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Das Ladeerlebnis mit Software verbessern

Das Ladeerlebnis an öffentlichen Ladepunkten muss noch deutlich besser werden

Das Ladeerlebnis an öffentlichen Ladesäulen ist häufig ein Ärgernis. Für den Durchbruch zum Massenmarkt muss das einfach und problemlos funktionieren. Die Hoffnung ruht auf Software, dabei arbeiten bereits etliche Software-Protokolle in Ladesäulen.

„Die Leute haben keine Reichweitenangst. Sie haben Ladeangst", erklärt Stefan Schauer-Burkart. Da trifft der Sales Director von Monta Deutschland einen wunden Punkt. Jeder hat schon mal erlebt, dass eine Ladesäule schwer zu finden ist. Beide Anschlüsse belegt oder defekt sind, obwohl die App sie als frei oder funktional anzeigt. Wer mit Ladekarten unterwegs ist, muss vorab klären, ob die hier akzeptiert werden und wenn ja, zu welchem Preis?

„Nach zehn Jahren Elektromobilität im Markt, treffen wir zunehmend auf neue Nutzer. Die Frustrationstoleranz dieser Nutzer ist deutlich geringer als bei Early-Adoptern. Systeme müssen also stabiler und einfacher werden", betont der Monta-Manager. Das Software-Unternehmen wurde im Jahr 2020 in Dänemark gegründet. Inzwischen ist auf über 100.000 Ladepunkten, davon ein Fünftel in Deutschland, die Monta-Software zur Abrechnung installiert. Die Unternehmensvision ist eine zentrale Abwicklung von Ladevorgängen beim Arbeitgeber, daheim und an öffentlichen Ladesäulen. „Man hat für alles nur noch eine einzige App auf dem Smartphone. Besser wäre es, wenn alles im E-Auto integriert wäre, dann da erfolgt die Routen- und Ladeplanung", so Schauer-Burkart. Die Anzeige zeitlich flexibler Tarife als auch die Auswahl eines Ladekontos könnte auf dem zentralen Bildschirm im Fahrzeug erfolgen.


Eins gegen 1.100

An dieser Stelle erfolgt in Diskussionen stets der Verweis auf Teslas Supercharger. Dort funktioniere das Laden doch reibungslos. „Der Vergleich hinkt natürlich", sagt Markus Bartenschlager, CCO bei Digital Charging Solutions, „Tesla ist ein Unternehmen, wir haben über 1.100 in unserem Ökosytem." Damit meint er, dass beim öffentlichen Laden verschiedene Autohersteller, diverse Ladepark-Betreiber (CPO) sowie viele Ladekarten-Anbieter (EMP/MSP) unter einen Hut gebracht werden müssen. Der Datenaustausch zwischen sämtlichen Beteiligten muss reibungslos ablaufen. Die Antwort der Branche heißt Plug & Charge. „Doch sind wir dabei noch nicht so weit, wie wir sein wollten," gibt Bartenschlager unumwunden zu. Die Sicherheitszertifikate des Abrechnungsstandards müssen im Fahrzeug als auch im Ladepunkt hinterlegt sein. Es ist ein komplexes System, das nun schrittweise von den Fahrzeugherstellern umgesetzt wird. Dabei setzen sie zunächst auf einen einzigen Ladevertrag. Nur wenige ermöglichen die Trennung von privatem und beruflichem Ladekonto oder die Nutzung mehrerer Verträge mit unterschiedlichen Kilowattpreisen.


Wie damals mit Windows

Hubject bietet als Clearing-Anbieter ein Open Plug & Charge Protocol (OPCP) an. Genau wie das Open InterCharge Protocol (OICP). Es spielt eine wesentliche Rolle bei der Interoperabilität. Eine Ladekarte soll an möglichst vielen öffentlichen Ladepunkten funktionieren - am besten europaweit. Doch Hubject ist nicht der einzige Anbieter für Interoperabilität. Daneben existieren noch Gireve mit dem eMobility Inter-Operation Protocol (eMIP), das eClearing.net (OCHP) sowie die EV Roaming Foundation (OCPI). „Zusätzlich steigt mit der Zahl der Automarken als auch der Ladeanbieter die Komplexität. Das hat die Situation eher verschlechtert", erläutert Christian Hahn, CEO von Hubject. Ein Blick in seine Datenbank verdeutlicht das Dilemma. Das Unternehmen ist auf die Datenqualität der angeschlossenen CPO angewiesen. Doch da stimmen gelegentlich Geodaten nicht mit der angegebenen Adresse überein. Die Ladestecker passen nicht zur angegebenen Ladeleistung. Es fehlen Zeitangaben, falls ein Tor die Zufahrt zur Ladesäule verhindert. Hubject hat daher eine Note, den EVSE Data Score, eingeführt. Je vollständiger und aktueller die Daten des CPO, desto besser fällt die Note aus. Ladepunkte mit zu schlechten Noten werden Kunden gar nicht angezeigt. Somit hat jeder CPO ein wirtschaftliches Interesse, das seine Daten aktuell sind. „Der Reifegrad in der Systemlandschaft ist noch ausbaufähig", lautet das diplomatische Fazit von Hahn. Man kann die Situation mit den Anfangstagen des Betriebssystems von Microsoft vergleichen. Bei den ersten PC mit Windows benötigte man von jedem Drucker- und Scanner-Hersteller eigene Treiber-Software. Aber auch die war kein Garant für einwandfreie Funktionalität. Das wurde erst im Laufe der Jahre besser.


