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Schwerpunkt: Gewalt während der Geburt: #metoo im Kreißsaal

Simone* war 40, als sie mit ihren Zwillingen das erste Mal schwanger war. Ihr Frauenarzt riet ihr, sich an eine Privatklinik zu wenden - "um besser behandelt zu werden". Sechs Wochen vor der Geburt wurde Simone mitgeteilt, dass ihr Kaiserschnitt bereits in einer Woche stattfinden würde. Zu früh, für Simones Empfinden, sie willigte trotzdem ein. Wie sie im Nachhinein von einer Sprechstundenhilfe erfuhr, wollte es ihr Arzt noch "erledigt haben", bevor es für ihn drei Wochen auf Urlaub ging. Simone erzählt, dass der unnötig frühe Kaiserschnitt für sie im Nachhinein besonders traumatisierend war. Zwei Ärzte bestätigten ihr später, dass es dafür medizinisch wohl keinen Grund gegeben hätte.

Am Tag ihres Kaiserschnitttermins lief schließlich wenig wie erhofft. "Die Ärzte haben das erste Baby aus mir herausgerissen - so hat es sich zumindest für mich angefühlt. Ich hörte mein Kind schreien. Immer wieder fragte ich, ob alles ok ist, sie haben sie mir nicht gezeigt. Irgendwann meinte der Arzt: ‚Ach ja, sie wollen es sehen?'. Er hielt sie mir an den Beinen kopfüber über mein Gesicht. Ich konnte sie nicht sehen, das Blut und Fruchtwasser rannten mir in die Augen, in den Mund, in die Nase. Ich habe um ein Tuch gebeten, niemand hat mich abgewischt". Erst Simones Mann kam schließlich und versuchte die Feuchtigkeit mit seiner Hand aus dem Gesicht zu wischen. Als Simone zu weinen anfing, wurden ihr Beruhigungsmittel gespritzt, ungefragt, wie sie betont. Sie sei zu "hysterisch", hörte sie damals die Ärzte sagen.

Zwei Jahre später hat Simone das Erlebte immer noch nicht ganz verarbeitet. Erst Monate später schaffte sie es, eine Therapie zu starten. Noch heute würde sie weinen, wenn sie über das Erlebte spricht. Sie kenne Frauen, die "mehr oder weniger schlimme Erfahrungen gemacht haben". Viele von ihnen könnten nicht darüber sprechen, ohne in Tränen auszubrechen. Und dann, so Simone, bekommt man noch dieses schlechte Gewissen, "man muss ja dankbar dafür sein, dass den Kindern nichts passiert ist".

"Sei doch froh, dass dein Baby gesund ist"

Soziologin Christina Mundlos, die Gewalt im Kreißsaal als eine der ersten mit ihrem Buch "Gewalt unter der Geburt" öffentlich zum Thema machte, kennt diese Denkmuster nur zu gut. Gegenüber der WIENERIN.at erklärt sie, dass Gewalt oft verharmlost werde, nicht selten hieße es hinterher: "Sei doch froh, dass dein Baby gesund ist". Für Mundlos herrscht in der öffentlichen Wahrnehmung von Geburten eine Diskrepanz zwischen dem, was sich viele darunter vorstellen und den tatsächlichen Vorgängen während der Geburt. "Gewalt und Geburt ist etwas, das sich ich in unserer Vorstellung ausschließt. Wir denken, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt, sollten die Wolken aufbrechen, Sonnenstrahlen durchs Fenster fallen und es müsste der schönste Moment im Leben einer Mutter sein. Gebärende sollten wie Königinnen behandelt werden. Leider ist dies nicht immer so. Manche Frauen erleben unnötige Körperverletzungen, brutale, erniedrigende und respektlose Behandlungen. Ihre Körper und Rechte werden mit Füßen getreten und ihr 'Nein' nicht akzeptiert."

