Costa Rica, Thailand, Martinique - klingt nach geilen Reisezielen? Wieso dann nicht gleich auch das Homeoffice an diese Traumorte verlegen? Schließlich ist das Leben doch viel zu kurz, um in Zeiten von WLAN und mobiler Kommunikation in einem langweiligen Büroalltag zu versauern. Aber klappt das in der Praxis wirklich? Und ob! Wir stellen euch vier Digitale Nomaden vor, die selbstständig sind, ordentlich Geld verdienen und zugleich die schönsten Locations der Welt ihren Arbeitsplatz nennen.
Erst hast du Abi gemacht, danach im Schnelldurchlauf Auslandserfahrung gesammelt und deine Sprachkenntnisse aufgebessert. Und dann? Ab an die Uni - die Nachmittage prall gefüllt mit Lerngruppen und in den Ferien noch fix ein Praktikum gemacht. Hauptsache der Lebenslauf ist lückenlos, damit einer steilen Karriere nichts im Wege steht. Und mit welchem Ziel? Um eines Tages im Vorstellungsgespräch zu glänzen. Denn klar, da muss schon etwas Sicheres her, am besten ein großer Konzern, denn dort gibt's schließlich die besten Karriereaussichten. Die Mieten und das Leben in Hamburg bezahlen sich nicht von selbst. Oder wie Mutti immer sagte: „Such dir 'nen anständigen Job, einen, der auch Geld bringt." Und Anerkennung. Und Glück. Als ob das so einfach wäre.
Die Karriere ist heutzutage ein wichtiges Gut, gibt Sicherheit und ein schönes Komfortpolster. Doch leider kommt zwischen all den Hausarbeiten und Klausuren die Selbstverwirklichung manchmal viel zu kurz. Und wer definiert überhaupt, was eine gute Karriere ist? Ist man mit einem angesehenen Job automatisch glücklicher? Wir wollen euch Menschen zeigen, die richtig Karriere machen, aber statt Penthousewohnung und Porsche nicht viel mehr Besitz haben, als in einen 35-Liter-Rucksack passt. Das Ziel der digitalen Nomaden: Anständig Geld verdienen und dabei stets ortsunabhängig bleiben. Denn warum sollte das eigene Zuhause nicht an einem der schönsten Orte der Welt und das Büro nicht direkt am Strand sein?
28 Tage Urlaub reichen nicht
Fachabi, Ausbildung und Festanstellung in einem Verlag - so sah Sabine Spalleks (33) Leben bis vor kurzem aus. Und dann kam die Frage: Was will ich wirklich? „Ich habe mich dann in mein Lieblingscafé Due Baristi in Eimsbüttel gesetzt und eine Bucketlist mit den Dingen geschrieben, die ich unbedingt erleben wollte", erzählt sie. „Da standen dann Sachen drauf wie Surfen lernen oder einen Fotografie-Kurs machen." Ein paar Monate später kaufte Sabine sich ein Auto, baute es um und düste alleine an die Atlantikküste Frankreichs zum Surfen. „Als ich wiederkam und im Büro saß, habe ich gemerkt: Das passt nicht mehr zu mir. Ich hatte so eine Sehnsucht, am Meer zu leben und nicht nur 28 Tage Urlaub zu haben. Also habe ich mich gefragt, wie ich das realisieren kann, ohne auszuwandern." In den folgenden Monaten verkaufte sie fast ihren kompletten Besitz, ihr Auto und ihre Klamotten.
Mit 12.000 ersparten Euro und einem angemeldeten Nebengewerbe zog sie Anfang 2015 allein in die Welt. „Meinen ersten Job habe ich bekommen, als ich gerade in Thailand war. Ich habe dort eine andere Deutsche getroffen, die für ein Buch-Projekt PR brauchte. Das habe ich übernommen und damit war der Grundstein gelegt. Ich habe gemerkt: Hey, das läuft ja tatsächlich, die Menschen bezahlen mich für das, was ich ihnen anbiete."
Aus bürokratischen Gründen kam Sabine 2016 noch mal zurück nach Deutschland, um ihr Nebengewerbe zum Hauptgewerbe umzumelden - denn das ging leider nicht von Asien aus. „Ich habe auch festgestellt, dass meine Kunden, die ich in Deutschland akquirieren konnte, mich eben teilweise auch gerne mal persönlich kennenlernen wollten", berichtet sie. Sabine beispielsweise den Vertrieb für das Hamburger Modelabel Steinkopf und die PR für die Trauerbox. Ganz bald soll es aber wieder ins Ausland gehen, wobei sie betont: „Mir geht es nicht darum, auf Teufel komm raus möglichst schnell wieder loszuziehen, sondern es zu schaffen, langfristig ortsunabhängig zu arbeiten!"
