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Der Garten Eden trocknet aus

Die Amerikaner seien schuld an den Staub- und Sandstürmen, die über das Land fegen. In den sechs Jahren seit der Invasion hätten ihre Panzer alles aufgewirbelt. Andere Iraker machen ihren ehemaligen Präsidenten Saddam Hussein dafür verantwortlich. Der Diktator hatte Millionen von Palmen vor allem im Süden fällen lassen, als der Krieg gegen Iran in den 80er-Jahren tobte und er freie Sicht für die irakische Armee schaffen wollte. Nun kann Staub und Sand ungehindert durch die Wüste wirbeln.

Bewiesen ist nichts. Tatsache aber ist, dass das Land zwischen Euphrat und Tigris immer mehr in Staub und Sand erstickt. Auch zu dieser Jahreszeit, wenn längst schon die ersten Regenschauer den allgegenwärtigen braunen Film von Dächern und Pflanzen gewaschen haben sollten, nehmen die heißen Wüstenstürme kein Ende und wehen noch mehr Dreck nach Bagdad. Der feine Staub penetriert nicht nur die Atemwege, er ist überall. Das Wohnzimmer sieht aus wie die Sahara, die Bettdecke riecht nach Sand.

Überall bilden sich kleine Windhosen, die sich zu spiralartigen Sandtornados ausweiten. Sie fegen über die Steppen vor allem im Westen Iraks und hüllen alles ein. Zwar wurde der Irak immer schon von Sandstürmen heimgesucht, aber nie war es so schlimm wie in diesem Jahr, sagen Meteorologen.

Für Aun Abdullah ist dies ein weiteres Zeichen des Klimawandels. Der Generaldirektor der Abteilung Ressourcenmanagement im Bagdader Wasserministerium beobachtet schon seit Jahren eine zunehmende Dürre im einst so wasserreichen „Zweistromland“. Die Statistiken seiner Abteilung über das jährliche Volumen der beiden Flüsse reichen zurück bis 1933. Seitdem geht die Wassermenge konstant zurück. Das ist dem vermehrten Dammbau in der Türkei und im Iran zuzuschreiben, aber auch den dramatisch sinkenden Niederschlägen. „In den letzten 20 Jahren gab es immer weniger Regen“, sagt Abdullah besorgt, „in den letzten zwei Jahren kaum noch etwas“. 30 Prozent weniger Wasser in den letzten beiden Jahren: „Eine Katastrophe bahnt sich an!“ Selbst im Winter sei der Irak jetzt eine gelbliche Wüste.

Seit 1968 arbeitet Abdullah mit Wasser. Zunächst in Naserija, seiner Heimatstadt im Südirak, dann in Basra als Chef des Amtes für landwirtschaftliche Bewässerung. Jetzt holte ihn der kurdische Wasserminister nach Bagdad. Experten sind Mangelware im Irak nach Saddam Hussein. „Das Problem für uns heute ist die Notwendigkeit, völlig umzudenken“, erklärt Aun Abdullah seine schwierige Aufgabe. Während das Ziel der Wasserbehörden lange Jahre darin bestand, die Bevölkerung vor Fluten zu schützen, gilt es jetzt, den Mangel zu verwalten. Das letzte Abkommen mit den Anrainerstaaten von Euphrat und Tigris, Türkei, Syrien und Iran, liegt 63 Jahre zurück. „In der Zwischenzeit haben die jede Menge Dämme gebaut und wir Kriege geführt.“

Wie dramatisch die Situation ist, lässt sich schon bei einem Spaziergang über die Tigris-Brücken in der irakischen Hauptstadt erkennen. Selbst im Frühjahr, wenn die Schneeschmelze aus den kurdischen Bergen immer die Flussbetten gefüllt hat, traten dieses Mal in der Flussmitte riesige Sandbänke hervor, der Wasserstand ging im Laufe des Jahres immer weiter zurück. Das irakische Wasserministerium hat jetzt erstmals sogar von Dürre-Flüchtlingen gesprochen. Die Menschen fliehen in die Städte. Schon jetzt seien 696.000 Hektar Agrarland völlig ausgetrocknet, sagt Muhammad Amin Fars, Direktor der Abteilung landwirtschaftliche Bewässerung im Wasserministerium der kurdischen Regionalregierung im Nordosten Iraks, wo der Tigris über die Grenze aus der Türkei fließt.

Sollte die gegenwärtige Situation anhalten, so die irakische Tageszeitung Al Sabah, würden bis 2030 zwei Drittel der besiedelten Gebiete im Zweistromland infolge von Dürre und Wassermangel unbesiedelt sein. Der biblische Garten Eden wäre ausgetrocknet. Der Wasserexperte des Klimaforschungsinstituts Potsdam, Holger Hoff, geht allerdings nicht davon aus, dass der Irak eine 20-jährige Dürre erlebt. „Zumeist wurden bislang in der Region Dürren, die sich über ein bis einige Jahre erstreckt haben, wieder von feuchteren Jahren abgelöst.“ Gleichwohl glaubt der Forscher, dass Klimavariabilität – und damit auch Intensität, Dauer und Häufigkeit von Dürren – mit dem Klimawandel aller Wahrscheinlichkeit nach weiter zunehmen werden.

Aun Abduallah muss also an zwei Fronten kämpfen. „Zum einen müssen wir sparsamer mit der knapp gewordenen Ressource umgehen.“ Die Menschen müssten begreifen, dass sie nicht mehr Wasser im Überfluss verbrauchen können. „Es sind nicht mehr die Fluten, die uns bedrohen, sondern der Mangel.“ Dieses Umdenken geschähe nicht von heute auf morgen, meint der Wasserexperte. Zum anderen müsse das Wasser auch politische Priorität bekommen. „Es kann nicht sein, dass wir Verträge mit der Türkei abschließen, riesige Investitionen in die Partnerschaft tätigen und die drehen uns durch ihre Dämme buchstäblich den Hahn zu.“ Mit Iran geschehe das gleiche. Von dort fließen die Nebenflüsse in den Tigris.

Mit dem Euphrat sei es sogar noch schlimmer. An ihm hätte die Türkei bereits fünf Dämme gebaut, Syrien zwei. 90 Prozent seines Wasservolumens würden in der Türkei verbraucht, bevor der Fluss Syrien erreiche. „Wasser ist bei uns schon teurer als Öl“, sagt Abdullah.

von Birgit Svensson