Zahlen über das tatsächliche Ausmaß der gewalttätigen Handlungen während der Geburt sind allerdings rar. Auch, weil sich viele Frauen dessen gar nicht bewusst sind. Laut Nora Imlau, Autorin von "Das Geburtsbuch: Vorbereiten - Erleben - Verarbeiten", dürften Schätzungen der UNO-nahen Organisation "Human Rights in Childbirth" zufolge etwa 40 bis 50 Prozent der Frauen von psychischer oder körperlicher Gewalt vor, während oder auch nach der Geburt betroffen sein.

Allein in den letzten Wochen meldeten sich über 50 Frauen bei der WIENERIN.at und berichteten über ihre gewaltvollen und grenzüberschreitenden Erfahrungen während der Geburt. Einige davon sind auszugsweise hier zu lesen: Gewalt im Kreißsaal? Für die Patientenanwaltschaft (bisher) kein Thema

Patientenanwältin Sigrid Pilz rät allen Frauen, die von Gewalterlebnissen während der Geburt berichten, zu ihr zu kommen - drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger sei bei Nachweis eines Behandlungsfehlers eine Entschädigung möglich. Für manche Frauen kann es auch noch viel später wichtig sein, darüber zu sprechen. "Ich gehe jedem Vorwurf nach", verspricht die Patientenanwältin. Die Krankengeschichte, Stellungnahmen des Spitals und alle Einzelheiten werden bei einer Beschwerde genau überprüft.

In der Patientenanwaltschaft selbst sei Gewalt im Kreißsaal bisher jedoch kein Thema gewesen, so Pilz. Sehr wohl berichten Patientinnen aber von respektlosen Äußerungen seitens des Personals, sowie von Kaiser- oder Dammschnitten, bei denen die medizinischen Gründe für die Frauen fraglich zu sein scheinen. "Ich stehe der Debatte über Gewalt bei der Geburt kritisch gegenüber, da Frauen keine Angst vor dieser wichtigen Erfahrung gemacht werden sollte", sagt Pilz. "Die spontane Geburt ist ein 'gewaltiges' Ereignis. Da wird alles, was Geburtshelfer und Hebammen tun, besonders wichtig." Ein sensibler Umgang mit der Gebärenden sei daher Voraussetzung für ein positives Geburtserlebnis - jeder Schritt sollte im Vorhinein abgeklärt werden. "Wenn eine Untersuchung oder Maßnahme Schmerzen verursacht, muss die Frau wissen, warum sie notwendig ist." Pilz mahnt einen differenzierten Umgang mit Sprache ein: "Körperliche oder psychische Gewalt ist etwas Anderes als z.B. unfreundlich angeredet zu werden".

Schwangeren Frauen gibt sie den Tipp, sich im Vorhinein gründlich zu informieren. "Rechtzeitig anmelden, Geburtsvorbereitung machen, eine Hebamme für die Nachbetreuung aussuchen, den Partner bzw. eine Begleitperson mitnehmen, wichtige Fragen vorher klären." Statt Angstmache brauche es Ermutigung, damit sich junge Frauen die Spontangeburt zutrauen, ist Pilz überzeugt.

Geburtsallianz: "Erfahrungsberichte sind nur die Spitze des Eisbergs"

Anders sieht das Sylvia S. Sedlak, Obfrau und Gründerin der " Geburtsallianz", die sich für eine frauenfreundliche und gewaltfreie Geburtshilfe einsetzt. "Diese Erfahrungsberichte sind nur die Spitze des Eisbergs", ist sie überzeugt. "Hier brodelt ganz viel darunter. Es ist erschreckend, wie heftig die Gewalterlebnisse sind und wie viele Frauen es betrifft." Bei ihr melden sich immer wieder betroffene Mütter und Väter, mit verstörenden Geschichten und dem Wunsch, endlich gehört zu werden. Warum so wenige davon zur Patientenanwaltschaft gehen, ist für sie auch klar: "Scham, Schuldgefühle, das Trauma nicht noch einmal durchleben wollen. Und Frauen glauben oft, dass sie nur einige von wenigen sind. Viele wissen auch nicht, dass sie Opfer von Gewalt wurden."

