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Einsam unterm Regenbogen

Asbjörn Jungnik, 26, ist Kunststudent, Krankenpfleger und: geoutet. Jetzt kritisiert er mit seinen Arbeiten den Jugendwahn der Szene. Asbjörn hat es selbst erlebt: „Wenn du nicht mehr jung bist, fühlst du dich alleingelassen."


Als Asbjörn Tobi kennenlernt, ist es Liebe auf den ersten Blick. Tobi scheint der zu sein, den Asbjörn schon lange gesucht hat. Zwei Wochen erst kennen sie sich, da nimmt Asbjörn, im siebten Himmel, Tobi, der keine Wohnung hat, mit in den Urlaub nach Prag. Doch auf einer Dachterrasse küsst Tobi unvermittelt einen anderen, einen Stricher noch dazu. Asbjörn ist verletzt, will erst wegrennen. Doch dann hält er den schönen Anblick der zwei Jungs im Sonnenuntergang auf einem Foto fest.

„Es ist ein Bildnis, typisch für die schwule Welt", sagt Asbjörn Jungnik, 26. Der junge Mann trägt eine Kappe und steht entspannt vor dieser Fotografie. Sie hängt im Sub, dem Münchner Schwulenzentrum in der Müllerstraße, gemeinsam mit vier weiteren Bildern von Asbjörn, alle einen Meter groß. Es ist seine erste Ausstellung. Der Name: „Jugendsünden". Zu sehen sind junge Männer, träumerisch abgelichtet. Auf einem Bild greift ein blonder Sportler im Sonnenlicht nach einem Grashalm, auf einem anderen Bild schaut ein Junge ohne Hose in den Wald und streckt die Arme weit von sich. Asbjörn zeigt romantisch-erotische, unbearbeitete Analog-Fotos mit viel Pastell und Lichtstimmung. Ob die leichtbekleideten Jungs schwul sind, ist anzunehmen, aber nicht klar zu erkennen.

Seit eineinhalb Jahren fotografiert Jungnik - immer, wenn er neben seiner Arbeit als Krankenpfleger Zeit findet. Meist das, was ihm vor die Linse springt: sein Umfeld, hauptsächlich Freunde, Liebschaften, Affären und Exfreunde. Fotografien eines Schwulen von Schwulen in einem Schwulenzentrum - was für ein Klischee. Das ist zumindest der Eindruck, wenn man die Bilder zum ersten Mal sieht. Doch statt Stereotype aufzubauen, will sie Asbjörn eigentlich überspitzen. Denn Schönheit und ewige Jugend, findet er, seien Werte, die unter Schwulen häufig überschätzt werden. „Teenager sind heiß begehrt", sagt Asbjörn, „wenn du nicht mehr jung bist, fühlst du dich alleingelassen." Aber unterstütze er nicht das Klischee der Begehrlichkeit, wenn er Fotos der hübschen Jungs im Sub aufhängt? „Ja", räumt Asbjörn ein, „aber ich will ihnen auch einen Spiegel vorhalten." Denn als Krankenpfleger erlebt Asbörn täglich das krasse Gegenteil: Sterben und Vergänglichkeit.

Im Schwulenzentrum Sub stellt er aus, um sich auszuprobieren. Asbjörn war selbst erst zweimal hier, er will gar nicht mehr so in der Schwulenszene mitmischen, nur am Rande. Früher gehörte Asbjörn zu denen, die begehrlich waren, die angeglotzt wurden, wenn er eine Bar betrat - er bekam Drinks spendiert und wurde den Abend lang angemacht. Er hat es genossen, damals. Der gebürtige Leipziger ist jetzt aber, wie er sagt, an der Schwelle, er gehört zu den Älteren, die eigentlich um junge Trophäen werben sollten.

Aber Asbjörn nervt die Oberflächlichkeit und Kurzlebigkeit. „Das ist bei Heteros natürlich auch so, aber bei Schwulen ist es irgendwie extremer", findet er, zudem hat er viele Drogenabstürze im Umfeld miterlebt, und überhaupt: Die Münchner Schwulenszene sei klein. Jeder kenne jeden. Hier gebe es denjenigen, der jedes Jahr erneut behaupte, er sei 39, oder den Jungspund, der schon mit jedem in der Kiste war. Asbjörn sucht nach einem festen Freund.

Dass unter Schwulen viele nach Sex statt nach einer Beziehung suchen, dafür ist wohl die Datingplattform Gayromeo das beste Beispiel. Die Dynamik zum Jugendalter muss natürlich sehr differenziert gesehen werden, dennoch: „Viele Schwule glauben, dass sie schon früh für alt gehalten werden", sagt Andreas Unterforsthuber von der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Stadt München. Umso mehr würden viele versuchen, ewig jung zu bleiben. „Teenager Spätlese" nennt das Christian Schulze, der Chef vom Sub. Die Konsequenz: Einsamkeit. Das sei eines der zentralen Probleme, hat eine Studie der Münchner Koordinierungsstelle unter homosexuellen Münchnern herausgefunden.

Asbjörn steht noch am Anfang seiner Fotografenlaufbahn, das sieht man am Druck der Bilder; sie sind etwas gewellt, nicht professionell auf dem Pappkarton aufgeklebt. Ob die Kritik in Asbjörns Fotografien beim Betrachter ankommt, ist auch fraglich. Aber: Immerhin hat er es mit den Fotos an die Münchner Kunstakademie geschafft, an der er seit einer Woche Medienkunst studiert. Und er konnte den medienkritischen Rainer Langhans überreden, ihn für seinen Blog ablichten zu dürfen. Auf Asbjörns Blog sind noch viel mehr Fotografien, gelistet nach Namen der Porträtierten, etwa die von Mr. Barbie, einem schrägen Vogel, der mit vielen Gummipuppen lebt. Sie zeigen Asbörns Talent für Dokumentarisches.

Wenn Asbjörn erzählt, erinnert es an Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray". Darin altert anstatt des Protagonisten Dorian Gray sein Gemälde und trägt mehr und mehr Spuren seiner lustvollen Ausschweifungen. Letztlich ersticht Gray sein Gemälde und befreit sich von seiner Selbstverleugnung. Seine Leiche hat schließlich „ein verlebtes, runzeliges, widerwärtiges Gesicht", das Bildnis hingegen bleibt für immer jugendlich makellos und schön, ein Scheinbild, so wie die Fotos von Asbjörn Jungnik.

Die Ausstellung Jugendsünden läuft noch bis zum 30. Oktober im sub in der Müllerstraße 14.

Foto: Asbörn Jungnik

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