Der Fall des freien Journalisten Hubert Denk zeigt: In Deutschland gerät die Pressefreiheit unter Druck.
Der Passauer Lokalreporter Hubert Denk ist nicht Rudolf Augstein, die Ermittlungen um die Veröffentlichungen in seinem Magazin Bürgerblick sind nicht mit der Spiegel- Affäre zu vergleichen. Aber Hubert Denk ist ein aufrechter und ernsthafter Journalist. In seinem Regionalmagazin und einem Blog schreibt er, was ist. Doch ohne großes Verlagshaus und Rechtsabteilung im Rücken kann es für freie Journalisten wie Denk schnell existenzbedrohend werden, wenn sie es mit der Justiz zu tun bekommen. Sein Fall zeigt eine bedenkliche Entwicklung: Das Kräfteverhältnis zwischen Journalisten und Staat verlagert sich in Deutschland zuungunsten der Pressefreiheit.
Alles beginnt 2010, als der freie Journalist Hubert Denk über den Prozess gegen einen Heilpraktiker berichtet, der später wegen Betrugs verurteilt wird. Der Mann hatte Geschäfte mit dem umstrittenen Laborarzt Bernd Schottdorf gemacht. Gegen Schottdorf wird seit mehr als zehn Jahren immer wieder wegen betrügerischer Abrechnungen mit den Krankenkassen ermittelt. Bei seinen Recherchen erfuhr Denk von einer Parteispende Schottdorfs an den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Die Spende war legal.
Denk berichtet darüber in seinem Bürgerblick und auch für weitere Auftraggeber. Die Fakten bestreitet keiner, nicht einmal der Spender. Trotzdem wird Hubert Denk nun seit dreieinhalb Jahren mit Rechtsstreitigkeiten überzogen. Erst von Bernd Schottdorf, der sich gegen den "Anschein" in Denks Berichterstattung wehrt, er habe mit der Spende die Ermittlungen gegen ihn an höchster Stelle beeinflussen wollen.
Allein die Prozesskosten dieser Unterlassungsklage hätten Denk ruinieren können. Bernd Schottdorf ist vielfacher Millionär, er kann sich die besten Anwälte leisten, zuletzt war es die Kanzlei des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler. Hubert Denk dagegen ist freier Journalist, mit einer Halbtagskraft und vielen freien Mitarbeitern. Doch Denk gewinnt in allen Instanzen.
Dann ermittelt auch die Staatsanwaltschaft gegen den freien Journalisten. Sie vermutet, Denk habe von der Parteispende nur durch ein Leck bei den ermittelnden Behörden erfahren können. Es werden 35 LKA-Beamte und Richter vernommen. Laut Medienberichten hat das Innenministerium die Anweisung erteilt, in den eigenen Reihen zu ermitteln. Die Fantasie der Ermittler scheint grenzenlos zu sein. Sie verdächtigen Denk, entweder Beamte bestochen oder den behördlichen Faxverkehr angezapft zu haben, um an seine Informationen zu gelangen. Sie überwachen nun ihrerseits den Journalisten. Die Akte Denk bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg ist inzwischen auf 704 Seiten angewachsen.
Während die Justiz gegen Denk keinen Aufwand scheut, klagen die bayerischen Ermittler der Soko "Labor", die Schottdorf im Visier haben, über Behinderungen ihrer Arbeit "von oben". Einer spricht im bayerischen Fernsehen gar von einem klaren Fall von "bayerischer Spezl-Wirtschaft".
Denk erfährt von den polizeilichen Ermittlungen gegen ihn, als er von der Staatsanwaltschaft Nürnberg eine Vorladung erhält. Er wehrt sich gegen die Vorwürfe und verweigert die Auskunft darüber, woher er seine Dokumente bekommen hat. Denk beruft sich auf den journalistischen Quellenschutz. Wieder braucht er Geld, um den erfahrenen Medienrechtler Klaus Rehbock mit der Sichtung der üppigen Ermittlungsakten zu beauftragen. Neben Geld kostet den Freiberufler die Gegenwehr Nerven und vor allem viel Arbeitszeit. Zeit und Kraft, die er nicht in Recherchen stecken kann.
