Quellen achten und sich keinesfalls mit einem Testergebnis zufriedengeben. Das kann aber ein guter Anlass sein, die Beziehung zu überprüfen. Natürlich gemeinsam mit dem Partner - und vielleicht mit professioneller Unterstützung.
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Eric Hegmann hat den Test "gehen oder bleiben" entwickelt. Über 200 Fragen bilden die wahrscheinliche Beständigkeit der Beziehung, die Beziehungszufriedenheit, die Intimität sowie die Beziehungshistorie mit dem Partner ab. Mehr Info.
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