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Sozialbetrug durch Rumänen? | MDR Aktuell

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07.08.17 | In Magdeburg sorgt das Viertel "Neue Neustadt" seit Wochen für Diskussionen. Ursache ist laut Anwohnern und Stadt, dass sich hier besonders viele Rumänen angesiedelt haben. Die Stadt will die Probleme mit verschiedenen Aktionen in den Griff bekommen. Oberbürgermeister Lutz Trümper will außerdem prüfen, ob Scheinselbstständigkeiten und Sozialbetrug vorliegen. Aber wie groß ist dieses Problem in Sachsen-Anhalt? Die Arbeitsagentur bestätigte uns mehrere Verdachtsfälle.

von Astrid Wulf, MDR AKTUELL

Es ist zum Teil Detektivarbeit. Deshalb gibt es beim Jobcenter im Jerichower Land inzwischen ein extra Team, das nur Rumänen betreut. Insbesondere die rund 300, die überwiegend im vergangenen Jahr in den kleinen Ort Elbe-Parey gezogen sind. Eigentlich hätten sie als EU-Ausländer erst einmal keinen Anspruch auf Hartz IV. Wenn sie aber Jobs oder eine Selbstständigkeit, womit sie wenig verdienen, nachweisen, dürfen sie mit Hartz IV aufstocken. So sieht es das Gesetz vor.

Wenn Vermieter und Chef die gleiche Person sind

Marco Gravert, Chef des Jobcenters im Jerichower Land, spricht von einem hohen Bearbeitungsaufwand, was nicht nur an Sprachbarrieren liege. "Wir behandeln die Rumänen wie jeden anderen Leistungsempfänger bei uns. Wir gehen vorurteilsfrei ran, haben aber in der Bearbeitung festgestellt, dass viele Angaben lückenhaft oder widersprüchlich waren." Als Beispiel nennt Gravert, dass oftmals der Vermieter gleichzeitig der Arbeitgeber sei. Das weckt den Verdacht, dass organisierter Betrug dahinter steckt. Auch, wenn Lohn nur bar gezahlt wird, wird das Jobcenter hellhörig. Es prüft dann genau, ob Arbeitsverhältnisse möglicherweise vorgetäuscht werden, um sich Hartz-IV-Ansprüche zu sichern. Einige Verdachtsfälle hätten sich bereits erhärtet.

Betrug in kleinen Gruppen

Das beschäftigt auch die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Nach ihren Zahlen haben im März rund 400 Rumänen im Land ihren Verdienst mit Hartz IV aufgestockt. Sie alle können auch für ihre Familienmitglieder Unterstützung beantragen.

Die Arbeitsagentur Sachsen-Anhalt/Thüringen bestätigt den Verdacht auf Sozialbetrug. Leiter Kay Senius sagt, die Zahl der Verdachtsfälle bewege sich im unteren dreistelligen Bereich. "Es gibt schon Anhaltspunkte für einen organisierten Leistungsmissbrauch. Es ist aber in Sachsen-Anhalt kein Flächenphänomen, sondern tritt eher punktuell auf - dort aber systematisch." Das betreffe bestimmte Wohnquartiere in Magdeburg und Halle, in denen immer wieder solche Fälle auftreten.

Behörden müssen besser zusammenarbeiten

Steffen Burchhardt, Landrat des Jerichower Landes, will nicht alle Rumänen verurteilen. Er finde es aber wichtig, die Verdachtsfälle zu prüfen. Dafür arbeiten verschiedene Behörden im Landkreis zusammen. Das dürfe aber nicht an den Landesgrenzen enden, sagt er. Denn viele der Rumänen gäben an, außerhalb von Sachsen-Anhalt zu arbeiten. "In unserem Fall sind die meisten angegeben Tätigkeiten im Großraum Berlin-Brandenburg. Da ist es klar, dass wir auch deren Mitarbeit benötigen."

Damit die, die beim Sozialbetrug erwischt werden, nicht einfach in einen anderen Ort oder ein anderes Bundesland weiterziehen und es dort wieder versuchen, fordert der Landrat nicht nur Absprachen mit Zoll, Polizei und Innenministerium, sondern auch eine länderübergreifende Koordination.

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL im Radio: 07.08.2017