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Die neuen Windfänger - P.M. Wissen

Ungewöhnliche Ideen und neuartige Technik sollen Windkraftanlagen leistungsfähiger, leiser und umweltfreundlicher machen


Text: Daniel Hautmann

Windkraftwerke erobern alle Teile der Erde, von Schweizer Bergspitzen bis zu den Forschungsstationen in der Antarktis. Waren die Anlagen in den 1980er Jahren noch eine Seltenheit, stehen heute weltweit Hunderttausende. Kein Wunder, schließlich bieten Windturbinen entscheidende Vorteile: Ihr Treibstoff ist gratis und praktisch unbegrenzt verfügbar, zudem entstehen im Betrieb so gut wie keine Emissionen.

Neuartige Konzepte sollen den Markt aufmischen, sie sollen in neue Regionen vordringen oder Lücken schließen. Vertikalanlagen sollen leiser sein, supraleitende Generatoren wiederum leistungsfähiger. Auf See entstehen schwimmende Anlagen, die sich immer besser verankern lassen - so wird es möglich, auch tiefe Meeresregionen zu erschließen. Manche der Entwicklungen könnten den Markt revolutionieren, andere werden Nischenprodukte bleiben. P.M. stellt einige besonders spannende Projekte vor.



Der Prototyp der Haliade-X steht in Rotterdam. Er hat in einer Stunde so viel Strom gewonnen wie keine Anlage zuvor. 2021 soll das Modell in Serienproduktion gehen.

Der Trend geht zu immer größeren Windkraftanlangen, denn mit der Größe steigt die Leistung und sinken zugleich die Stromgestehungskosten. In den 1980er Jahren waren die Maschinen noch weit unter 100 Meter hoch und leisteten nur wenige Dutzend Kilowatt. Moderne Anlagen auf dem Land haben jedoch rund drei Megawatt Nennleistung: Sie sind inklusive der Flügel an die 200 Meter hoch, wobei jedes Rotorblatt rund 70 Meter lang ist. Auf dem Wasser werden heute schon einzelne Riesenturbinen mit über zehn Megawatt getestet. Momentaner Spitzenreiter ist eine Maschine des US-amerikanischen Mischkonzerns General Electric. Die "Haliade-X" hat eine Gesamthöhe von 260 Metern, ihre drei je 107 Meter langen Flügel malen einen 220 Meter großen Kreis in den Himmel und treiben einen zwölf Megawatt starken Generator an, der Strom für bis zu 16.000 Haushalte erzeugt. Drei Umdrehungen sollen genügen, um die Batterie eines Tesla Model 3 aufzuladen - womit der Wagen mehr als 500 Kilometer weit fährt.


Anlagen dieser Größe werden allerdings nur offshore eingesetzt, also auf dem Wasser. An Land sind die gigantischen Komponenten kaum zu bewegen, auch Bürger und Flugaufsicht haben Einwände. Der Prototyp der Haliade-X steht dennoch auf festem Boden: Er wird gerade im Hafen von Rotterdam getestet.


Auf dem Meer bieten die immer größeren Anlagen enorme Vorteile. Größere Maschinen vereinfachen die Logistik, man muss für die gleiche Leistung weniger Fundamente bauen. Zudem bedarf es weniger Verkabelungen und Umspannstationen, Betrieb und Wartung vereinfachen sich.


Die Monsteranlagen haben zuletzt für kräftige Preisstürze gesorgt: Kostete Strom von Offshore-Windrädern vor wenigen Jahren noch rund 18 Cent je Kilowattstunde, so sind es heute schon unter 10 Cent - er ist damit fast so günstig wie Kohlestrom. Und mancher Energieriese spricht schon davon, Offshore-Strom für 3,7 Cent produzieren zu wollen.


Beispiel 2: Saugeimer tief am Meeresgrund


Das Errichterschiff setzt die Saugfundamente in einem Stück ab. Die Fundamente bestehen aus drei Beinen, an deren Enden je ein "Suction Bucket" sitzt.

Um die leistungsstarken Anlagen auf See stabil zu verankern, werden entweder stählerne Riesenstative auf den Grund gestellt und mit meterlangen Erdnägeln an Ort und Stelle fixiert. Oder es werden "Monopiles" installiert: riesige Stahlröhren, die ebenfalls in den Grund geklopft werden. Doch das Einschlagen mit hydraulischen Hämmern ist laut, was Meeresbewohner wie den Schweinswal verscheucht und nachhaltig schädigt.

Eine vielversprechende Alternative sind die Saugeimer- Fundamente, auch "Suction Buckets" genannt. Man kann sie sich wie vergrößerte Eimer vorstellen, die mit der Öffnung nach unten auf den Grund gesetzt werden. Aus ihnen wird dann das Wasser hinausgepumpt, wobei ein Unterdruck entsteht, der die Eimer vergleichsweise geräuscharm in den Meeresboden einsinken lässt.


2018 wurden 20 solcher Fundamente im Windpark Borkum installiert, 54 Kilometer vor der niedersächsischen Küste. Jedes der Fundamente trägt eine Acht-Megawatt-Windkraftanlage.

Weitere spektakuläre neue Windräder - etwa mit supraleitenden Generatoren oder mit schwimmenden Fundamenten - finden Sie in der neuen P.M., Ausgabe 09/2020.
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