Birk Grüling
Berufseinstieg
Die Lust der Deutschen an Gesellschaftsspielen ist auch in digitalen Zeiten ungebrochen. Doch wie entstehen eigentlich neue Brett- und Kartenspiele? Und was haben die Autoren für einen Background? Wir haben unter anderem mit Benjamin Teuber gesprochen. Sein Vater ist der Erfinder von "Die Siedler von Catan".
Familie Teuber: Spieleautoren in zwei GenerationenAcht Regalfächer im Wohnzimmer dürfen die bunten Spielkartons in Beschlag nehmen. Der Rest muss in den Keller. So lautet der Deal zwischen Benjamin Teuber und seiner Freundin. Seine Leidenschaft für Gesellschaftsspiele kommt nicht von ungefähr. Vater Klaus Teuber erfand eins der erfolgreichsten Spiele der letzten 20 Jahre. Benjamin war acht Jahre alt, als die Familie zum ersten Mal den Prototypen der Siedler von Catan ausprobierte. "Mein Vater kam regelmäßig zu meinem Bruder und mir und fragte uns, ob wir Lust haben, eine neue Spielidee auszuprobieren. Wir waren seine ersten Tester", erzählt der 33-Jährige. Von dem Besiedlungsspiel waren die beiden Jungs begeistert. Völlig zurecht: Catan wurde bis heute 27 Millionen Mal verkauft, in 41 Sprachen übersetzt. 2002 gründete Vater Klaus die Catan GmbH. Inzwischen sind beide Söhne ins Familienunternehmen eingestiegen. Trotz frühkindlicher Prägung war dieser Schritt keineswegs von langer Hand geplant.
Über Japan zurück ins FamilienunternehmenBenjamin studierte Psychologie in Konstanz und Management in London und arbeitete als Unternehmensberater für einen Videospielehersteller in Tokio. Glücklich machte ihn die Arbeit nicht. "Mein Vater bot mir irgendwann an, ins Familienunternehmen einzusteigen. Die Marke Catan weiterzuentwickeln, erschien mir reizvoller als jeder meiner vorherigen Jobs", sagt er. Heute kümmert sich der 33-Jährige vor allem um das Management. Als "Catans Außenminister" verhandelt er über neue Lizenzprodukte wie ein "A Game of Thrones-Catan" und kümmert sich um die Vermarktung. Zuletzt gab es sogar Gerüchte um einen Kinofilm aus dem Catan-Universum. Außerdem gehört die Spielentwicklung zu seinen Berufsalltag. Aus dem Hause Teuber kommen nicht nur Catan-Erweiterungen, sondern auch neue Spielideen. Ein Beispiel dafür ist Schmuggler: Dabei müssen die Spieler Gegenstände versteckt in Spielknete durch einen löchrigen Gartenzaun schmuggeln. Nach wie vor ist die Familie die erste Testinstanz. "Wir testen wöchentlich und diskutieren über neue Ideen, manchmal bis tief in die Nacht", erzählt er.
Kurz und kompakt: Spieleautor werdenWie bei vielen kreativen Jobs, gibt es auch für angehenden Spieleautoren und -autorinnen keine geregelte Ausbildung. Die meisten Autoren sind Quereinsteiger - wenn sie überhaupt von der Arbeit leben können und es nicht einfach hobbymäßig nebenbei machen. Ein Management-Studium beispielsweise ist eine gute Basis, um die wirtschaftlichen Zusammenhänge besser zu verstehen. In manchenGame-Design-Studiengängen stehen jedoch neben Computerspielen tatsächlich auch analoge Spiele auf dem Stundenplan.
Die Gegenseite: Arbeiten im SpieleverlagSpieleentwicklung ohne Druck, ein millionenfach verkaufter Dauerbrenner im Rücken - von solch paradiesischen Umständen träumen die meisten Spieleerfinder. Erfolge wie die Siedler von Catan sind eher die Ausnahme. Die meisten Spiele verschwinden nach ein, zwei Jahren wieder aus den Regalen. Kein Wunder: Pro Jahr erscheinen bis 1.000 neue Spiele bei den rund 14 deutschen Spieleverlagen, die damit circa 450 Millionen Euro Umsatz pro Jahr machen. Täglich landen Dutzende neue Ideen bei den Verlagen - erdacht von Hobby-Entwicklern und den wenigen Profis, die von der Arbeit als Spieleautor leben können.
Lieber analog statt digitalWelche dieser Ideen den Sprung auf den Markt schafft, darüber entscheiden Niccolo Riedel und seine Kollegen. Seit zwei Jahren arbeitet der 24-Jährige als Redakteur beim Kosmos Verlag. Nach dem Abi studierte er Game Design in Bad Cannstatt. Die Besonderheit: Neben Computerspielen entwickelten die Studierenden auch Brettspiele oder einen Escape-Room. "Anfangs wollte ich in die Computerspiele-Branche, doch im Laufe der Zeit stellte ich fest, dass mich analoge Spiele noch mehr reizen", erklärt er. In seinem Praxissemester ging Niccolo zum Kosmos Verlag. Eine spannende Zeit: Von Anfang an betreute er kleinere Spieleprojekte und entwickelte sogar ein eigenes Asterix-Spiel. Am Ende der sechs Monate wurde ihm ein Volontariat angeboten. Heute arbeitet er im Kinderspiel-Team.
90 Prozent der Spiele-Ideen landen im PapierkorbEine seiner Hauptaufgaben ist das Spielen. Rund zwei Dutzend neue Spielideen landen pro Woche im Posteingang. "Wir schauen uns zuerst das Konzept und die Anleitung an. Meistens sieht man schnell, ob das Spiel gut ist", sagt Niccolo. Über 90 Prozent aller Ideen werden abgelehnt. Viele Einsendungen sind zu wenig durchdacht, nur Abwandlungen von Klassikern oder passen nicht ins Verlagsprogramm. Nur vielversprechende Ideen werden später auf Herz und Nieren getestet, zuerst gemeinsam mit den Kollegen, später von unbestechlichen Testern. Einmal pro Woche besucht der Spiele-Fan dafür eine Grundschule und spielt mit den Kindern. "Ihre Rückmeldung ist wichtiger als unsere persönliche Meinung. Wenn sie das Spiel doof finden, kann man sich die weitere Arbeit meistens sparen", sagt er.
Bis zu zwei Jahre bis zum fertigen SpielErst wenn Nachwuchstester und Redakteure die Idee für wirklich gut befinden, beginnt die Detailarbeit zur Marktreife. In enger Absprache mit dem Autor wird das Design angepasst, die Regeln verschlankt, neue Figuren entwickelt. Auch das Thema wechselt häufig - aus der Blumenwiese wird ein Ponyhof, aus der Stadt ein mittelalterliches Schloss. Bis das Spiel endgültig erscheint, dauert es schon mal ein bis zwei Jahre. Und wenn die ersten Fans den bunten Karton endlich aus dem Regal nehmen, arbeiten Riedel und seine Kollegen längst am nächsten Abenteuer für den heimischen Küchentisch.
Kurz und kompakt: Spieleredakteur/in werdenWie auch bei "normalen" Redakteuren im journalistischen Bereich führt der Karriereweg zunächst über ein Volontariat. Dieses bekommt man der Regel nur mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium, die Fachrichtung ist dabei jedoch nicht unbedingt entscheidend. Inhaltliche Anknüpfungspunkte gibt es höchstens bei Studiengängen im Bereich Game Design, die analoge Spiele zusätzlich thematisieren. In Deutschland gibt es derzeit rund 14 Spieleverlage, bei denen du dein Glück als Volontär/in versuchen kannst.