Wenn Männer den Frauen unaufgefordert zur Hilfe eilen, dann ist das nicht nur eine durch und durch nette Geste der Hilfsbereitschaft. Vielmehr sehen Psychologen darin eine Form der „freundlichen Diskriminierung". Männer erklären Frauen die Welt, weil sie davon ausgehen, dass sie es besser können - ob im Alltag, im Job oder in der Partnerschaft.
Experten sprechen in diesem Fall vom so genannten „Mansplaining" - eine Wortneuschöpfung, die sich aus den Worten „Man" (Mann) und „Explaining" (erklären) zusammensetzt.
Wo begegnet man diesem Phänomen? Welcher Frauentyp ist häufig davon betroffen? Wie wehren sich Frauen erfolgreich dagegen - in der Partnerschaft und im Job?
BILD hat bei der Diplom-Psychologen Anke Precht und dem Paarberater Eric Hegmann nachgefragt.
BILD: Wie verbreitet ist das Phänomen in Partnerschaften heutzutage?
Eric Hegmann: „In der Beratung erlebe ich durchaus häufiger, dass Männer ihre Partnerin von oben herab behandeln, ihnen das Gefühl geben, sie hätten eigentlich keine Ahnung.
Aber wenn man Paare in ihrer Kommunikation beobachtet, wird man immer feststellen, dass es Wissensgebiete gibt, die ein Partner als sein Fachgebiet verteidigt. Manchmal gerechtfertigt, manchmal nicht. Die Botschaft ‚Du hast doch keine Ahnung!‘ ist nie erwünscht und mit dem Zusatz ‚Weil du eine Frau bist‘ wird der negative Eindruck nur noch schlimmer.“
Wie äußert sich das Phänomen bei Paaren?
Hegmann: „Hier muss man unterscheiden, ob eine Erklärung gewünscht und erbeten wurde, ob sie gönnerhaft und herablassend formuliert wird, ob sie vor Publikum erfolgt und dadurch ein Rollenverhalten gezeigt werden soll oder ob sich so jemand in den Mittelpunkt stellen und interessant machen möchte.
Wenn Sie sich umschauen, sei es im Restaurant, im Supermarkt, in der U-Bahn oder in der Ausstellung: Männer erklären ihren Partnerinnen oft und gerne ihre Sicht der Welt. Zum Problem wird das, wenn es nicht partnerschaftlich sondern von oben herab geschieht, denn dadurch nimmt ein Partner eine Erwachsenen-Rolle ein und ordnet der Partnerin die Kinder-Rolle zu.“
Wie fühlen sich Frauen mit einem erklärenden Partner an ihrer Seite?
Hegmann: „Die meisten Frauen mit einem erklärenden Mann an ihrer Seite fanden das anfangs gut, sonst hätten sie ihn gar nicht gewählt. Sie mochten diese Eigenschaft, denn sie signalisierte Fürsorge und Bemühen, zeugte von Intelligenz und festigte seine Position als jemand, der in seinen Bereichen der Beste ist – evolutionär gesehen, ein Zeichen von Attraktivität.
Aus so einer Anziehung kann jedoch später eine ‚fatale Attraktion‘ werden. Dann dreht sich die Wahrnehmung vollständig um und das Verhalten verletzt, macht wütend, provoziert Streit. Typisch ist: ‚Anfangs mochte ich das sehr gerne, aber er hört damit nicht mehr auf ...‘
Für die Männer kommt das häufig sehr überraschend, denn sie haben ja an ihrem Verhalten nichts geändert. Deshalb erleben sie die Kritik dann auch als besonders ungerecht.“
Warum machen Männer das? Was ist ihre Intention?
Hegmann: „Einige Männer meinen es tatsächlich gut. Sie wollen ihr Wissen teilen und sie bemerken nicht, dass ihr Verhalten herablassend wirken kann. Andere halten sich für erheblich klüger als alle Frauen – und ihre Partnerin ebenso.
Andere erfüllen so eine Rolle, die sie denken, erfüllen zu müssen, um beim anderen Geschlecht anzukommen. Und an diesem Punkt ist die Dynamik bei der Partnerwahl spannend: Frauen finden die Männer interessant, die mit ihrem Verhalten, mit ihrer Stimme und auch mit ihrer Statur den größten Raum einnehmen, denn evolutionär vermittelt dies Informationen über seinen Status in der Gruppe, ob andere Männer ihn respektieren, ob sie Abstand halten oder ob sie seine Nähe suchen. Die Dosis macht das Gift und vor allem, wie der Mann damit umgeht, wenn die Partnerin ihm aus ihrem Wissensgebiet Dinge erklärt.“
Gibt es Paare, bei denen diese Rollenverteilung auf Dauer funktioniert?
Hegmann: „Diese Paare gibt es, denn als die sich gefunden haben, war in den meisten Fällen die Kommunikation bereits so, wie sie später ist. Das heißt, die Partner ergänzten sich und fühlten sich wohl.“
RAUS AUS DER MANSPALINING-SPIRALE – SO GEHT’S
★ Reden, reden, reden: Erklären, wie was wahrgenommen wird, ohne falsche Scheu. Kommunikationsprobleme werden immer schlimmer, wenn sie nicht geklärt werden.
★ Signale vereinbaren: Um Kritik gerade vor Außenstehenden zu vermeiden, kann ein Paar ein individuelles Signal vereinbaren, das sagt: „Schatz, es ist genug. Habe verstanden.“ Am besten etwas mit Humor, das niemanden verletzt.
★ Streitkultur verbessern: Achten Sie darauf, ob Kritik, Verteidigung, Verachtung, Rückzug und Machtdemonstration ihre Streitkultur prägen. Dann sollten Sie unbedingt Ihre Kommunikation verbessern.
★ Mit Lob und Anerkennung nicht geizen: Erklärungen können ein Versuch sein, Anerkennung zu erhalten. Erhalten solche Personen sonst ausreichend Bestätigung, buhlen sie nicht an anderer Stelle.
Wann wird dieses Phänomen zur Gefahr für die Beziehung?
Hegmann: „Laut aktueller Studienlage ist Abwertung einer der ‚apokalyptischen Reiter‘ der Beziehung. Das sind Kritik, Verteidigung, Verachtung, Rückzug und Machtdemonstration. Paare, die derart miteinander umgehen, werden sich mehrheitlich trennen.
‚Mansplaining‘ beinhaltet einige dieser negativen Strategien. Ständige Erklärungen können als Kritik an der eigenen Intelligenz verstanden werden. Darauf folgt eine Verteidigung, schließlich Abwertung und Verachtung bis hin zum Mauern und schlussendlich eines Beweises der Machtstruktur.
Wer sich permanent belehrt fühlt, womöglich noch vor Außenstehenden, der wird sich dagegen irgendwann auflehnen. Allerdings ist bei einer solchen Paar-Dynamik die Streitkultur kaum wertschätzend und konstruktiv. Wenn in einer Beziehung Konflikte nicht ohne bösen Streit verhandelt werden können, hat sie kaum eine Zukunft.“