Spontane Kaffee-Dates kann Skype nicht ersetzen
„'Wie könnt ihr denn nur ausgerechnet im Winter nach Hamburg kommen?' So haben unsere Freunde reagiert, als wir ankündigten, den Dezember und Januar in unserer (k)alten Heimat Hamburg zu verbringen. Aber wir haben grad ein dreiviertel Jahr Sonne gehabt, da ist das schon in Ordnung", erzählt Ina Bohse (33), die mit ihrem Freund Marcus vor einigen Monaten in die Welt gestartet ist. „Außerdem bot sich uns die tolle Möglichkeit, hier Housesitting zu machen." Ihr eigenes Zuhause in Altona haben die beiden schon Anfang 2016 gekündigt, um zu reisen und von unterwegs zu arbeiten. Hauptberuflich ist Ina freie PR-Managerin und - ganz passend - Reisejournalistin. Von Mallorca aus hat sie gemeinsam mit ihrer Freundin Anne, mit der sie von 2009 bis 2012 in New York gelebt hat, den Reiseführer „Brooklyn Neighborhood Guide" herausgebracht.
Die Idee: Mit lokalen Insider-Tipps wollen die beiden ihr „Brooklyn-Erlebnis" weitergeben. Und während sich bei Inas Eltern im Keller kistenweise Kartons stapeln und sie fleißig die Bücher verschicken, die online bestellt werden, arbeiten Ina und Marcus schon am zweiten Band über ihren letzten längeren Aufenthaltsort: Palma de Mallorca. „Das Leben dort und die Kommunikation mit den Kunden sind kein Problem", erzählt Ina. „Aber was mir fehlt, ist die Möglichkeit, schnell mal mit Freunden Kaffee trinken zu gehen. Das kann Skype eben nicht ersetzen." Trotzdem soll es im Februar wieder losgehen. Von Spanien aus haben sie sich in Hamburg einen Bulli gekauft. „Momentan haben wir vor, damit nach Skandinavien zu reisen, aber unsere Pläne ändern sich immer schnell. Vielleicht wird es auch Südeuropa - wer weiß!" Ihr einziges Ziel ist es, im Auto zu leben und zu arbeiten - eben dort, wo sie Internet finden.
Arbeiten im Ausland ist nicht leichter, aber viel schöner
„Ich reise unglaublich gerne und habe schon während des Studiums an verschiedenen Orten, unter anderem in Indonesien, gelebt. Nach dem Abi habe ich ein Praktikum bei einer Bank in Hongkong gemacht, denn für mich stand früh fest: Einen Job zu machen, der mir Reisen ermöglicht, ist für mich ideal", erzählt Gunnar Plöhn (30) aus Hamburg. „Dann habe ich aber gemerkt, dass es mir nichts bringt, für einen Arbeitgeber im Ausland an Konferenzen teilzunehmen, ohne irgendetwas vom Land mitzukriegen. Da finde ich es schöner, mein eigener Chef zu sein." Selbstständig ist Gunnar schon seit dem Studium, er übernimmt als freiberuflicher Webdesigner und Programmierer Aufträge größerer Firmen und leitet zugleich ein eigenes Unternehmen. Die Plattform für flash4science, auf der er zusammen mit zwei Partnern Laborbedarfsmittel aus der Biotechnologie vertreibt, hat er vor zwei Jahren in Schweden gelauncht.