Zeitdruck und fehlendes Einfühlungsvermögen führen laut Sedlak zu schädlichen Routinen und Abgestumpftheit in Krankenhäusern, und das habe gewalttätige Handlungen zur Folge. "Man kann es aber nicht nur aufs System schieben. Jeder einzelne Geburtshelfer, der einer Gebärenden gegenüber unachtsam und respektlos ist, muss die Verantwortung dafür tragen."

Schwangeren rät sie vor allem, sich mit anderen Müttern auszutauschen, die Vorbereitungszeit gut zu nützen und sich über Spitäler oder andere Geburtsorte zu informieren und vorher abzusprechen, was gewünscht ist. "Zum Beispiel noch einmal betonen, dass kein Dammschnitt gemacht wird. Frauen haben danach noch jahrelang Schmerzen, nicht verheilende Narben, Schwierigkeiten beim Sex. Oder etwa auch, dass Blasenkatheter vermeiden werden, wenn es nicht notwendig ist." Besonders empfiehlt sie, einen schriftlichen Geburtsplan zu erstellen und zur Geburt mitzunehmen und auch vorher zu besprechen. Dass es dann trotzdem passieren kann, dass das Personal die Wünsche der Patientin ignoriert, sei dennoch möglich. "Die psychische Manipulation spielt hier eine große Rolle. Sätze wie: 'Wollen's denn Ihr Kind gefährden' oder 'So ein großes Kind können Sie ja gar nicht rauspressen' sind psychisch manipulativ."

Sollte es zu Gewalterlebnissen kommen, gibt es auf der Homepage der Geburtsallianz hilfreiche Links und Tipps für Betroffene. "Man kommt sehr leicht unter die Räder der Krankenhausroutine und wenn man nichts sagt, wird man einfach mitgerissen", so Sedlak. Für Frauen selbst sei es jedoch in der konkreten Situation nicht möglich, zwischen einem medizinisch notwendigen Eingriff und einem, der es nicht ist, zu unterscheiden. "Ich bin angewiesen darauf, dass ich in guten Händen bin. Und mit diesem Vertrauen gehen viele Paare ins Spital, und dann werden sie enttäuscht."

"Und dann hat er sich auf meinen Bauch gelegt und gedrückt"

Gewisse Handlungen seien jedoch immer zu hinterfragen. Eine Praxis, von der einige Frauen in den Zusendungen berichten: das gewaltvolle Öffnen des Muttermundes. Die Obfrau der Geburtsallianz weiß: "Das wird oft vorschnell gemacht und damit argumentiert, dass Frauen unter den starken Wehen sowieso nichts mehr mitkriegen. Da wird die Frau auch schon degradiert". Ähnlich sieht das auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. In ihrem Richtlinienkatalog warnt sie davor, sich strikt an die Erwartung zu halten, dass der Muttermund sich 1cm pro Stunde öffnet. Diese Rate seit für manche Frauen unrealistisch schnell und solle daher nicht für die Identifikation eines "normalen" Geburtsverlaufs herangezogen werden.

Außerdem berichten viele Frauen in ihren Zuschriften vom Vorgang des "Kristellerns" - ein Handgriff, den der Geburtshelfer Samuel Kristeller (1820-1900) 1867 entwickelte, um die Geburt in der letzten Geburtsphase zu beschleunigen. Dabei wird kräftiger Druck auf den oberen Teil der Gebärmutter ausgeübt. Das Problem: die Frauen werden im Vorhinein oft nicht darüber informiert, der Kristeller-Handgriff passiert also plötzlich und unerwartet. Für Sylvia Sedlak ist klar: "Diese Handlung ist gewälttätig und traumatisierend für die Frau. Diese berichten teilweise von vergewaltigungsähnlichen Szenarien. Die Praxis wird in der Patientenakte nicht dokumentiert, und das Personal muss auch keine Begründung dafür abliefern." Dabei ist der Handgriff mit Verletzungsrisiken für Kind und Mutter verbunden, und sollte nur mit größter Sorgfalt eingesetzt werden.

