2 subscriptions and 4 subscribers
Article

Kleinere Kuchenstücke

Ende September haben Wissenschaft und Politik über die Exzellenzcluster entschieden. Die neue Forschungsministerin Anja Karliczek drückte weit mehr Cluster durch als von den Wissenschaftlern vorgesehen war. Jetzt werden die für sieben Jahre vorgesehenen 2,7 Milliarden Euro durch 57 geteilt werden müssen.

Dieser Text ist in der Ausgabe 10/2018 der Deutschen Universitätszeitung erschienen.

Dass mehrere tausende Zuschauer an ihren Lippen hängen, das passiert auch einer Bundesforschungsministerin nicht allzu häufig. Als Anja Karliczek (CDU) am 27. September im Wissenschaftszentrum in Bonn um Viertel nach Vier vor die Presse trat, schnellte die Zahl der Zuschauer auf youtube, wo die Veranstaltung live gestreamt wurde, auf mehr als achttausend hoch. Im Vergleich zu der Übertragung von einem Fußballspiel ist diese Zahl lächerlich gering, aber es ging eben auch nicht um Fußball, sondern um Forschungsförderung.
So respektlos es klingt: Ihren Auftritt hätte sich Ministerin Karliczek trotzdem sparen können. Als sie nach ein paar einleitenden Worten ankündigte, nun sei die Liste der siebenundfünfzig geförderten Cluster auf den Seiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) online verfügbar, war es denn auch schon vorbei mit der Aufmerksamkeit. Die Zahl der Zuschauer purzelte auf läppische zweitausend und fraglich ist, ob diese die Ausführungen der Ministerin überhaupt noch weiterverfolgten. Kurzum: Es ging allen weniger um die Rede der Ministerin als um die alles entscheidende Liste.  
Siebenundfünfzig Cluster – das sind deutlich mehr als die angekündigten fünfundvierzig bis fünfzig, was bereits zu Unmut führte. Karliczek hatte die zusätzlichen Cluster, die allesamt an Universitäten von unionsgeführten Ländern angesiedelt sind, im allerletzten Augenblick durchgedrückt. Für alle Cluster heißt das nun aber auch, dass für jeden das Stück des Kuchens kleiner wird. In den kommenden sieben Jahren fließen insgesamt 2,7 Milliarden Euro, die zu fünfundsiebzig Prozent vom Bund und zu fünfundzwanzig Prozent vom jeweiligen Cluster-Bundesland kommen, an vierunddreißig Universitäten. Darunter sind siebzehn Universitäten und zwei Universitätsverbünde, die die Voraussetzungen erfüllen, sich im Dezember um den Titel der Exzellenzuniversität bewerben zu dürfen. Der Titel geht nicht nur mit Prestige, sondern noch einmal mit einem weiteren Geldsegen einher. Für die Förderlinie Exzellenzuniversitäten werden noch einmal jährlich rund jährlich rund 148 Mio. € zur Verfügung gestellt. Nach Bekanntgabe der Ergebnisse machte jeder sich daran, Erkenntnisse für die Zukunft der eigenen Universität ableiten zu wollen: Wer hatte die schlaueste Strategie? Hat sich eine Verbundbewerbung ausgezahlt? Wurden kleine Universitäten benachteiligt? Wie stehen die Geisteswissenschaften da? An dieser Stelle lohnt der Blick auf Fallbeispiele.

Schulterschluss mit der Politik
Universität Hamburg: Sie sieht sich als eine Gewinnerin. Schon seit Jahren macht ihr Präsident, Prof. Dr. Dieter Lenzen, keinen Hehl aus seinen Ambitionen, den Exzellenztitel für seine Uni einwerben zu wollen. Er ist dieses Projekt in Etappen angegangen, hat vom Wissenschaftsrat (WR) erst die Mint-Fächer, dann die Geisteswissenschaften begutachten lassen. Für letztere fiel das Gutachten zwar eher mittelmäßig aus, allerdings lag dies weniger an den Disziplinen selbst als daran, dass der WR eine für alle Hochschulmitglieder nachvollziehbare gesamtstrategische Ausrichtung bemängelt hatte (duz MAGAZIN 04/2017, S. 10-11). Doch Präsident Lenzen zeigte sich damals, Anfang 2017, gegenüber der duz weiter optimistisch: „Wenn wir die Anregungen umsetzen, gehen wir davon aus, dass unsere Chancen beim Wissenschaftsrat, der in zwei Jahren auch die Bewertung der Exzellenzinitiative vornimmt, nicht schlecht sein müssen.“
Mit Katharina Fegebank (Grüne), die seit 2015 Wissenschaftssenatorin in Hamburg ist, weiß er eine Unterstützerin an seiner Seite. In den Wochen vor der Clusterentscheidung reiste Fegebank mit Vertretern der Hamburger Hochschulen in die Vereinigten Staaten und machte auf der Tagung des German Academic International Networks, an der Harvard University und am Massachusetts Institute of Technology Werbung für den Wissenschaftsstandort Hamburg. Nun glaubt sich die Universität bestätigt in ihrer Strategie: Von ihren fünf eingereichten Antragsskizzen schafften es vier bis ins Finale. Hamburg kann nun mit rund 160 Millionen Euro Fördergeldern rechnen und hat Chancen auf den Exzellenztitel.

