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Aufstand der Boten

Der Lieferservice Foodora gilt als Beispiel für die "Gig-Economy": Mit ihrer Firma sind die Fahrer nur über das Handy verbunden, ihren Kollegen begegnen sie selten. Umso erstaunlicher, dass sich nun in Hamburg ein Betriebsrat gründet – kann der Kampf um mehr Mitbestimmung gelingen? Und wie schlimm sind die Arbeitsbedingungen wirklich?

Die App ist pünktlich, fast auf die Minute genau. Es ist kurz nach halb zwölf, als die erste Nachricht auf Jims Smartphone aufploppt, ein knapper Hinweis, der den Fahrradkurier zum nächsten Standort dirigiert: Eine McDonald’s-Filiale, ein Kilometer entfernt. Es ist ein heißer Tag, die Mittagssonne brennt vom Himmel. Jim steht im Schatten vorm Eingang des U-Bahnhofs Mundsburg, mit der einen Hand hält er den Lenker seines rosa Fixie-Bikes, in der anderen liegt sein Smartphone. Ein letzter Blick aufs Display: Ein Navigationsdienst gibt den Weg vor, den Jim nun fahren muss. Das ist wichtig, denn in diesem Teil von Foodora-Hamburg, dem „Liefergebiet Ost“, kennt er sich nicht so gut aus, meistens ist er im Westen der Stadt unterwegs. Hier aber sind die Strecken länger, die Straßen breiter – und die Schichten entspannter, angeblich. „Hab ich von Kollegen gehört“,sagt Jim, als er den Gurt seines Fahrradhelms festzurrt, „die Leute bestellen weniger. Bei dem Wetter ja sowieso.

Jim Steffen ist 25 Jahre alt, Germanistikstudent und fährt seit eineinhalb Jahren Essen für den Lieferdienst Foodora aus. Er wirkt auf den ersten Blick ganz so, wie man sich einen Fahrradkurier eben vorstellt: Jung, sportlich, unkompliziert. Als 450-Euro-Jobber finanziert er sich sein Studium durch den Job.

Fürs Reden bleibt jetzt keine Zeit mehr, die Kunden warten. Und die App registriert jede Sekunde, die vergeht. Jim schwingt sich aufs Rad und fährt los. Mit seiner pinkfarbenen Arbeitskluft und der wuchtigen Thermo-Box auf dem Rücken sticht der Kurier wie ein bunter Farbklecks aus dem Asphaltgrau der Straßen heraus. Doch schräge Blicke zieht er nicht auf sich, warum auch: Der Anblick der Radler mit den klobigen pinken Rucksäcken ist im Hamburger Stadtbild längst zur Gewohnheit geworden. „Nur Touristen gucken manchmal komisch, die bleiben sogar stehen und machen Fotos“, sagt Jim.
Der Erfolg der Lieferdienste ist ein urbanes Phänomen, allein in Hamburg sind rund 200 Kuriere für Foodora unterwegs, in ganz Deutschland sind es mittlerweile 2.600 Fahrer in 34 Städten. Besondere Qualifikationen werden für den Job nicht verlangt. Doch ihre Arbeitsausrüstung bringen die Kuriere selbst mit: ein Fahrrad, ein Smartphone, inklusive Datenvolumen für die App.