Mit gerade mal 29 Jahren gewann die SPD-Politikerin Anna Kassautzki den Wahlkreis von Angela Merkel. Ihre Generation, die Millennials, drängen in die deutsche Politik. Doch wie viel Einfluss haben sie?
Als die Jusos um sie herum schon jubelten, bremste Anna Kassautzki noch die Euphorie. Im Ravic, einer Bar in Greifswald, mit zusammengewürfeltem Mobiliar und Wohnzimmeratmosphäre, verfolgten sie gemeinsam den Wahlabend. Je länger er aber ging, desto klarer wurde es: Anna Kassautzki beerbt Angela Merkel. Achtmal in Folge hatte die Kanzlerin das Direktmandat für den Wahlkreis gewonnen, der heute Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I heißt. Als Merkel nicht mehr antrat, schnappte sich eine Sozialdemokratin das Direktmandat. Es war eine Sensation, an jenem 26. September 2021. Tags darauf saß Kassautzki bereits im Zug nach Berlin.
Heute steht die Sozialdemokratin, Jahrgang 1993, für die junge Generation in der Politik, für die sogenannten Millennials. 48 Abgeordnete waren zu Beginn der Legislatur jünger als 30 Jahre.
Im Gegensatz zu den anderen Neulingen verschaffte ihr der berühmte Wahlkreis in den ersten Tagen nach der Wahl gleich internationale Aufmerksamkeit. Der britische »Guardian« berichtete über sie, der US-Sender CNN, sogar die altehrwürdige BBC wollte wissen, wer die Nachfolgerin von Angela Merkel ist. »Mir war klar, dass das nicht lange anhalten würde«, sagt Kassautzki heute. Die Floskel von den großen Fußstapfen konnte sie bald nicht mehr hören. Der Merkel-Wahlkreis, sagt sie, sei jetzt eben »der Kassautzki-Wahlkreis«.
Bei der Wahl 2017 prägten noch die geburtenstarken Jahrgänge der Fünfziger- und Sechzigerjahre den Bundestag, die sogenannten Boomer. In ihren Karrieren ging es meist bergauf, für die Millennials gilt das Aufstiegsversprechen der alten Bundesrepublik schon lange nicht mehr.
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