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Inklusion in der Schule: Ein Fahrstuhl, ein Raum, eine Kollegin

Kinder mit oder ohne Behinderung sollen gemeinsam lernen - die Idee finden viele Eltern, Lehrer und Schüler in der Theorie richtig, in der Praxis sind sie jedoch enttäuscht. 2009 ratifizierte Deutschland nach langem Zögern die UN-Behindertenrechtskonvention und gab damit den Startschuss für die sogenannte Inklusion in den Schulen. Kinder mit Behinderung haben seither das Recht, eine Regelschule zu besuchen. Sie sollen nicht länger von der Gesellschaft isoliert werden. Doch Inklusion wirkt auf viele Betroffene eher als Sparkurs der Politik, denn als gelungene Förderung. Für das gemeinsame Lernen fehlen Fahrstühle, Rückzugsräume, Lehrer, Sonderpädagogen - und Zeit. In vielen Bundesländern haben sich Elterninitiativen gegründet, die mehr Geld für Inklusion fordern. Unterstützung bekommen sie dabei von den Lehrerverbänden.

Hier schildern eine Schülerin, eine Lehrerin und ein Elternvertreter ihre persönlichen Erfahrungen.

Hanna Schweizer geht in die 12. Klasse einer Hamburger Stadtteilschule und engagiert sich in der Initiative Gute Inklusion, die eine bessere Ausstattung der Schulen und mehr Lehrkräfte für die Inklusion fordert.

Ich war selbst fünf Jahre lang in einer Integrationsklasse an unserer Gesamtschule - damals gab es noch keine flächendeckende Inklusion in Hamburg. Ich hatte fünf Mitschüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Darunter war ein Kind mit Down-Syndrom. Die anderen vier brauchten einfach etwas mehr Zeit und Unterstützung beim Lernen. Alle fünf waren ganz normaler Teil unserer Klasse. Im Unterricht waren diese Unterschiede kein großes Problem. Es gab nämlich nur wenig Frontalunterricht, stattdessen hatte jeder von uns einen eigenen Wochenplan mit Aufgaben. So konnten wir immer an ähnlichen Themen arbeiten, nur eben auf unterschiedlichem Niveau. Der Mitschüler mit Down-Syndrom übte immer wieder die Grundrechenarten, oder verschiedene Formen zu zeichnen, während wir anderen uns mit Gleichungssystemen oder Flächenberechnungen beschäftigten. Die Lehrer haben uns vor allem eine klare Struktur gegeben - zum Beispiel Zeiten für freies Arbeiten oder Gruppenaufgaben. Sie waren für alle inhaltlichen Fragen da.

Außerdem kümmerte sich eine Sozialpädagogin in jeder Stunde um die Schüler mit Behinderung. Sie hat zum Beispiel darauf geachtet, dass sie auch bei Gruppenarbeiten mitmachen, oder ihnen nochmal in Ruhe die Aufgaben erklärt. Aber auch wir anderen konnten sie ansprechen.

Jetzt ist alles anders

Wir hatten sogar einen zusätzlichen Arbeitsraum. Hier konnten wir in Ruhe lesen oder rechnen. Die Behinderung war zwischen uns Schülern eher selten ein Thema. Wir haben gemeinsam die Pausen verbracht oder waren zusammen auf Klassenfahrt.

Jetzt ist alles anders. Es kommen immer mehr Förderschüler in die Klassen, vielen Lehrern fehlt die Erfahrung mit der Inklusion. Mehr Sonderpädagogen gibt es deshalb nicht. Auch an unserer Schule sind sie inzwischen für zwei Klassen gleichzeitig zuständig und können die Lehrer nicht mehr jede Stunde unterstützen. Außerdem sind mehr Schüler in den Klassen. Lehrer müssen sich häufig gleichzeitig um die starken Schüler kümmern, die an der Gesamtschule ihr Abitur machen wollen, und um schwächere, die Probleme mit den Grundrechenarten oder dem Lesen haben. Dabei bleiben immer Kinder auf der Strecke.

Ich finde das schade. Für mich persönlich war die Zeit in der Integrationsklasse eine große Bereicherung. Ich fühlte mich nie schlecht oder zu wenig unterrichtet und habe viel über Toleranz gelernt und darüber, dass Menschen sehr unterschiedlich sein können.

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