Der Journalismus in Deutschland ist durch den Umbruch in der Branche geschwächt. Ehemals meinungsführende Blätter, wie etwa die Frankfurter Rundschau, sind nach Auflagen- und Anzeigenschwund nur noch ein Schatten ihrer selbst. Und in manchen Verlagen haben Manager den Journalismus fast ganz vor die Tür gesetzt. Nie in den vergangenen 50 Jahren war es wohl leichter, kritische Berichterstattung mit Klagen und Prozessen einzudämmen.
Doch der Journalismus ist nicht verschwunden, er ist nur zur Zwischenmiete in kleineren Häusern untergekommen. An vielen Orten sprießen Ein-Mann-Blogs, kleine Lokalredaktionen mit digitalen Ausgaben und regionalen Magazinen. In manchen Gegenden haben Portale wie Heddesheimblog, diePrenzlauer Berg Nachrichten oder dieTegernseer Stimme sogar die journalistische Grundversorgung übernommen. Sie sind manchmal meinungsfreudig, oft polemisch und gelegentlich sogar investigativ. Diese Stimmen finden selten die hunderttausendfache Verbreitung etablierter Medien, aber das Konzert ist durch sie vielstimmiger geworden. Eigentlich eine gute Nachricht für die Meinungsvielfalt.
Doch die freie Meinung kann freie Journalisten oder Kleinverleger teuer zu stehen kommen. Sie haben keine Rechtsabteilungen oder Budgets für langwierige Prozesse. Wer also als freier Journalist mächtigen und zahlungskräftigen Gegnern entgegentritt, muss sich seiner Sache schon sehr sicher sein.
Auch freie Mitarbeiter, die für renommierte Häuser mit kampferprobten Juristen arbeiten, sind oft schlechter geschützt als ihre fest angestellten Kollegen. Da werden etwa freie Reporter bei Rechtsstreitigkeiten von öffentlich-rechtlichen Sendern alleingelassen. Die beiden Lokalreporter Arndt Ginzel und Thomas Datt etwa hatten für den Spiegel die Affären im sogenannten Sachsensumpf recherchiert und sich volle Rückendeckung der Rechtsabteilung des Verlagshauses versprochen. Doch die Anwälte des Nachrichtenmagazins konzentrierten sich zunächst nur auf den Teil des Verfahrens, der den angestellten Spiegel- Reporter betraf.
Auch im Fall Denk bleiben Verlage und Institutionen, die sonst gerne in Leitartikeln Pressefreiheit in fernen Ländern einfordern, eher still. Hubert Denk sagt, Auftraggeber wie die Süddeutsche, für die er über Schottdorf berichtet hat, hätten die erste
Unterlassungserklärung lieber unterzeichnet, als den Rechtsstreit auszufechten. Und auch ein großer deutscher Journalistenverband scheute in der zweiten Instanz das Prozessrisiko und verweigerte - sicher ist sicher - Denk den Rechtsschutz.
Den juristischen Druck wohlhabender Kläger müssen investigativ arbeitende Journalisten wohl aushalten. Wenn es aber nicht einmal mehr eines handwerklichen Fehlers bedarf, damit ein Journalist in seiner Existenz bedroht wird, wird die Presse behindert. Auch durch die Ermittlungen staatlicher Stellen. Eigentlich ist die Rechtslage eindeutig: Im Spiegel-Urteil, und 50 Jahre später im Cicero- Urteil, hat das Bundesverfassungsgericht das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten gestärkt und klargestellt, dass Akten, Büros und Wohnungen von Journalisten nur durchsucht werden dürfen, wenn sie einer Straftat verdächtigt werden. Ebenso wenig dürfen Ermittlungen dazu dienen, Journalisten einzuschüchtern. Im Fall Denk ermitteln die Behörden deshalb trickreich wegen Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses.
Hubert Denk sagt, er gehe lieber in Beugehaft, als seine Quelle zu nennen. Helfen könnte in Fällen wie seinem ein Nothilfefonds für freie Journalisten. Angesichts der veränderten Medienlandschaft wäre ein solcher Fonds eine gesellschaftliche Aufgabe. Denn wenn Pressefreiheit nicht auch für die kleinste Schreibstube gilt, ist dieses Grundrecht nicht viel wert.