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Rheinfelder Buchbinder macht Mappen für die Regierung

Die Buchbinderei Hirtle aus dem Rheinfelder Ortsteil Karsau ist eine der drei letzten Buchbindereien im Landkreis Lörrach. Inhaber Peter Hirtle hat seine Nische gefunden.

Mitarbeiterinnen legen von Hand Papier um Kartons, die aus der Beleimungsmachine kommen und anschließend durch die Walze laufen. Es riecht nach Klebstoff und die Maschinen brummen. Gegenüber stapeln sich Berichte in der Presse und um die Ecke hängen Vorlagen für Bilderrahmen an der Wand: In der Buchbinderei Hirtle in Rheinfelden werden die Buchbinderei und das Einrahmen miteinander verbunden. "Das ergänzt sich sehr gut", meint Inhaber Peter Hirtle.

1927 gründete sein Großvater Karl Hirtle den Betrieb. Mit Peter Hirtle ist er nun seit 25 Jahren in der dritten Generation. Neben ihm und seiner Frau arbeiten sieben Teilzeitkräfte im Wechsel in der Werkstatt. Am meisten gefällt Peter Hirtle an seinem Job die Vielfalt. "Ich langweile mich schon, wenn ich zwei Stunden lang genau dasselbe machen muss", sagt er lachend. Karton, Papier, Leder, Klebstoff, Holz, Glas: Als Einrahmer und Buchbinder hat er ständig mit anderen Materialien zu tun: "Es gibt immer wieder etwas Neues, das man ausprobiert", sagt er. Das würde zwar fordern, aber Spaß machen.

Ordner, Mappen und Speisekarten sind Tagesgeschäft

Dabei hatte Peter Hirtle Anfang der 90er-Jahre noch überlegt, die Buchbinderei aufzugeben und sich ganz dem Einrahmen zu widmen, da dies damals deutlich besser lief und die Buchbinderei in seinen Augen kurz vor dem Aussterben stand. Jetzt ist er allerdings froh, dass er das nicht getan hat. Heute hätten die Menschen weniger Interesse an Bild und Rahmen, stattdessen erlebe die Buchbinderei wieder einen Aufschwung.

Hirtles Tagesgeschäft besteht überwiegend aus Ordnern, Mappen, Speisekarten, Alben, kleinen Handbüchern und Ähnlichem. Seit 20 Jahren fertigt die Buchbinderei auch Mappen für die Bundesregierung an, größtenteils für das Auswärtige Amt. Davon lebt die Buchbinderei heute.

Viele Bücher sind nur noch Schmuck

Peter Hirtle musste seine Nische finden, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Für Tradition sei immer weniger Platz. "Mit klassischer Buchbinderei alleine würden wir heute leider nicht überleben", sagt er. Klassische, besondere Einzelstücke seien selten, die Nachfrage fehlt. "Wertvolle Einzelstücke werden vielleicht einmal in zehn Jahren angefertigt", erzählt Hirtle.

Dies erklärt sich auch aufgrund der Stückkosten, die teilweise zwischen 1500 und 2000 Euro liegen können. Heutzutage würden viele das Geld aber lieber in ein Handy oder einen Computer investieren, meint Hirtle. Allerdings werden zum Beispiel noch moderner gestaltete Gästebücher angefertigt. Auch Bücheraufträge werden seltener. "Viele schmücken ihre Büros nur noch mit Büchern in Regalen, arbeiten tun sie damit nicht", sagt der Buchbinder.

Der Fortschritt hat Vor- und Nachteile. "Vor 20 Jahren wäre es nicht möglich gewesen günstig Kleinserien zu produzieren", sagt Peter Hirtle. Heute ginge das durch den Digitaldruck . Außerdem hätte man früher keine Mappen für die Regierung in Berlin hergestellt, die am nächsten Tag geliefert werden können.

Der Kunde will eine schnelle Lieferung

Andererseits stören Hirtle Stress und Hektik. "Früher konnte man in Ruhe arbeiten." Heute will der Kunde seine Bestellung innerhalb von ein paar Tagen erhalten und die Buchbinderei muss dies ermöglichen, um im Wettbewerb zu bestehen. Der Markt für Buchbinder sei umkämpft. Unpünktliche Lieferungen und hohe Preise könne man sich nicht leisten.

Gelernt hat Hirtle das Handwerk von seinem Vater. Nach der Lehre ging er zwei Jahre an den Bodensee in eine Handbuchbinderei und anschließend zwei weitere Jahre in eine Industriedruckerei, um den Umgang mit Maschinen zu sehen. Dies habe jedoch nicht viel mit dem klassischen Beruf zu tun. Die Maschinen bei Hirtle sind lediglich unterstützend, viele Arbeiten werden von Hand erledigt.

In der Werkstatt stehen Geräte, die teilweise über 100 Jahre alt sind und heute noch genutzt werden. Zum Beispiel die Presse, die von Hand gedreht wird: "Das wurde vor 200 Jahren auch schon so gemacht", meint Hirtle. Zwar gebe es inzwischen elektronische Maschinen, aber die bräuchten sie nicht. 80 Prozent der Tätigkeiten seien Handarbeit, bei 20 Prozent helfen die Geräte nach. Nur die Schneidemaschine, die große Mengen an Papier schneiden kann, ist voll automatisch.

Die ganz traditionelle Buchbinderei wird laut Peter Hirtle vermutlich aussterben. Im Landkreis Lörrach gibt es nur noch drei Buchbindereien (Stand 2016). In den vergangenen Jahren gab es keine Lehrlinge in der Buchbinderei Hirtle.

Der Buchbinderberuf ist etwas für Liebhaber. Der Verdienst, müsse zweitrangig sein und als ausgelernter Geselle eine Familie ernähren zu können, wird eng. Oft dauern die Arbeitstage von Peter Hirtle zehn bis zwölf Stunden. "Solange der Beruf Spaß macht, ist das aber okay."


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