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Warum sich aus altem Spielzeug nicht einfach neues herstellen lässt

Warum sich aus altem Spielzeug nicht einfach neues herstellen lässt

Dass Spielzeug oft aus Kunststoff besteht, hat viele Gründe. Das Material ist haltbar, lässt sich gut formen und quietschbunt bemalen. Doch in Zeiten von knappen Ressourcen und wachsenden Müllbergen wächst der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit. Das ist leichter gesagt als getan.

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Es ist erstmal ein Test. Spielzeughersteller Schleich, bekannt für Pferde, Dinos oder Schlümpfe, möchte kaputte oder ausrangierte Figuren einsammeln, um sie zu recyclen. Dieses Vorhaben ist Teil einer größeren Nachhaltigkeitsstrategie mit dem Ziel schon bis Ende 2027 alle Figuren und Verpackungen gut recycelbar oder biologisch abbaubar zu machen. Darin enthalten ist auch die Nutzung von vor allem wasserbasierten Farben, die Reduzierung des Verpackungsmülls und der Einsatz von erneuerbaren Energien für die Produktion.

Angesichts wachsender Müllberge und knapper Ressourcen ist das ein Anliegen, das viele Unternehmen in der Spielzeugbranche teilen. Doch gerade beim Recycling gibt es noch einige Fragezeichen, wie Kimberly Simancas, Materialwissenschaftlerin und „Director Innovation" bei Schleich berichtet. „Wir hätten mit mehr Rücklauf von ausrangiertem Spielzeug gerechnet. Stattdessen werden alte Schleich-Figuren eher auf dem Flohmarkt verkauft oder für die nächste Generation auf dem Dachboden gelagert, was uns natürlich freut." Das Problem: Erst wenn genug alte Tiere zusammenkommen, lässt sich daraus ein Granulat machen, das für die Herstellung neuer Figuren und Produkte genutzt werden kann. Für den Aufbau einer echten Kreislaufwirtschaft ist sogar der Zustrom von einigen Tonnen pro Monat nötig. Erst dann rechnen sich die Anlagen zum Sortieren und Verarbeiten der alten Spielzeuge. So lange aber nur einige wenige Figuren zurückkommen, sind nur kleine Testläufe möglich.

Es braucht Materialien mit wenig Farb- und Störstoffen

Weil auch andere Hersteller mit Problemen beim Einsammeln zu kämpfen haben, gibt es bisher in der Branche keine praxistauglichen Recyclinglösungen. „Um ein effektiven Recyclingkreislauf aufzubauen, braucht es große Mengen von möglichst gleichen Materialien mit wenig Farb- und anderen Störstoffen", sagt Dieter Stapf vom Institut für Technische Chemie am Karlsruher Institut für Technologie. Ein Beispiel für ein solches, effektives Recycling seien PET-Flaschen. Sie werden über ein eigenes System eingesammelt oder können leicht aus dem Müll heraussortiert werden. Gesäubert werden sie zu Granulat gemacht, das im Idealfall wieder für neue Flaschen, Putzmittelbehälter oder anteilig als Polyesterfaser für Kleidung verwendet wird.

Spielzeuge landen hingegen meistens im Hausmüll und werden verbrannt. Genaue Zahlen, wie viele recycelbare Materialien so verloren gehen, gibt es nicht. Das liegt auch an den Qualitätsunterschieden. Neben Traditionsmarken wie Playmobil, LEGO, Schleich oder Mattel mit sehr langen Lebenszyklen gibt es auf dem Spielzeugmarkt auch viele No-Name-Billigprodukte, die schnell kaputt gehen oder nur kurzlebendigen Trends folgen. Sie landen besonders schnell im Müll.

Aktuell ist Downcycling die Lösung

Aus Sicht von Stapf ist es trotzdem wichtig, dass sich auch die für Langlebigkeit bekannten Spielzeughersteller mit dem Thema Recycling beschäftigen. „Das ist immer besser für das Klima und die Umwelt als die Herstellung neuer Kunststoffe. Gleichzeitig sollte nicht der Eindruck entstehen, dass man eine alte Puppe oder Spielzeugautos einfach einschmelzen und zu neuen Spielzeugprodukten weiterverarbeiten kann", sagt er. Wenn aus Plastikmüll ein sogenanntes Rezyklat gemacht wird, verliert der Kunststoff meistens an Qualität und ist eben nicht mehr für dasselbe Produkt nutzbar. Standard ist im Moment deshalb eher ein Downcycling - das heißt eine Nutzung für eher minderwertige Produkte.

Was heute schon aus alten Spielzeugen entsteht, zeigt ein Projekt vom Barbie-Puppen-Hersteller Mattel. Ähnlich wie Schleich, will auch Mattel bis 2030 seine Spielzeuge und Verpackungen vollständig aus recycelten, recycelbaren oder biobasierten Kunststoffen herstellen. Für einen Recyclingtestlauf wurden in über 100 Schulen und Kindergärten Sammelboxen für altes Spielzeug aufgestellt. Der Anreiz für das Sammeln: Für volle Boxen bekommen die Schulen „Umweltpunkte", die sie gegen Bastelmaterialien, Bücher oder Sportgeräte eintauschen können. Entwickelt hat die Idee das Dresdner Recycling-Start-up Holypoly. „Die eingesammelten Barbies oder Matchbox-Autos durchlaufen in einer Testanlage ein mechanisches Recycling. Händisch werden die Spielzeuge sortiert und nutzbare Kunststoffe wiederverwendet", beschreibt Holypoly-Gründer Fridolin Pflüger das Verfahren. Von einer Recycling-Barbie ist man trotz einiger positiver Ansätze noch weit entfernt. Im Moment wird das Plastik aus Puppen oder Spielzeugautos genutzt, um Bodenbeläge und Spielgeräte für Spielplätze zu bauen. Der entscheidende Vorteil: Die Anforderungen in Sachen Haltbarkeit von Farben, Elastizität und Aussehen sind deutlich geringer als bei einer Puppe.

