Christian Honey

Independent Science Journalist & Translator, Berlin

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Unsterblichkeit: Niemals unsterblich, aber ewig jung

Wie gehen Menschen damit um, dass alle sterben müssen? Wir fragen in der Serie "Der Tod ist groß" nach der Rolle des Sterbens im Leben und in der Gesellschaft.

Werden wir bald Hunderte von Jahren alt und bleiben dabei gesund und fit? Darüber wird gerade heftig diskutiert. Gefährlicher Unsinn sei das, sagen die einen. Längst in greifbarer Nähe sei es, die anderen. Mitten in der Debatte steckt der britische Altersforscher Aubrey de Grey. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass jemand, der heute geboren wird, im Schnitt 1.000 Jahre alt wird", sagte er erst kürzlich. Schon 2010 hatte er derSüddeutschen Zeitung gesagt, in 30 Jahren werde man das Altern unterdrücken können. Der schrieb über ihn: "Dieser Mann will uns alle unsterblich machen."

Vor Kurzem nun lud de Grey mit seiner SENS-Foundation zu einer Konferenz nach Berlin. Ein dürrer, großer Mann mit einem braunen Rauschebart stand da auf der Bühne und sprach über die Ziele und Pläne seiner Stiftung. Das Wort Unsterblichkeit aber kam ihm dabei kein einziges Mal über die Lippen. Genauso wenig wie den Forscherinnen und Forschern, die ihm zuhörten und auf der Undoing-Aging-Konferenz ihre Ergebnisse vorstellten. Undoing aging bedeutet, grob übersetzt: "das Altern ungeschehen machen". Wie passt das zusammen? Werden wir etwa nicht unsterblich, wenn wir das Altern ungeschehen machen?

Das Altern stoppen und unsterblich werden ist nicht das Gleiche

Nein, sagt de Grey. Das Altern abzuschwächen oder gar rückgängig zu machen und damit den Konsequenzen des Alterns - Herzinfarkte, bestimmte Krebsarten und Demenz - vorzubeugen, sei nicht das Gleiche wie Unsterblichkeit. Denn dagegen, dass uns ein Lkw überrollt oder wir an Malaria sterben, könne diese Forschung nichts ausrichten.

Vielen scheint es so, als sei de Grey ein größenwahnsinniger Spinner. Aber so einfach ist es nicht. Im Gegenteil: De Grey trifft einen wichtigen Punkt. Das zeigte nicht zuletzt, dass Konferenzen wie diese in nicht von Quacksalberinnen und Pseudowissenschaftlern besucht werden, sondern von prominenten Wissenschaftlerinnen und Forschern - aus Harvard, Oxford und Stanford. Die meisten von ihnen forschen eigentlich nicht explizit zum Altern, sondern versuchen, verschiedene Krankheiten zu bekämpfen. Dabei stießen sie quasi nebenbei darauf, dass die Hauptursache vieler Leiden der natürliche Alterungsprozess ist.

Wenn wir alt werden, entstehen "Zombie-Zellen"

Aber was genau ist mit Altern gemeint? Je älter man wird, desto mehr molekulare Schäden sammeln sich in den Zellen des Körpers an. Überschreitet die Summe dieser Zellschäden eine Schwelle, versetzen sich zum Beispiel manche Zellen in eine Art Zombie-Zustand: die "Seneszenz". Solche Zellen erzeugen ein entzündliches Milieu in ihrer Umgebung, regen andere Zellen dazu an, selbst zu Zombies zu werden und weichen den Versuchen des Immunsystems aus, sie zu töten. Seneszente Zellen schädigen das Gewebe der Organe und tragen zur Entstehung von Diabetes 2, Nierenversagen oder Krebs im Alter bei.

Ein weiterer mittlerweile gut etablierter Effekt des Alterns ist der Verlust wichtiger Stoffwechsel-Moleküle innerhalb der Zellen. Zu ihnen etwa gehört NAD+, ein Co-Enzym, dass an zentralen Prozessen des Zellstoffwechsels beteiligt ist. Mit dem chronologischen Alter nimmt die Konzentration von NAD+ ab, was mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer, Herzerkrankungen, Hautkrebs und Multipler Sklerose zusammenhängt.

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