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Ekel-Pakete

Bei Arne Krämer war der Spaß vorbei, als er beim Angeln anstatt eines Fisches einen Hundekot-Beutel aus dem Wasser zog. Nicht zum ersten Mal fühlte er sich von den Tütchen samt ihres Inhalts gestört: „Auf meiner Joggingstrecke habe ich bei einem Lauf mal knapp hundert Hundekotbeutel gezählt." Die Misere rührt aus einer ursprünglich guten Idee. Viele Städte und Gemeinden haben Spender mit kostenfreien Tütchen aufgestellt - rund 200 Millionen Hundekotbeutel werden auf diese Weise jährlich ausgegeben. Damit lassen sich die Hinterlassenschaften des kleinen Lieblings problemfrei aufsammeln und in den nächsten Mülleimer verfrachten. Eigentlich. Denn in der Praxis landen viele der Beutel nicht im Abfalleimer, sondern im Grünen.


Sie liegen einfach überall

„Als ich mich erkundigt habe aus was für einem Material diese Beutel bestehen, war ich ziemlich überrascht: nicht abbaubares Plastik, " sagt Krämer. Das bedeutet, der Hundekot in den Plastikbeutel ist nicht nur eklig und unästhetisch, sondern auch ein richtiges Umweltproblem. Weil die Tüten so dünn sind, zerfetzen sie recht schnell, was das Einsammeln der Einzelteile schwierig macht. Das Plastik zerreibt sich im Laufe der Zeit in immer kleinere Partikel, die von Tieren und Pflanzen aufgenommen werden und auf diese Weise in den Nahrungskreislauf gelangen. „Dagegen wollte ich etwas unternehmen", sagt Krämer. Im Rahmen seiner Bachelorarbeit im Bereich Technische Betriebswirtschaftslehre, entwickelte er eine Alternative aus biologisch abbaubaubarem Kunststoff. Im Zuge seiner Recherchen stieß Krämer auf den schweizerischen Folienhersteller Folag, der bereits seit über zehn Jahren Hundekotbeutel und seit einigen Jahren auch biologisch abbaubare Folien im Programm hat. Der Schritt zum biologisch abbaubaren Hundekotbeutel war dann nur noch ein kleiner. Nach Angaben der Folag AG bestehen die Hundekotbeutel aus 40 bis 50 Prozent nachwachsenden Rohstoffen, der Rest ist erdölbasiert. Der Beutel ist zertifiziert für den Abbau unter niedrigen Temperaturen. Das heißt, unter optimalen Bedingungen kann er sich nach einigen Monaten in der hiesigen Umwelt zersetzen. Um die Hemmschwelle für ein wildes Entsorgen zu erhöhen, sind die Beutel auch in roter Farbe erhältlich. Denn keinesfalls will Krämer einen Freibrief für das Littering schaffen. Mit einer biologisch abbaubaren Variante ließen sich zwar die Umweltauswirkungen der Beutel minimieren, falls sie in die Natur gelangen. Das sei, betont Krämer, immer nur die zweitbeste Lösung. Natürlich sollten auch diese Beutel immer besser im Abfalleimer entsorgt werden. Warum Menschen den Kot ihrer Lieblinge überhaupt erst in einen Beutel verpacken und dann nicht Gang zum nächsten Müllereimer schaffen, bleibt ihm ein Rätsel. „Manchmal liegt es vielleicht daran, dass kein Mülleimer in der Nähe ist. Oder der Beutel wird auf Grund des Ekelfaktors oder aus Scham damit gesehen zu werden, in einem unbeobachteten Moment in die Gegend geschmissen."


Die Poop-Bag-Map zeigt, wie groß die Belastung ist

Wie extrem die Umweltbelastung ist, davon haben die allermeisten Menschen vermutlich keine Vorstellung, meint Krämer. Um ein Problembewusstsein zu schaffen, hat er inzwischen ein zweites Projekt gestartet, die „ Poop-Bag-Map". Auf der interaktiven Karte können Bürger Fotos von wild entsorgten Beuteln hochladen. Die Resonanz ist groß. Naturliebhaber, Grundstückbesitzer, denen die Beutel aufs Grundstück geworfen werden, aber auch viele Hundebesitzer, die sich ärgern, weil einige verantwortungslose Hundehalter ihren Ruf zerstören, machten bei dem Projekt mit, so Krämer. Er verfügt inzwischen über eine umfangreiche, wenn auch ästhetisch fragwürdige Flickr-Bildergalerie, die das Ausmaß der Verschmutzung dokumentiert. Wer in die Poop-Bag-Map reinzoomt, erkennt bestimmte „Problembezirke": Schneisen mit Tütchen ziehen sich entlang der beliebtesten Gassirouten. Immer dort wo es besonders schön ist - in Naherholungsräumen wie innerstädtische Parks, entlang von Flüssen und Kanälen oder an Seeufern - landen auch die Beutel. Und liegen dort oftmals für sehr lange Zeit. Insgesamt über 700 Städte und Gemeinden hat Krämer angeschrieben, um sie von den biologisch abbaubaren Beutel zu überzeugen. Kein ganz einfaches Unterfangen, weil die Bio-Beutel deutlich teurer sind als die Plastikvariante und das Unwissen über die Verschmutzungsgefahr groß. Dennoch: 20 Städte konnte für seine Lösung - und den neuen Hundekotbeutel gewinnen.

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