Bettina Zauner berichtet auf ihrem Blog „ Geburt - mein persönlicher Albtraum" von derartigen Vorgängen während ihrer Geburt, die sie erst durch eine Therapie aufarbeiten konnte. "Ich lag seit 26 Stunden in den Wehen und war seit über 43 Stunden wach. Mein Mann wurde aufgefordert, meinen Kopf zu halten und nach oben zu drücken. Links und rechts von mir standen zwei Männer, die sich plötzlich auf meinen Oberkörper schmissen und zeitgleich rammten mir zwei Hebammen meine abgewinkelten Füße Richtung Kopf. Ich schrie den Arzt an und sagte ihm, dass ich nicht mehr kann und sie aufhören sollen, denn sie bringen mich um. Bei jedem weiteren Versuch spürte ich immer wieder, wie mein Kind in mir, mit einer unglaublichen Gewalt, in meinem Bauch nach unten geschoben wurde und unten abprallte und nach oben zurück rutschte". Kurze Zeit später gebar Bettina ihren Sohn. Mehrfach wurde ihr an diesem Tag gesagt, sie solle sich nicht so anstellen, erzählt Bettina auf Anfrage gegenüber WIENERIN.at. "Es hieß, die wenigsten Geburten würden problemlos verlaufen, das fand ich ziemlich erschreckend". Wenn sie mit anderen Müttern über ihre Geburtenerfahrung spricht, habe "Gewalt bei der Geburt" wenig Platz, sie fühle sich sehr oft nicht ernst genommen, berichtet sie.

Zauner glaubt, dass es sich bei dem Vorgang um den "Kristeller"-Handgriff gehandelt haben dürfte. Sicher sagen kann sie es heute aber nicht - der Griff wurde mit keinem Wort im Geburtsbericht des Krankenhauses erwähnt.

Aus geburtshilflicher Sicht wird der Handgriff jedenfalls kritisch gesehen. Auch für die freiberufliche Hebamme Renate Mitterhuber sind grenzüberschreitende Handlungen während der Geburt "kein neues Thema", wie sie sagt. "Es wurde nur die letzten 50 Jahre darüber geschwiegen." Denn: "Ein gesundes Kind ist der Preis für alles."

Hebamme: "War fassungslos, wie mit Frauen umgegangen wurde"

Die heute 59-Jährige hat als junge Hebamme den Klinikalltag kennengelernt. Eine Erfahrung, die sie schockierte: "Ich war fassungslos, wie mit den Frauen umgegangen wurde", erinnert sie sich. "Ich habe miterlebt, wie Frauen psychisch und physisch fertig gemacht wurden. In meiner Ausbildung wurden Frauen sogar noch geohrfeigt und geschlagen." Als junge, engagierte Hebamme war es für sie unerträglich, das mitansehen zu müssen. "Ich habe erlebt, wie sich Ärzte bei Frauen auf den Bauch gekniet haben." Sie hat damals versucht, die Frauen wieder aufzubauen, nachdem Kolleginnen sie demoralisiert hatten. Doch nach dem Feedback der Frauen sei nichts weiter passiert: "Beschwerden wurden in eine Mappe gelegt, und es hatte keine Konsequenzen."

Laut Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) gab es im Zeitraum vom Jänner 2017 bis dato lediglich zehn Beschwerden über geburtshilfliche Abteilungen. Keine der Beschwerden stand jedoch im Zusammenhang mit Gewalterfahrungen im Kreißsaal. Das ist allein deswegen erstaunlich, da allein im vergangenen Jahr an den sieben geburtshilflichen Abteilungen des KAV über 11.000 Frauen entbunden haben. Auch Simone*, Isabella* und Bettina, die in diesem Artikel zitiert werden, haben sich gegen eine Beschwerde an die Krankenhäuser entschieden. Der Grund: ihnen ist erst spät bewusst geworden, dass ihnen Gewalt widerfahren ist - das Risiko einer Re-Traumatisierung war hoch, und das Wissen über das richtige Prozedere nicht vorhanden.