Partner außerhalb der Region
Universität Würzburg: Die Ausgangslage war nicht überragend – eine mittelgroße Universität und keine außeruniversitären Partner in der Region. „Wir haben einfach nicht in allen Forschungsbereichen die kritische Masse, um einen Cluster alleine zu stemmen“, sagt Dr. Dagmar Eberle vom Research Advancement Center.
Doch die Würzburger wussten sich zu helfen: „Die Imboden-Kommission hat explizit dazu aufgefordert, das ganze Potenzial der deutschen Forschungslandschaft auszuschöpfen, das haben wir uns zu Herzen genommen“, sagt Prof. Dr. Ralph Claessen, Sprecher des Clusters „Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien“. Der Cluster hat es bis in die Endrunde geschafft. Und so steht Würzburg jetzt als die einzige Uni da, die Anträge gemeinsam mit Universitäten außerhalb des eigenen Bundeslandes gestellt hat. „Sowohl inhaltlich als auch aufgrund von bereits bestehenden wissenschaftlichen Kooperationen ist die Universität Dresden für uns der ideale Partner“, sagt Claessen.
Das Konzept ging für die Würzburger zumindest in Teilen auf: Mit drei Anträgen ist die fränkische Universität in die letzte Runde gekommen, einer hat es geschafft. Das mag vielleicht nicht gerade nach dem großen Erfolg klingen, aber immerhin ist es der Uni Würzburg gelungen, trotz ihrer mittlerer Größe und trotz fehlender regionaler Kooperationspartner, im Rennen zu bleiben. Gleichwohl ist Claessen ein bisschen mulmig zumute: „Wir freuen uns über die neuen Möglichkeiten, die sich uns nun durch die Förderung eröffnen. Dieser Erfolg führt aber auch dazu, dass ich als Sprecher in der nächsten Zeit eher Manager als Forscher sein werde.“

Verbündlereien
Ruhr, Hannover, Berlin: Mit viel Skepsis wurden die regionalen Verbundbewerbungen beäugt, die erstmals in dieser nunmehr dritten Exzellenzrunde erlaubt sind. Wer bewirbt sich und wie? Drei Verbünde haben es gewagt, zwei haben es geschafft.
Die Ruhr-Universität Bochum, Technische Universität Dortmund und Universität Duisburg-Essen vermarkten sich schon seit 2007 gemeinsam über die Universitätsallianz Ruhr, haben gemeinsame Fellowship-Programme und gemeinsame Auslandsbüros. Gescheitert ist der Verbund trotzdem, schon in der ersten Runde. Von den sieben eingereichten Clusterskizzen schafften es nur zwei bis zur Förderung, drei wären notwendig gewesen. „Das ist schade. Uns wäre die Möglichkeit einer Verbundbewerbung sicherlich entgegengekommen, weil wir ja auch schon lange und gut zusammenarbeiten”, sagt Dr. Hans Stallmann, der für die Universitätsallianz zuständig ist.
Hingegen haben die Medizinische Hochschule Hannover und die Universität Hannover mit insgesamt vier bewilligten Clustern die Hürde gemeistert und dürfen sich nun um dem Exzellenztitel bewerben. Der Verbund ist nicht verwunderlich, da die beiden Institutionen schon lange kooperieren, ohne dies allerdings bislang vermarket zu haben – wie die drei gescheiterten Universitäten aus dem Ruhrgebiet; was im Vergleich demnach schon ein bisschen verwundert.
Für Beachtung sorgte die Ankündigung der drei Berliner Universitäten, Freien Universität (FU), Humboldt-Universität, Technischen Universität, im Verbund antreten zu wollen. Wobei, so heißt es, von „wollen“ nicht die Rede sein könne, eher von einem übergestülpten politischen Willen. 3,5 Millionen Euro hat der Senat für die Bewerbung zu Verfügung gestellt. Zum Vergleich: Greifswald und Rostock haben je 100 000 Euro von ihrem Land bekommen.
Und nun tritt Berlin deutlich als einer der Clustergewinner hervor: Neun ihrer 16 Anträge haben die Berliner in die zweite Runde gehievt und sieben werden jetzt gefördert, was den Unis die beachtliche Summe von rund 320 Millionen Euro einbringt. Trotz der Euphorie wirkt der Verbund nach außen hin blass, bestückt allein mit dürftigen Informationen auf einer faden Homepage. Selbst auf Nachfrage zu den Verbundstrukturen gibt sich der FU-Sprecher schmallippig: „Die Berlin University Alliance wird gelebt, und das wird natürlich auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv und engagiert getragen und vorangebracht.“
Mit Skepsis betrachtet der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Hornbostel den Verbund: „Das könnte sich als eine Zwickmühle entpuppen. Schließlich hieß es bisher immer, die Hochschulen sollten ein eigenes Profil entwickeln, das könnte aber hinderlich sein für Kooperationen.“

