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dpa Kindernachrichten: Rochengift als Vorbild für die Medizin

In unseren Reportagen berichten Journalisten und Leser von ihren Erlebnissen rund um den Erdball - egal ob Afrika, Fernost oder Antarktis. Regelmäßg veröffentlichen wir hier auch Texte zur Heimatgeschichte, die einen neuen Blick auf vermeintlich Altbekanntes erlauben.

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Mit ihren Giften verteidigen sich Tiere eigentlich gegen Feinde oder erlegen Beute. Forscherinnen wollen ihre Wirkung nutzen, um bei Menschen Krankheiten zu heilen und Schmerzen zu lindern.

Stachelrochen haben einen oder mehrere giftige Stacheln. Foto: Andreas Vilcinskas/-/dpa

Ganz platt, so sieht der Körper von Stachelrochen aus. Häufig liegen die Tiere auf dem Meeresboden. Schwimmen sie umher, sieht es aus, als fliegen sie durch das Wasser. Stachelrochen können aber gefährlich werden. Sie haben einen langen Schwanz mit einem oder mehreren Giftstacheln. Damit verteidigen sie sich bei Gefahr.

Genau für dieses Gift interessiert sich die Biologin Kim Kirchhoff. Sie möchte es für die Entwicklung neuer Medikamente nutzen. Um an Stacheln und damit auch an das Gift zu kommen, muss sie nicht selbst ins Wasser steigen oder gar einen Rochen ärgern.

Die Stacheln für ihre Forschung werden ihr von Aquarien aus ganz Europa geschickt: Bis zu 40 Zentimeter sind die Stachelrochen-Stachel lang, glänzen leicht bräunlich und haben kleine Widerhaken.

„Wie die Zähne beim Hai wachsen die Rochenstachel immer wieder nach", erzählt Kim Kirchhoff. Denn in der Natur brechen die im Kampf ab.

In den meisten Aquarien muss nachgeholfen werden: Etwa einmal pro Jahr werden die Rochenstachel abgeknipst. Das ist ungefährlich für die Tiere. Sie spüren im Stachel keinen Schmerz, auch Blut fließt nicht.

Bevor die Forscherin die Stacheln aus dem Paket holt, zieht sie sich dicke Laborhandschuhe an. Vorsichtig schabt sie dann mit dem Skalpell das Gewebe vom Stachel ab. Darin sitzt das Gift.

„Stachelrochen sind scheue Tiere. Ihr Gift dient nur zur Verteidigung gegen Feinde", erklärt die Biologin. Wird ein Rochen angegriffen, schlägt er blitzschnell mit Schwanz und Stachel zu. Die scharfen Widerhaken sorgen für Wunden.

Das Gift selbst ist sehr unangenehm. Es verursacht Schmerzen, stört den Blutkreislauf und lässt die Wunden stark bluten. Das alles schwächt den Angreifer so sehr, dass sich der Stachelrochen problemlos aus dem Staub machen kann und garantiert nicht verfolgt wird. „Das Rochengift wirkt schnell und genau. Deshalb wollen wir prüfen, ob wir es auch als Medikamente nutzen können."

Zuerst muss dafür die Wirkung und der chemische Aufbau des Rochengiftes untersucht werden. „Wir wollen herausfinden, wie das Gift genau aufgebaut ist und verstehen, warum das Gift so gut wirkt", sagt Kim Kirchhoff. Das sei wie die Lösung eines schwierigen Puzzles ohne Anleitung und ohne genau zu wissen, wie es später aussehen soll.

Erst wenn diese Rätsel über Aufbau und Wirkung geknackt sind, können die Forschenden das Gift künstlich nachbauen und die Wirkung anpassen. Das Ziel: Schmerzen bei Menschen lindern statt Schmerzen verursachen. Doch zuvor muss die Wirkung des nachgebauten Gifts noch genau geprüft werden. Zunächst an winzigen Zellen, später an Mäusen und irgendwann auch an Menschen.

Erst wenn alles wirkt und die Nebenwirkungen eingedämmt wurden, kann ein Medikament nach dem Vorbild eines Stachelrochens in die Apotheke kommen.

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