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Spätabtreibung: Eine schmerzhafte Entscheidung | MDR Info

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17.02.16 | Ein Kind, dass das Down-Syndrom haben wird und einen schweren Herzfehler, mit dem es nur vielleicht überleben wird: wie ein Paar mit dieser Diagnose umgeht, zeigt der in Leipzig und Halle gedrehte Film "24 Wochen", der gerade bei der Berlinale gezeigt wurde und danach für Furore gesorgt hat. Er zeigt das moralische Dilemma, wenn ein Schwangerschaftsabbruch zur Debatte steht, obwohl das Kind bereits lebensfähig wäre. Eine hochemotionale Entscheidung.

von Astrid Wulf, MDR INFO

Es gibt nur fünf in Sachsen und wenige bundesweit: eine Fachberatungsstelle für Pränataldiagnostik befindet sich beim DRK in Leipzig. Zu Schwangerschaftskonfliktberaterin Cornelia Weller kommen Frauen und Paare, denen eine schwere genetische Erkrankung oder eine körperliche Fehlbildung ihres ungeborenen Kindes vorausgesagt wird. Sie erzählt: "Da sind wenig Leute, die den Paaren zur Verfügung stehen. Auch Freundeskreis und Familie sind oft so emotional betroffen, dass sie oft nicht gut helfen können. Auch anders als beim Mediziner, der hat ne begrenzte Zeit. Ich hab immer so viel Zeit, wie die Paare brauchen."

Die Sozialpädagogin hilft dem Paar, auf Kosten des Landes Sachsen, eine Entscheidung zu treffen und danach damit zu leben. Egal, wie sie ausfällt. Ob mit der Trauer nach einem Abbruch oder mit einem Kind mit Behinderung. Richtig und falsch gibt es dabei nicht. Fakt ist: Während die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche insgesamt stagniert, ist die Zahl der Spätabtreibungen in den letzten Jahren stark gestiegen. Wurden laut Statistischem Bundesamt in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor zehn Jahren lediglich sieben Fälle ab der 23. Schwangerschaftswoche erhoben, haben 2014 95 Frauen in Mitteldeutschland spät abgetrieben. Gezählt wurden hier Fälle ab der 22. Woche. Ein Grund ist aus Wellers Sicht der medizinische Fortschritt - im Laufe der Schwangerschaft könnten heute immer mehr Fehlentwicklungen erkannt werden.

Spätabtreibungen erfolgen als natürliche Geburt

Außerdem haben erst seit 2013 alle werdenden Mütter rechtlichen Anspruch auf ein Organscreening des Fötus ab der 19. Woche. Theoretisch kann die Schwangerschaft bis zum Einsetzen der Wehen, also auch noch in der 40. Woche, abgebrochen werden. Die Gespräche mit Beraterin Weller sind daher sehr intensiv und emotional: "Das sind natürlich Schwangerschaftswochen, die so spät sind, dass die Paare schon eine Bindung zu dem Ungeborenen haben. Und wir reden hier ja auch von einer natürlichen Geburt. Die Eltern erleben und sehen in der Regel ihr Kind auch noch mal."

Ab 500 Gramm Geburtsgewicht gibt es zudem eine Bestattungspflicht. Um die Geburt einzuleiten, werden die Wehen mit Medikamenten ausgelöst. Bei Spätabtreibungen ab der 22. Woche wird zuvor mit einer Spritze der Herzschlag des Kindes gestoppt, weil es ab diesem Zeitpunkt die Geburt überleben könnte. Ob die Abtreibung überhaupt gemacht werden kann, entscheidet aber nicht die Beeinträchtigung des Ungeborenen, sondern der Zustand der Mutter. Dazu muss ein Arzt wie Renaldo Faber vom Zentrum für Pränatale Diagnostik in Leipzig einen entsprechenden Befund ausstellen. Er erklärt seine Rolle so: "Wir sind dazu da, die Gesamtsituation einzuschätzen, ob die Entwicklungsstörung des Kindes, eine Belastung für die soziale Situation und damit auch für die Gesundheit der Mutter ist."
Eltern werden nicht gedrängt

Das kann auch eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte sein. Der Spezialist für Pränatalmedizin, Faber, arbeitet bei der Patientenberatung eng mit Cornelia Weller und der Fachberatungsstelle des DRK zusammen. Weller: "Es wird eine Diagnose gestellt. Dann wird abgewartet, wie das Paar das verarbeitet. Also, wenn das Paar nachfragt, gibt’s da Möglichkeiten, wird auch darauf geantwortet. Aber es wird auch nicht voreilig auf die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs hingewiesen."

Doch die Zahlen sprechen für sich: 90 Prozent der Frauen, deren Kind zum Beispiel das Downsyndrom vorausgesagt wird, treiben ab. Nur wenige Schwangere verzichten bewusst auf die Ultraschall-Untersuchungen. Dass sich noch mehr Paare vor der Feindiagnostik mit den möglichen Fehlentwicklungen des Kindes beschäftigen, würde Schwangerschaftsberaterin Weller sich wünschen.

Auch dazu können sich werdende Mütter übrigens in den vom Land Sachsen finanzierten Fachberatungsstellen informieren.