Zulässige Inhaltsstoffe haben sich über die Jahre verändert

Wie viele Spielgeräte am Ende entstehen, weiß Pflüger noch nicht. Auch hier sind die zurückkommenden Mengen bisher eher gering - und das ist nicht das einzige Problem. „Wir müssen erstmal herausfinden, welche Materialien überhaupt eingesammelt und weiter genutzt werden können. Wir bekommen ein buntes Sammelsurium der Spielzeuggeschichte und Materialien", erklärt er. Nicht selten sind die eingesammelten Puppen oder Autos zehn oder 20 Jahre alt.

In dieser Zeit haben sich Grenzwerte und Materialien deutlich verändert, wie eine aktuelle Studie der Uni Göteborg zeigt. Die schwedischen Forschenden untersuchten die Inhaltsstoffe von insgesamt 157 alten und neuen Kunststoffspielzeugen. Dabei entdeckten sie in 84 Prozent der alten Modelle gesundheitsschädliche Chemikalien, die aus heutigen Spielzeugen längst verschwunden sind - zum Beispiel Phthalate und kurzkettige Chlorparaffine. Sie wurden lange als Weichmacher und Flammschutz benutzt. Inzwischen ist bekannt, dass sie das Krebsrisiko erhöhen und langfristig sogar die Fruchtbarkeit einschränken können. Bei manchen Proben wurden die Grenzwerte um ein 400-faches überschritten. Ein Recycling sei in solchen Fällen schlicht nicht möglich und die sichere Entsorgung die einzige Option, schreiben die Forschenden. Gleichzeitig macht die Studie deutlich, dass verlässliche Regeln für die Inhalte von Spielzeugen eine wichtige Grundlage für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist. „Wir arbeiten deshalb nicht nur an einem Sammlungssystem, sondern suchen auch nach Materialien mit denen Matchbox-Autos oder Barbies in Zukunft verlässlich recyclebar sind", sagt Pflüger.

Die Suche nach einem recycelbaren Materialmix läuft

Ein ähnliches Ziel verfolgen auch Simancas und ihr Team bei Schleich. Sie suchen nach nachhaltigen und recycelbaren Kunststoffen, die die hohen Normvorgaben für Spielzeuge in sämtlichen Ländern erfüllen und den Kindern auch weiterhin Spaß machen. Dafür testen sie Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen genauso wie den Materialmix mit einem höheren Anteil an recyceltem Plastik. Wie lange die Suche noch dauert, will oder kann die Materialwissenschaftlerin nicht genau sagen. Nur so viel: Die Anforderungen an die neuen Kunststoffe sind hoch. Bis zu 200 verschiedene Farbtöne müssen strahlend gut aussehen. Auch der Detailgrad der Figuren darf nicht abnehmen. „Einem recyceltem Kaffeebecher verzeiht man vielleicht farbliche Spuren aus einem vorangegangenen Leben. Aber niemand kauft einen T-Rex ohne Krallen und mit komischen Farben, nur weil er nachhaltiger produziert wurde", sagt Simancas. Auch die Haltbarkeit sei eine Herausforderung. Die Figuren müssen auch weiterhin den wilden Alltag im Kinderzimmer bruchsicher überstehen. Wenn die Figuren besser recycelbar sind, dafür aber schneller kaputt gehen, ist das auch kein Gewinn in Sachen Nachhaltigkeit.

Die Kunden selbst schauen beim Kauf vor allem auf Preis, Unterhaltungswert und Qualität, wie eine 2021 durchgeführte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigte. Nur 14 Prozent der Befragten gaben an, auf Nachhaltigkeit von Material und Verpackung zu achten. Und so sind es oft ganz profane Gründe, warum ein Material durchfällt. Bei der Marktforschung mit Familien wird deutlich, dass die Schleich-Figuren aus nachhaltigen Materialien gut ankommen. Dennoch ist Simancas noch nicht ganz zufrieden: „Hochwertigkeit und Qualität sind unser oberstes Gebot. Dazu zählen auch Gewicht und Haptik der Spielzeuge. Unsere nachhaltigen Prototypen sind etwas leichter als die derzeitigen Figuren. Daran müssen wir noch arbeiten. Die Kinder sollen möglichst keinen Unterschied merken", sagt sie. Auf einem anderen Gebiet ist man dagegen schon einen Schritt weiter. Seit letztem Jahr werden viele der größeren und kleineren Schleich-Spielsets ohne Kunststofffenster ausgeliefert. Das stört die Kunden kaum, spart aber jährlich einige Tonnen Kunststoff.

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