Ich glaube nicht, dass wir mittelfristig viel weniger arbeiten. Ändern wird sich eher die Qualität der Arbeit. Zum Beispiel können wir unseren Arbeitsalltag viel individueller gestalten und sind stärker verantwortlich für die täglichen Aufgaben. Wir können die Orte oder Tools für die Arbeit wählen. Diese Freiheit hatten die Generationen vor uns nicht. Auch die wichtige Frage nach dem Sinn von Arbeit wird häufiger gestellt. Künstliche Intelligenz kann diese Qualität stark beeinflussen. Sie wird uns im Alltag viele Routineaufgaben abnehmen und Platz für Neues schaffen.
Sollten wir als Mitarbeiter mehr Autonomie für die Arbeitsgestaltung einfordern?Jeder Mitarbeiter sollte die Freiheit haben, einen Text, ein Konzept oder einen Code im Homeoffice oder dem nächsten Café zu schreiben. Dem Chef kann es eigentlich egal sein, wo die Arbeit erbracht wird. Hauptsache, das Ergebnis stimmt und die Kollegen werden in ihrer Freiheit und Arbeitsgestaltung nicht behindert.
Wie verändert sich die Bedeutung des Büros in der Arbeitswelt der Zukunft?Das Büro wird an Bedeutung verlieren. Es ist keine Kathedrale und kein Statussymbol mehr. Von der Vorstellung, dass sie ihre Mitarbeiter nur führen können, wenn diese im Büro sitzen, müssen sich die Chefs langsam verabschieden. Niemand muss mehr für konzentrierte Bildschirmarbeit am Firmenschreibtisch sitzen. Durch die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens wird das Büro eher zu einem Tool für die Kommunikation. Hier findet menschliche Interaktion statt, und dieser Austausch hilft mir, Ideen zu entwickeln. Wenn ich natürlich keine Lust auf Homeoffice habe, sollte ich im Büro auch einen ruhigen Ort zum Arbeiten finden.
Freie Arbeitsgestaltung, virtuelle Teams und hohe Flexibilität scheinen viele Menschen auch zu überfordern. Müssen wir Arbeiten neu lernen?Wir sollten uns auf jeden Fall mit der Fokussierung auf Aufgaben und dem eigenen Umgang mit den digitalen Kommunikationsmöglichkeiten beschäftigen. Ich persönlich teile mir zum Beispiel meinen Arbeitsalltag in Fight-Mode und Konzentrationsphasen ein. Im Fight-Mode jagt ein Termin den nächsten, ich führe Kundengespräche oder sitze in Meetings. In der Konzentrationsphase bleiben dagegen die Mails ungelesen und das Telefon aus. Ich arbeite nur an einer Sache. Gleiches gilt für die Zeit mit meinen Kindern. Auch da bin ich nur im äußersten Notfall erreichbar. Das richtige Kommunizieren, das Fokussieren auf eine Arbeit, aber auch Abschalten werden sicher in Zukunft noch wichtiger.
Die Berufseinsteiger von heute sind deutlich digitaler aufgewachsen. Können sie auch besser mit den digitalen Möglichkeiten umgehen?Ich erlebe es immer wieder, dass die Vertreter der Generation Z viel bewusster mit digitalen Tools wie dem Smartphone umgehen. Sie legen zum Beispiel großen Wert auf Abschalten und Offline-Zeiten. Diesen bewussteren Umgang mit der Digitalisierung müssen viele „ältere" Menschen erst noch lernen.
Welche Kompetenzen sind in der Arbeitswelt der Zukunft wichtig?Ich glaube, dass ein bewusster Umgang mit Medien und Technologien wichtiger wird. Der entsteht vor allem, wenn man nicht nur Inhalte konsumiert, sondern auch selbst gestaltet. So merkt man am besten, dass ein Smartphone vor allem ein Tool ist, dessen Nutzung sich aktiv gestalten lässt. Vielleicht noch wichtiger ist Neugier. Wir sollten uns die kindliche Lust auf das Lernen und Entdecken von neuen Dingen bewahren. Dabei ist es egal, ob wir Programmiersprachen lernen oder fremde Kulturen entdecken. Eine weitere wichtige Fähigkeit ist die Auseinandersetzung mit den Grundprinzipien eines Problems. Unsere Welt wird immer komplexer, keiner kann sagen, was morgen kommt. Die Fokussierung auf die Kernfragen hilft uns, Probleme besser zu verstehen und neue Lösungen zu finden.
Das Interview führte Birk Grüling.Mehr zum Thema „New Work" findet ihr auf www.onthewaytonewwork.com