Dawid war vergangene Woche auf den Demonstrationen in Warschau: zuerst als Journalist für das polnische Online-Magazin Krytyka Polityczna, dann als Demonstrant. Zum Protestieren gingen viele, weil sie sich nicht anders zu helfen wussten, auch wenn sie mit dem Patriotismus im Land nichts anfangen können, erklärt der 26-Jährige.
Am Montag erhob Präsident Andrzej Duda sein Veto gegen zwei Gesetze der von der nationalkonservativen Regierung (PiS) geplanten Justizreform. Viele werten das als einen überraschenden Erfolg. Doch es bleibt nur kurz Zeit zum Aufatmen – „zu sehr wackelt die Demokratie noch, als dass man das Ergebnis feiern kann“, sagt Dawid.
„Die schlimmsten Zustände gab es gerade diese Woche, und das macht uns allen Angst“, erklärt er weiter. Die PiS zerstöre die Staatsstruktur und die öffentlichen Institutionen, sodass seine in Großbritannien lebende Familie bald keine Chance mehr habe, in ihr Heimatland zurückzukehren. Sie ging wie viele andere Polen zum Arbeiten ins Ausland.
„Meine Möglichkeiten waren begrenzt"
Die junge Polin Matylda lebt in Deutschland. Sie war auf einer Solidaritätsdemonstration für Polen in Berlin. Für die 24-jährige Fotografin war die Arbeit ebenso ein Grund ihr Land zu verlassen wie die politische Situation. „In Polen fühlte ich mich einfach unwohl, meine Möglichkeiten waren begrenzt.“ Trotzdem wünscht sie sich, eines Tages, zurückzugehen. Auf der Demonstration in Berlin musste sie weinen; so groß sei ihre Angst, irgendwann nicht mehr nach Polen zurück zu können. Matylda befürchtet, fremd im eigenen Land zu werden und später nur noch „die Zugewanderte“ zu sein.
Nika wohnt momentan in Polen, möchte aber bald wieder ins Ausland gehen. Die 25-jährige Grafikerin fühlt sich in Polen verloren: „Ich versuche, politische Themen in meiner Heimat zu vermeiden. Irgendwie fühle ich mich nicht mehr wirklich davon betroffen, und noch dazu geht es mir dann immer schlecht“. Auch ihre Freunde in Polen könnten sich mit der Politik nicht identifizieren und wollen keine Partei unterstützen.
Freunde in Polen teilen ihre Gefühle über soziale Medien
Auch die Mehrheit von Matyldas Freunden in Polen sei besorgt über die Situation vor Ort: es gebe lebhafte Diskussionen, wie es weitergehen könne und dass man sich dem Protestzug anschließen müsse, erzählt sie. Täglich liest „die Ausgewanderte“, wie sie sich selbst bezeichnet, von Deutschland aus auf Social-Media-Kanälen Posts von ihren Freunden in Polen, in denen sie sich über die aktuelle Situation auslassen und ihre Gefühle teilen. Matylda vermisst ihre Familie und ihre Freunde. Doch zurück will sie nicht.
Dawid will in Polen bleiben. Vor einer Woche hätte er das aus pragmatischen Gründen gesagt – weil Polnisch seine Muttersprache ist und er als Journalist auf Polnisch arbeitet. Doch jetzt nach den Protesten ist er selbst über sich erstaunt: „Ich bleibe vor allem, weil die Polen allein für ihre demokratischen Rechte und ihr Land kämpfen müssen, ohne Hilfe aus dem Ausland.“
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