Christian Honey

Independent Science Journalist & Translator, Berlin

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Drogen der Zukunft: Rausch mit weniger Risiko

Menschen wollen sich trotz aller Verbote berauschen. Forscher fordern daher legale Drogen, die möglichst wenig Schaden anrichten. Neuseeland zeigt, wie es gehen kann.

Alexander Shulgin liebte es, mit Drogen zu experimentieren. Seit Beginn der sechziger Jahre stellte der studierte Chemiker in seinem Heimlabor in Kalifornien neue psychoaktive Moleküle her. Shulgin hatte eine Mission: Er wollte alle seine Substanzen selbst testen. Seine Beobachtungen während der Laborarbeit hielt er in penibel geführten Logbüchern fest, ebenso die Erlebnisse während der folgenden psychedelischen Trips. Die wohl berühmteste (Wieder-)Entdeckung dieser psychonautischen Forschung war eine Substanz mit dem Kürzel MDMA, dem Hauptwirkstoff in Ecstasy.

Der Pharmakologe und Suchtspezialist David Nutt vom Imperial College London ist in gewisser Weise der Alexander Shulgin unserer Zeit. Auch er entwickelt neue psychoaktive Substanzen, allerdings mit einem anderen Fokus als Shulgin: Nutt will Drogen entwickeln, die berauschen, ohne zu schaden. Ein Ansatz, der der Tatsache Rechnung trägt, dass Menschen trotz Verboten Drogen nehmen. Er bemüht sich um gesundheitliche Schadensbegrenzung. Könnte ein Rausch mit minimiertem Risiko das Zukunftsmodell im Umgang mit Drogen sein?

"Es ist eine Schande, dass die einzigen heute für Normalbürger legal verfügbaren und regulierten Drogen zugleich die schädlichsten sind", sagt Nutt. "Käme Alkohol heute als Designer-Droge in Umlauf, würde er sofort verboten. An Alkohol sterben mehr Menschen als an Malaria, Tuberkulose, Meningitis und Aids zusammengenommen!" Deshalb forscht Nutt an der Entwicklung einer weniger schädlichen Alternative zu Alkohol. Er habe über 60 vielversprechende Kandidaten gefunden, sagt er. "Es ist nicht nur möglich, neue psychoaktive Drogen zu entwickeln. Es ist eine ethische Notwendigkeit."

Doch Forscher wie Nutt haben es schwer, denn für neue Drogen gibt es keine große Lobby. Medienberichte über skurrile und teilweise tödliche Folgen des Konsums sogenannter Legal Highs häufen sich. Der Begriff bezeichnet neuartige Substanzen, die ähnlich wirken wie illegale Rauschmittel, aber nicht verboten sind. Sie sind nur vorerst legal, denn ihre chemische Struktur muss sich nur minimal von der einer kontrollierten Substanz unterscheiden, um nicht unter ein Verbot zu fallen.

Aus den USA kamen im Jahr 2009 Meldungen über unkontrolliertes "Zombie-Verhalten" nach dem Konsum sogenannter Badesalze. In Deutschland erlangte die Cannabis-Alternative Spice im Jahr 2008 Bekanntheit als Auslöser von Warnvorstellungen und Herzproblemen. Im Januar 2009 wurde Spice verboten.

Doch sobald ein Stoff verboten wird, drängen neue Ersatzprodukte auf den Markt. Die Nachfrage nach der Wirkung einer Droge verschwindet nicht mit ihrem Verbot. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) beobachtet derzeit mehr als 450 neue Substanzen auf dem europäischen Markt. Allein im Jahr 2014 kamen 101 neue hinzu, darunter vor allem synthetische Cannabinoide, die Spice ähneln, und neue Cathinone, die Stoffklasse, zu der Badesalze gehören.

In Europa und den USA werden solche neuen psychoaktiven Substanzen behandelt wie zu Shulgins Zeiten: Weil für neue bewusstseinsverändernde Drogen kein Lizenzierungsprozess vorgesehen ist, verlangt niemand toxikologische Tests, bevor ein neues Rauschmittel an den Theken europäischer Headshops liegen darf.

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