Jedes weitere Protokoll verursacht Kosten

Das Windows der Ladebranche heißt OCPP. Das steht für Open Charge Point Protocol. Es regelt die Kommunikation zwischen E-Auto, der Ladesäule und dem Backendsystem des Ladeanbieters (CPO). Klappt die Kommunikation auf einem Teilstück nicht, fließt keine Energie. Dabei hat sich OCPP erst im Laufe der Jahre zu einem Industrie-Standard entwickelt. Das Protokoll geht zurück auf eine Initiative der gemeinnützigen, niederländischen E-Laad-Stiftung. Im Laufe der Zeit sollte OCPP immer mehr Aufgaben übernehmen. Das reicht von eichrechtskonformen Abrechnungen bis hin zur Einbindung der ISO-Norm 15118 für bidirektionales Laden als auch die sichere Übertragung von Plug & Charge-Zertifikaten. Das führte dazu, dass die Software mit Version 2.0.1 komplett neu geschrieben wurde. Das alte Protokoll konnte die Vielzahl der Aufgaben nicht mehr bewältigen. Hier bietet sich wieder der Windows-Vergleich an, denn bei den vielen CPOs sind unterschiedliche Versionen von OCPP auf den Ladesäulen installiert. Doch bei unterschiedlichen Protokoll-Versionen hakt es schon mal. „Jedes Protokoll muss man validieren, installieren und aktualisieren", sagt Jörg Lohr, CEO von Compleo als Teil der Kostal Group, „Das kostet Geld, was den Break Even für CPO weiter in die Ferne rückt." Zu viele Aufgaben und auch 100-prozentige Interoperabilität wurde bis heute nicht erreicht. „Unsere Branche hat zuerst Wettbewerb geschaffen, noch bevor wir überhaupt einen Markt hatten. Wir hätten uns einiges in der Telekommunikationsbranche abschauen können, um ein besseres Kundenerlebnis zu liefern", zeigt sich der Manager selbstkritisch. Neben technischen Anforderungen erschweren regulatorische Vorgaben wie die Ladesäulenverordnung und die AFIR auf EU-Ebene der einfachen Elektromobilität zum Durchbruch.


Alles im E-Auto abwickeln

Noch ist Laden mit vielen unterschiedlichen Preisen und Ladekarten komplexer als Tanken. Bester Beweis ist die Tarifänderung von EnBW ab dem 5. Juni 2024. Dann endet das einfache „Ein Preis für alle Ladesäulen"-Modell. Ladevorgänge an Partnersäulen werden zwischen 0,59 und 0,89 Euro pro kWh abgerechnet. Da muss der Nutzer vorher genau hinschauen. Die Ladekarten-Kooperation zwischen EnBW und dem ADAC läuft im August 2024 nach fünf Jahren aus. Zusammen haben die beiden großen Anbieter es vielen Einsteigern einfach gemacht. Die Trennung ist ein schlechtes Zeichen in den Markt.

Ladeparkbetreiber müssen ab jetzt ihre neuen Ladesäulen mit Kreditkartenterminals ausstatten. Das erweitert das Protokoll-Potpourri. Die Kosten für die Zahlungsabwicklung wird der CPO an den Kunden weitergeben, ist Christian Hahn von Hubject überzeugt. Zudem muss die Herausforderung gelöst werden, dass ein Kunde vor dem Ladevorgang den Kilowattstunden-Preis bei Kreditkartenzahlung angezeigt bekommt. Zukünftige Funktionen wie die Reservierung eines Ladepunktes sind mit einer Kreditkarte nicht zu realisieren.

Letztendlich läuft es auf die Idee von Stefan Schauer-Burkart hinaus. Alles muss über das Fahrzeug abgewickelt werden. Es plant Ladestopps dynamisch, nach Fahrverhalten, Topografie der Strecke, Verkehrssituation und Wetter. Das E-Autos sollte auch die Bezahlung abwickeln. Das erleichtert zeitabhängige Ladetarife, die sich danach richten, ob Überschüsse erneuerbarer Energie im Netz vorhanden sind bzw. sich abzeichnen. Eine physische Ladekarte ist ein Bruch in diesem digitalen Prozess.


Heimtarif unterwegs mitnehmen

Die Ideen für Software-gesteuerte Ladelösungen gehen noch weiter: E-Autofahrer sollen die Energie ihrer Photovoltaik-Anlage an öffentliche Ladepunkte mitnehmen können. Auch das Laden auf Reisen zum Hausstromtarif soll ermöglicht werden. Die Lösung heißt Banula. Das steht für barrierefreie und nutzerfreundliche Lademöglichkeiten. Es ist ein Forschungsprojekt des Fraunhofer Instituts IAO sowie sieben weiteren Projektpartnern. Dabei werden öffentliche Ladepunkte in virtuellen Bilanzierungsgebieten zusammengefasst. Mithilfe der Blockchain-Technologie tauschen die Beteiligten Daten aus. Statt einer Marge auf den Kilowattpreis erhält der CPO ein Infrastrukturentgelt für die Energieabgabe. Das Modell wurde bereits im Verteilgebiet des Energiedienstleisters Badenova aus Freiburg in der Praxis getestet. Ein solchen Ladeangebot wäre vor allem für Flottenbetreiber reizvoll, da die Ladekosten für eine Vielzahl von Fahrzeugen mit nur einem Vertrag deckeln können. Auch die Möglichkeit zuvor eingespeisten Grünstrom an anderer Stelle ins E-Auto laden zu können, klingt verlockend. Vermutlich dauert eine deutschlandweite Realisierung noch Jahre, denn es erfordert die Installation weiterer Protokolle in jeder öffentlichen Ladesäule.

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