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Jacob Elordi und die Faszination für It-Boys

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„Sex sells“, das gilt auch für It-Boys, denn der Status wird in erster Linie für gutes Aussehen und Sexappeal verliehen. Aber anders als It-Girls werden It-Boys auch aufgrund ihrer künstlerischen Fähigkeiten gehypet, ihr Können steht dem Status nicht entgegen. Auch ein Aufbrechen von Normen und Stereotypen durch It-Boys wird gerne betont, wenn Harry Styles als erster Mann auf dem Cover der Vogue ist oder Jacob Elordi auf dem Roten Teppich eine Handtasche trägt.

„Harry Styles hat für eine andere Sichtbarkeit von Männlichkeitsperformances gesorgt." Der Autor Fikri Anıl Altıntaş beschäftigt sich mit Männlichkeiten und ihrer Inszenierung. Hier tue sich etwas, allerdings im Kleinen: „Es sind auch baby steps. Und wenn wir von Männlichkeit sprechen, müssen wir über die Politik hinter Männlichkeit sprechen und die ändert sich nicht dadurch. Da braucht es ein bisschen mehr."

Altıntaş zufolge fällt die aktuelle Riege an It-Boys nämlich vor allem dadurch auf, dass sie ziemlich homogen ist: „weiße, cis, hetero, able-bodied Hollywoodschauspieler. Und natürlich wird diesen Personen auch zugesprochen, dass sie sexy sind."

In erster Linie ist der It-Boy ein Produkt der Popkultur, einer Kulturindustrie, die aktuelle Trends und neue Standards schnell verwerten möchte. It-Girls hätten die auf sie gerichtete Blicke genutzt, um kulturelle Relevanz, Respekt und Begehrlichkeit zu schaffen, schreibt der Journalist Tom George – und sieht hier auch einen entscheidenden Unterschied zum It-Boy. Fikri Anıl Altıntaş geht es ähnlich. Während It-Girls gegen misogyne Vorurteile kämpfen müssten,

Altıntaş: „gibt es gerade zum Beispiel bei Harry Styles und bei Timothée Chalamet eine wahrgenommene Progressivität in so einer weißen Männlichkeit, gleichzeitig steckt da aber keine solidarische Praxis dahinter. Das heißt, es gibt kein Aufbrechen von Machtstrukturen, es gibt auch keine Thematisierung davon oder irgendwas. Gerade, wenn in diese ganzen Debatten und Diskurse dann auch eine vermeintliche neue Männlichkeit reinprojiziert wird, würde ich sagen: It’s not happening.“

An It-Boys werden also vielfältige Erwartungen gestellt. Während James Dean oder Robert Mitchum in den 50ern vor allem als „Frauenschwarm“ galten, haben heutige It-Boppys eine größere Zielgruppe: Schwule Männer zum Beispiel werden teilweise gezielt angesprochen – und zwar nicht nur als Fangemeinde der schwulen Musiker Troye Sivan oder Lil Nas X, die durchaus als It-Boys zählen. Fikri Anıl Altıntaş vermisst aber nach wie vor eine weitreichendere Sichtbarkeit für queere und nicht-weiße Männlichkeiten.

Altıntaş: „Für mich liegt in dem Insistieren darauf, dass Weißsein eine Rolle spielt, auch immer die Forderung, dass man nicht vergessen darf, wen man unsichtbar macht und wem man gleichzeitig einerseits eine Progressivität in der Männlichkeit zuschreibt, andererseits aber auch durch die Unsichtbarmachung eine Abwertung erfahren.“

Schwarze Männer und Männer of Colour bleiben demnach unsichtbar, ebenso schwule Männer oder androgyne, weniger binäre Geschlechterbilder. Fortschritte im Männlichkeitsbild werden laut Altıntaş nur bei eh schon privilegierten, weißen, cisgeschlechtlichen, heterosexuellen Männern mit Aufmerksamkeit belohnt.

Altıntaş: „Wir müssen uns da mal angucken: Gibt es da einen intersektionalen Blick oder nicht? Und der passiert in diesen Kontexten gerade von It-Boys eigentlich relativ wenig.“

Heute findet der It-Boy vor allem in den sozialen Medien statt und wird auch dort erschaffen. Umso schneller werden auch die Hypes. An einem Tag geht eine Kerze mit Badewasserduft des Schauspielers Jacob Elordi viral; danach ein Unterwäsche-Fotoshooting von Schauspieler Jeremy Allen White; dann ein Look, den Musiker Harry Styles getragen hat.
Der Journalist Tom George fragt sich, ob die Demokratisierung des Internets das It-Phänomen seiner Fähigkeit beraubt hat, einen Moment zu prägen, ohne dabei viel zu tun, außer einfach da zu sein.
Vielleicht führt also genau die beobachtbare Schnelllebigkeit der aktuellen It-Hypes zu ihrer Irrelevanz. Der It-Boy existiert zwar mittlerweile als Phänomen, dass er jemals den popkulturellen Stellenwert bekannter It-Girls erreichen kann, ist aber unwahrscheinlich.