Risiko Geisteswissenschaften
 Universität Frankfurt: Sie ist eine der großen Verlierer der Exzellenzstrategie. Mit acht  Skizzen ist sie angetreten, nur ein geförderter Cluster ist übrig geblieben; vor allem am Ausscheiden der „Normativen Ordnungen“ hat die Uni noch zu knapsen. Der international renommierte Cluster ist in den ersten beiden Runden der Exzellenzinitiative gefördert worden, hat ein schönes Gebäude auf dem neuen Campus Westend bekommen, zehn Professuren eingerichtet und fast jedes Jahr einen Leibniz-Preisträger hervorgebracht. Er hat es dennoch nicht einmal in die Vollantragsrunde geschafft. Seinem Sprecher, dem Philosophen Prof. Dr. Rainer Forst bleiben allein Mutmaßungen über die Hintergründe der Ablehnung. „In den Geisteswissenschaften gibt es Paradigmenkonflikte, die es in den Naturwissenschaften nicht gibt.“ Er hält es für möglich, dass die Gutachter in dem Frankfurter Ansatz die Sprache einer „Schule“ zu erkennen glaubten, die sie kritisch betrachten.

Wer hat, dem wird gegeben
Da die Gutachten nicht einsehbar sind, ist nicht nachvollziehbar, wie die Entscheidungen für und gegen die einzelnen Cluster gefällt wurden. Es bleibt bei allen Strategieanalysen selbst jetzt im Rückblick ein Orakeln. Die Entscheidungen werden auch den Experten nicht leicht gefallen sein, da die Qualität der Anträge insgesamt sehr hoch war. Das betont zumindest DFG-Präsident, Prof. Dr. Peter Strohschneider, am Tag der Verkündung.
In Großbritannien sei das Problem der schwierigen Entscheidungsfindung ebenfalls bekannt, berichtet Stefan Hornbostel. So habe sich gezeigt, dass im Research Excellence Framework, dem dortigen universitären Evaluationssystem, die Notenspreizung im Lauf der Jahre immer weiter abgenommen hatte zugunsten immer besser bewerteter Universitäten. „Ob bessere Leistungen oder professionalisierter Umgang bei der Berichterstattung dazu geführt haben, ist schwer zu sagen”, wägt Hornbostel ab.
Hierzulande auffällig ist, dass rund die Hälfte aller Clusterbewerbungen an alte Clusterprojekte oder Graduiertenschulen anknüpfen und bloß sechs Universitäten einen neuen Antrag durchbekommen haben. Das gibt einen Hinweis darauf, dass die Cluster der vorigen Exzellenzinitiativen es tatsächlich geschafft haben, sich Vorteile herauszuarbeiten.
Schon 2016 arbeitete Hornbostel in einer bibliometrischen Untersuchung heraus, dass überdurchschnittlich viele Publikationen aus den Exzellenzclustern zu den weltweit höchstzitierten Veröffentlichungen zählen. Kritisch sieht er die Clusterförderung dennoch: „Die Cluster arbeiten qualitativ auf ähnlichem Niveau wie Max-Planck-Institute. Die Strukturen an der Uni haben sich dadurch aber insofern verändert, als die Cluster autonome Strukturen mit eigener Governance entwickeln. Da besteht durchaus die Gefahr einer Hochschule in der Hochschule.“
Nach sieben Jahren wird weiterhin jedes Cluster evaluiert; das impliziert, dass die Förderung eingestellt werden könnte. Was das bedeutet, lässt sich derzeit in Frankfurt beobachten. Forst hat gerade einen Ruf an ein renommiertes amerikanisches Institut abgelehnt, weil er, wie er sagt, an seinen Cluster glaubt, sich jetzt allerdings um dessen Weiterfinanzierung kümmern muss. Er bemüht sich um andere Förderformate und Stiftungen und hebt die Unterstützung des Landes Hessen hervor. „Wir haben eine feste Zusage für das nächste Jahr und zuverlässige Planungen für danach; das Land nimmt es mit der Nachhaltigkeit ernst. Ich bin optimistisch, dass wir das schaffen.“ 

Annick Eimer
ist Journalistin in Hamburg.