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Italien-Wahl: "Kein gutes Zeichen für Europa"

Nach dem Sieg der italienischen Rechten herrscht in Brüssel Katerstimmung. Bei Themen wie Migration und Minderheitenrechte könnte es künftig schwer werden. Dennoch gibt sich die EU-Spitze kämpferisch.

Den meisten in Brüssel fällt es am Tag nach den Parlamentswahlen in Italien schwer, einen guten Morgen zu wünschen. Erste Hochrechnungen lassen keinen Zweifel daran, dass die drittgrößte Volkswirtschaft in der EU künftig von einem rechten Bündnis regiert wird. Die Brüder Italiens unter Giorgia Meloni könnten zusammen mit der rechten Lega unter Matteo Salvini und der Forza Italia von Silvio Berlusconi auf rund 43 Prozent der Stimmen kommen.

Geese: Italien steht nichts Gutes bevor

Die Grünen-Europaabgeordnete Alexandra Geese hat über 20 Jahre in Italien gelebt und ist besorgt: "Das ist kein gutes Zeichen für Europa, insbesondere, weil Frau Meloni den Umbau Italiens in eine Präsidentialdemokratie angekündigt hat. Ihr Vorbild ist Orban, der Ungarn von einer Demokratie in eine Autokratie umgewandelt hat. Und daraus kann man schon erschließen, dass uns für Italien nichts Gutes bevorsteht."

Geeses Parteifreundin Terry Reintke, ebenfalls Mitglied des Europäischen Parlaments, sieht eine Mitverantwortung für den wahrscheinlichen Wahlsieg Melonis bei den Konservativen: Man dürfe nicht zulassen, dass die sich die Wahlergebnisse in Italien nun schönredeten, schreibt sie auf Twitter.

Weber unterstützt Berlusconi

Manfred Weber, Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, war kurz vor den Wahlen nach Italien gereist, um Silvio Berlusconi offen zu unterstützen. Berlusconi, viermaliger Ministerpräsident, verurteilt unter anderem wegen Steuerbetrugs, machte sich kürzlich die Worte von Russlands Staatschef Putin zu eigen, indem er sagte, Putin sei zu der "Spezialoperation" gedrängt worden.

Weber äußerte sich am Morgen noch nicht zum Ausgang der Wahlen. CDU-Mitglied und außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, Michael Gahler, erklärte im Deutschlandfunk, die Forza Italia sei die Partnerpartei der Konservativen und stehe für einen Kurs der Mitte: "Ich habe die Forza Italia ja auch viele Jahre lang im Parlament bei uns in der Fraktion erlebt und insbesondere mit ihren führenden Leuten wie Antonio Tajani, der zehn Jahre Kommissar war und der zweieinhalb Jahre Parlamentspräsident war. Mit ihm fahren wir einen Kurs der Mitte. Und das ist jetzt die Aufgabe von Tajani, wenn er denn in Italien bleibt und eine Funktion übernimmt, dass hier der Gesamtkurs des Landes nicht nach rechts und antieuropäisch abdriftet."

Folge der Sparpolitik?

Der Linken-Co-Vorsitzende Martin Schirdewan sieht den Rechtsruck in Italien als das Ergebnis jahrelanger Kürzungspolitik, ausgehend auch von der ehemaligen italienischen Regierung unter Mario Draghi: "Eine ständig wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft, die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, Kürzungen im Sozialbereich, also kurz: Die absolute Dominanz des Marktes über das Gemeinwesen hat die Axt an den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft auch in Italien aber in vielen europäischen Staaten gelegt und genau das bildet den Nährboden, auf dem die extreme Rechte erfolgreich gedeiht."

Populismus gegen Brüssel

Noch fällt es in Brüssel schwer, genau abzuschätzen, wie das Bündnis und Giorgia Meloni künftig regieren wird. In ihren Reden kritisierte die 45-Jährige immer wieder die EU, sprach wörtlich von "Bürokraten aus Brüssel", positionierte sich gegen Einwanderung aus afrikanischen Ländern, der sie mit einer Seeblockade gegen Boote aus Nordafrika beikommen will. Sie sprach sich gegen grundsätzliche Schwangerschaftsunterbrechungen und gegen die, wie sie es nennt, "LGBT-Lobby" aus.

Außerdem will sie das nationale Gesetze über EU-Recht stellen - ganz im Stile der Regierungen in Ungarn und Polen. Gegen beide Länder laufen deshalb bereits einige Rechtsstaatsverletzungsverfahren.

Von der Leyen kämpferisch

Angesprochen auf mögliche Sanktionen, sollte Italien ähnliche Verletzungen begehen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag vor Studentinnen und Studenten an der Universität Princeton: Wenn die Dinge in eine schwierige Richtung gehen würden, habe die EU-Kommission Werkzeuge, so von der Leyen.

Gemeint ist der sogenannte Rechtsstaatsmechanismus, der bisher gegen Ungarn angewendet werden soll. Dem Land droht eine Kürzung von mehreren Milliarden Euro Fördergeldern. Auch Italien erwartet noch Gelder aus dem Corona-Hilfsfonds. Allerdings kann der Mechanismus bisher nur angewendet werden, wenn Gelder missbräuchlich verwendet wurden. Als Mittel gegen - aus Brüsseler Sicht - unliebsame Regierungen eignet er sich nicht. Auch wenn es nun die am weitesten rechts stehende Regierung ist, die es in Europa seit dem zweiten Weltkrieg gegeben hat.

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