0 subscriptions and 16 subscribers
Article

Vormittags bloggen, nachmittags Spielplatz

Hamburg. Am Anfang war der Ärger über die Farbe Rosa. Egal ob Bodys, Pullover oder Schnuller - die gesamte Erstausstattung für Mädchen schien von Designern durch die rosarote Brille entworfen zu sein. Verstimmt über so viel Geschlechterklischees schrieb Tobias „Johnny" Weber 2014 seinen ersten Blogartikel - wenige Wochen vor der Geburt der eigenen Tochter. Heute, knapp vier Jahre später, hat Johnnys Papablog eine treue Leserschaft und viele Fans in den sozialen Netzwerken. Auch die Themen haben sich verändert, neben persönlichen Anekdoten aus dem Leben als alleinerziehender Vater schreibt der Berliner über Kinderbücher, pädagogisch wertvolle Apps oder den Kita-Alltag. „Ich habe schnell gemerkt, dass mir das Bloggen großen Spaß macht und es viel zu wenig Papas gibt, die über das Vatersein schreiben", erzählt Weber. Tatsächlich sind bloggende Väter im Vergleich zu der großen Zahl an Mama-Blogs eher die Ausnahme. Schätzungen zufolge gibt es rund 2000 Elternblogs in Deutschland, Tendenz steigend. Die reichweitenstärksten Vertreter kommen auf mehrere Hunderttausend Besucher pro Monat und haben ebenso viele Fans bei Facebook, Instagram und Co.

Eltern schätzen Blog als Ratgeber

Die Themen der Elternblogger sind vielfältig: der Alltag mit Zwillingen, Familienleben auf dem Land, Reisen mit Kindern oder Mode für den Nachwuchs. „Gerade für junge Eltern sind die Blogs inzwischen ein wichtiger Anlaufpunkt bei der Suche nach einem passenden Kinderwagen, neuer Kleidung oder Erziehungsfragen. Sie schätzen die persönlichen Einblicke und Ratschläge der Blogger", erklärt Kai Bösel, selbst Papa-Blogger auf daddylicious.de und Gründer des Hamburger Blogvermarkters Boomblogs. Besonders aktiv sei die Community der Mama-Blogger. Unter fast jedem Artikel werde dort rege kommentiert und emotional diskutiert. Die wachsende Relevanz haben inzwischen auch die Hersteller von Babyprodukten erkannt. Große Unternehmen wie Pampers, Hipp, Ergobag oder Jako-o arbeiten regelmäßig mit Bloggern zusammen. Das ist durchaus sinnvoll: Elternblogger erreichen eine treue Leserschaft und sind glaubwürdiger als herkömmliche Werbung. Auch für die Blogger lohnt sich das Geschäft. Für Kooperationen wie zum Beispiel das Vorstellen von neuen Babyprodukten oder einen Autotest zahlen Unternehmen bis zu vierstellige Beträge - ein großes Publikum vorausgesetzt.

Früher Pädagoge, heute Vollzeitblogger

Doch der Weg zum erfolgreichen Onlinemagazin ist lang und steinig. „Die meisten Blogger opfern viel Freizeit für neue Artikel, Instagram-Bilder und ihre Facebook-Seiten und bekommen dafür kaum mehr als ein nettes Taschengeld", sagt Bösel. Auch für Tobias Weber war sein Papa-Blog fast drei Jahre lang ein reines Freizeitprojekt neben seiner Arbeit als Pädagoge. „Ich habe eher das Schreiben und den Austausch mit den Lesern genossen. Erst im letzten Jahr häuften sich die Anfrage von Unternehmen", erzählt er. Inzwischen hat der Berliner seinen alten Job aufgegeben und kann vom Schreiben leben. Die Hälfte der Einnahmen kommt durch Werbung auf dem Blog. Außerdem schreibt er für Medien und Unternehmen. Für den alleinerziehenden Vater ist die neue Arbeit eine gute Möglichkeit, Kind und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Nachdem er am Morgen seine Tochter in die Kindertagesstätte gebracht hat, setzt er sich an den heimischen Schreibtisch und arbeitet an neuen Texten, antwortet auf Kommentare oder postet Bilder bei Instagram. Vier bis fünf Artikel pro Woche erscheinen auf seinem Blog. Spätestens um 15.30 Uhr klappt er den Laptop zu und holt seine Tochter von der Kita ab.

Irgendwie auch Vater-Tochter-Projekt

Feierabend hat er dann noch nicht, es beginnt aber der entspannte Teil der „Arbeit". „Am Nachmittag ist der Blog vor allem ein Vater-Tochter-Projekt. Sie freut sich tierisch, wenn neue Pakete für uns im Flur stehen", erzählt er. Vor allem bei Kinderbüchern, eine große Leidenschaft der zwei, verlässt sich der Vater auf das Urteil seiner kleinen Tochter. Auch bei bezahlten Kooperationen achtet er nicht nur auf das Geld, sondern auch auf den pädagogischen Wert. Tabu sind dagegen Bilder seiner Tochter auf dem Blog oder bei Instagram, auch peinliche Töpfchen-Anekdoten findet man nicht. Damit ist er durchaus die Ausnahme: Viele Elternblogger haben keine Scheu, regelmäßig die Bilder ihrer Kinder in den sozialen Netzwerken zu teilen, bei manchen sorgt diese Offenheit sogar für mehr Aufmerksamkeit und Leserschaft. Für Weber kommt das nicht infrage: „Meine Tochter kann noch nicht selbst über ihre Privatsphäre entscheiden. Deshalb muss ich sie schützen." Bis sich das ändert, gibt es nur Einblicke in Papas Welt.

www.johnnyspapablog.de

Papablogs

Kai Bösel und Mark Bourichter sind die „Veteranen" unter den Vaterbloggern. Ihr Blog daddylicious.de beschäftigt sich mit Familienautos, coolen Gadgets und dem Leben als Papa.

Drei Väter aus einer Kölner Kommunikationsagentur sind die Gründer von IchBinDeinVater . Sie schreiben über Glücks- und Stressmomente im Familienleben und produzieren einen hörenswerten Podcast.

Die Instagram-Daddys Thomas und Bo berichten auf newdadsontheblog.de sehr persönlich über ihr Leben als junge Väter. Es geht um den Hauskauf oder Schlaflosigkeit.

Von Birk Grüling/RND

Original