„Das war abenteuerlich, da gerade an dem Tag das WLAN ausfiel und parallel mein Auto nicht mehr ansprang, so dass ich von dem Hof auf dem Lande, auf dem ich damals gerade gewohnt habe, nicht mehr wegkam. Also musste ich dann alles über einen mobilen Hotspot im Schneckentempo organisieren." Trotzdem lässt sich Gunnar durch solche Herausforderungen nicht abschrecken - im Gegenteil: „Gerade in Malmö habe ich festgestellt, dass der Ort für meinen beruflichen Erfolg absolut zweitrangig ist. Ich hätte nie gedacht, dass es so leicht für mich sein würde, von unterwegs sogar Neukunden zu akquirieren", erzählt er. Eine Schwierigkeit gibt es aber trotzdem: „Wenn ich zum Beispiel größere Webseitenprojekte für meine Kunden abwickle, dann geht es auch um hohe Summen. Und da wünschen sich die meisten natürlich vorab ein persönliches Gespräch mit mir." Oft den Lebens- und Arbeitsort zu wechseln, empfindet Gunnar als eine positive Herausforderung: „Im Büro in Deutschland kann ich mich zwar zu 100 Prozent auf die Arbeit konzentrieren, was unterwegs nicht immer leicht ist, dafür macht mich die Arbeit an den schönsten Orten der Welt kreativer. Es ist also nicht unbedingt leichter, aber viel schöner!" Gerade geht Gunnar auf Martinique seiner Kitesurf-Leidenschaft nach.
Internetausfall? Horror!
„Mein Tag sieht momentan so aus: Zwischen 5 und 6 Uhr stehe ich auf, um surfen zu gehen. Ab 10 Uhr sitze ich dann am Rechner und wenn um 15 Uhr mein Team in Deutschland dazu kommt, dann habe ich einen Großteil meiner Arbeit schon geschafft", erzählt Christian Häfner (34), Gründer von FastBill. Vor 6 Jahren haben er und Mitgründer René das gemeinsame Unternehmen aufgezogen, in dem sie Buchhaltungs- und Finanzsoftware für kleine Unternehmen und Selbstständige bauen. Inzwischen beschäftigen sie 25 Mitarbeiter. Das Besondere: „Am selben Ort haben mein Mitgründer und ich noch nie gearbeitet. Die meisten aus dem Team sitzen in Frankfurt, ein Mitarbeiter wohnt in Brasilien, ein anderer im Rheinland und eine weiterer im Raum Stuttgart", erzählt Christian. Seit Mitte 2016 ist er selbst auf Weltreise, momentan auf Java in Indonesien. „Tagsüber arbeite ich ganz normal, wie ich es in Deutschland auch tun würde. Aber morgens und abends entdecke ich zusammen mit meiner Freundin Heidi - die den Surf- und Reiseblog „meerdavon" betreibt - die Welt."
Die Teamarbeit lässt sich dabei auch bei tausenden Kilometern Entfernung realisieren: „Mit der Zeitverschiebung klappt es hier auf Java ganz gut. Besser als beispielsweise in Amerika, wo meine Mitarbeiter schon einen halben Arbeitstag hinter sich hatten, als ich erst angefangen habe", so Christian. „Der Dreh- und Angelpunkt meiner Arbeit ist natürlich das Internet. Einmal konnte ich zwei volle Tage nicht arbeiten, weil es ausgefallen war, das geht gar nicht. Darüber hinaus ist die eigene Disziplin das Wichtigste, denn natürlich sind die Wellen auch mal mittags richtig gut. Aber: Auch hier geht die Arbeit eben vor." Ihre Reisen planen Christian und seine Freundin immer ein bis drei Monate im Voraus, um noch passende Unterkünfte, zum Beispiel über Airbnb, buchen zu können. „Unsere nächste Station wird Neuseeland sein, ein vermutlich teureres Pflaster als Hamburg! Nach vier Monaten, die wir in Asien recht günstig gelebt haben, ist das aber auch okay. Ob und wann wir uns in Europa wieder niederlassen, ist derzeit noch offen, geplant ist aber ein längerer Stopp in Europa im Sommer 2017."
Und tschüss ...
Ihre Wertvorstellungen und Ziele im Leben haben Gunnar, Ina, Sabine und Christian genau an die Orte gebracht, an denen sie sich wohlfühlen. Und wenn sie wieder Lust auf Neues haben, dann packen sie schon morgen ihre sieben Sachen und ziehen einfach weiter. Denn ein Ortswechsel ist für die fünf digitalen Nomaden aus Hamburg weit weniger aufwendig, als für manch anderen ein Wochenende bei den Eltern daheim! Auch unsere Autorin Birte ist nach der Arbeit an diesem Text gleich wieder in den nächsten Flieger gestiegen. Nach Studium und anderthalb Jahren Karriere in einer großen Zeitungsredaktion arbeitet sie je nach Lust und Laune mal in Hamburg, mal in Schweden oder auch in der weiten Welt. Ihr nächstes Ziel: Die Traumstrände in der Karibik.