"Die Vorstellungen über eine ideale Geburt gehen auseinander"

"Die Geburtshilfe so ,natürlich wie möglich, aber so sicher wie nötig' zu betreiben, ist oberstes Gebot. Das Anliegen, unnötige Eingriffe und Interventionen während des Geburtsvorganges zu vermeiden, können wir nur unterstreichen", heißt es seitens der Pressestelle des KAV. Dennoch wird auch betont: "Die Vorstellungen über eine ideale Geburt gehen weit auseinander." Geburten seien nicht planbar und "es kommt auch in sehr gut organisierten geburtshilflichen Abteilungen immer wieder zu Spitzenzeiten mit einem großen Andrang an zu betreuenden Gebärenden."

Für Sylvia Sedlak ist klar: "Es muss eine gute und entspannte Geburtsatmosphäre für Frauen geschaffen werden, damit sie ohne Komplikationen gebären können. Der Großteil der Komplikationen entsteht erst durch die Krankenhausroutine, durch das Umfeld, durch diese sterile Umgebung, durch das unpersönliche Verhalten des Personals. Die Grundbedürfnisse einer Frau bei der Geburt sind: Unbeobachtetheit, Ungestörtheit und emotionale Zuwendung."

Frauen kommen unter die Räder des Krankenhaussystems

Laut Hebamme Renate Mitterhuber sind die Arbeitsbedingungen sicherlich mit ein Grund für grenzüberschreitendes Verhalten. "Wenn eine Hebamme drei Frauen gleichzeitig betreuen muss, bleibt kaum Zeit, Frauen zu informieren und zu betreuen. Geschweige denn die eigene Arbeit später zu reflektieren." Mitterhuber ist überzeugt, dass sich erst etwas ändert, wenn viele Frauen darüber sprechen - und wenn sich auch in den Krankenhäusern endlich etwas tut. "Evaluierung ist zentral. Jede Frau sollte nach der Geburt einen Fragebogen zugeschickt bekommen - und die Antworten müssen ernst genommen werden."

Laura Horvath, Geschäftsführerin des Verbands der Privatkrankenanstalten Österreichs, erklärt gegenüber WIENERIN.at, dass die Schuldfrage grundsätzlich "kritisch zu betrachten" sei - räumt aber ein, dass Hürden durch das System oft nicht zu bewältigen wären. "Der immer kleiner werdende Personalschlüssel und der dadurch entstehende höhere Zeitdruck, die vermehrte Schließung von Geburtsstationen sowie die zu geringe Anzahl an Hebammenausbildungsplätzen seien nur als Beispiele erwähnt. Hebammen und Schwestern der Wöchnerinnenstation müssen im öffentlichen Spital oft zu viele Frauen gleichzeitig betreuen, worunter die so wichtige Beziehung zwischen den Hauptakteurinnen bei diesem besonderen Ereignis leidet".

Seit 15 Jahren bietet die Hebamme Renate Mitterhuber auch Fortbildungen für Krankenhauspersonal an - ein Thema sind Gewalterfahrungen während der Geburt. "Was als Gewalt definiert wird, ist von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich. Ganz vieles wird nicht als Grenzüberschreitung wahrgenommen, weil es Klinikroutine ist." Sie erlebt auch, dass junge Hebammenstudentinnen sehr wohl Grenzüberschreitungen erkennen und kritisieren, doch sie müssten "mitspielen", um sich anzupassen. Auch Hausgeburtshebamme Margarete Wana sagt: "Als Studentin war es am schlimmsten, da steht man oft daneben und ist Zeugin von Gewalttaten, gegen die man nicht viel tun kann. Später, als Hebamme, konnte ich mich wenigstens zwischen Frau und ÄrztIn bzw. zwischen Frau und Hebamme stellen, was mich dann meist den Vertrag mit den Spital gekostet hat."

Die Sensibilisierung des Personals wäre dringend notwendig, die dafür angebotenen Seminare seien jedoch leer, ist auch Sedlak überzeugt. "Junges Krankenhauspersonal, das frisch ins System hineinkommt, sieht oft, das etwas falsch läuft - wagt es aber nicht, etwas zu sagen, weil sie müssten ja den Oberarzt auf Fehler hinweisen. Das heißt: Fehlerkultur ist inexistent."

>> Weiterlesen auf Seite 2: "Wie viel müssen Frauen "aushalten"?"
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