"Warum wollen Sie in eine Führungsposition?"
"Weil ich Entscheidungen treffen will."
"Ihre Generation Y mag keine Hierarchien, sagt die Forschung. Finden Sie Hierarchien gut?"
"Nein."
"Ich auch nicht, außer ich bin oben und kann über sie entscheiden."
Schweigen. Konstantin knibbelt an seinen Fingern. Was soll er dazu sagen?
Auswahltag an der privaten Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Konstantin ist einer von rund 60 jungen Menschen, die sich hier am Bodensee um einen Studienplatz bewerben. Er hatte geahnt, dass der Tag kein gewöhnlicher sein würde. Einige Bewerbungsschritte hatte er schon hinter sich. So musste er sich über Fragen wie diese in einem Online-Fragebogen den Kopf zerbrechen: "Gibt es einen größeren Irrtum als die Annahme, die Erde sei eine Scheibe?"
Was soll man darauf antworten?
Am Tag vor dem Gespräch hat Konstantin mit dem Uni-Präsidenten und anderen Bewerben über die angeblich überangepasste Generation diskutiert, zu der er gehört. Heute Morgen sollte er mit seinen Mitbewerbern in einem Seniorenheim ein Konzept entwickeln, um für das Heim ehrenamtliche Unterstützer zu finden. Budget? Null Euro. Zwei Stunden hatten Konstantin und die anderen Bewerber Zeit. Zwei Stunden, um ein Konzept zu entwickeln, an dem vermutlich selbst manch ein Werbeprofi verzweifelt wäre.
Konstantin ist jung, Schüler, er hat noch nicht einmal sein Abitur. Und jetzt soll er diese Prüfungen meistern, die darüber entscheiden, ob er den Studienplatz seiner Wahl bekommt. Immer tiefer rutscht er in die Ecke des großen Ledersofas im Büro des Uni-Präsidenten Stephan Jansen, der berüchtigt ist für seine unkonventionelle Gesprächsführung. Heute läuft Jansen zur Höchstform auf.
"Sind Sie eigentlich ein Nerd?"
"Früher war ich einer, heute bin ich eigentlich ganz normal."
"Das ist schade. Wir mögen ja eher Verhaltensauffällige."
Konstantin lacht nervös. Jansen zieht die Augenbrauen zusammen und lehnt sich in seinem Sessel zurück. Dann redet er einfach weiter. Das macht er immer so, wenn sein Gegenüber nicht Paroli bietet.
Beliebte Uni - trotz hoher Studiengebühren
Sympathisch wirkt das nicht - trotzdem scheint keiner der Bewerber Präsident Jansen diese Kreuzverhöre übel zu nehmen. Hinterher wollen die meisten erst recht hierher. Viele Studenten rümpfen die Nase, sobald sie "Privatuni" hören - Elite, Mamasöhnchen, gekauftes Studium - trotzdem ist die Zeppelin Universität beliebt. Hunderte Bewerbungen erreichen sie jedes Jahr, nach eigenen Angaben zumindest. Obwohl die Zeppelin Uni von ihren Studenten rund 3500 Euro jedes Semester verlangt. Obwohl Friedrichshafen nicht Berlin, Hamburg oder München ist, sondern eine verschlafene Kleinstadt kurz vor den Alpen.
Wo eben noch Konstantin saß, sitzt jetzt Sarah, sie hat ihr Studium an einer anderen Uni abgebrochen.
"Sie haben auf Lehramt studiert. Warum?"
"Weil ich gerne in die Schule gegangen bin. Und weil ich Deutsch und Französisch mochte."
"Verstehe, ein bekanntes Berufsfeld. Lehramt, das ist Rudis Resterampe für Unentschiedene."
"Das können Sie so nicht sagen, Herr Jansen!"
"Dass Sie unentschlossen waren? Kann ich doch. Sie bewerben sich doch bei uns. Lehramt ist Rudis Resterampe. Unentschiedene studieren wirklich gern auf Lehramt, oder noch schlimmer: BWL."
Sarah sagt nichts. Jansen grinst. Die Bewerber sollen ruhig denken, dass er ein komischer Kauz ist. Im Anderssein liegt schließlich das Kapital der Zeppelin Universität. Hier studiert man anders, denkt man anders und stellt man andere Fragen - so zumindest der eigene Anspruch. Das zu vermitteln, ist Jansens Kalkül.
Schwierige Auswahlverfahren steigern die Motivation
Am Auswahltag geht es darum, die am besten geeigneten Kandidaten herauszufiltern. Aber darüber hinaus erfüllt er einen zweiten, mindestens ebenso wichtigen Zweck: "Wir bewerben uns bei den Studierenden", sagt Jansen. "Als Privatuniversität müssen wir uns vermarkten."
Die Auswahltage lässt sich die Uni einiges kosten, vor allem Zeit. Fast alle Professoren und Mitarbeiter sind im Einsatz. Sie stellen die Bewerber vor eine harte Prüfung - auch das gehört zur Strategie.
Warum? Der Psychologe Benedikt Hell, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz, hat in mehreren Studien die Verfahren und Tests untersucht, die Hochschulen nutzen, um ihre Studenten auszuwählen. Er sagt: "Schwierige Auswahlverfahren machen ein Studium attraktiv." Sie steigerten zudem die Motivation: "Wer sich auserwählt fühlt, identifiziert sich stärker mit der Hochschule."
Auch staatliche Hochschulen könnten zu solchen Gesprächen einladen, 60 Prozent ihrer Studenten dürfen sie seit 2004 selbst auswählen. Die meisten Auswahlverfahren muten jedoch eher altbacken und bieder an - wenn es überhaupt solche gibt. Lieber lassen viele Unis weiterhin die Abiturnote entscheiden, wer einen Platz bekommt.
Manchmal gibt es Online-Selbsttests, durch die Bewerber erfahren sollen, ob das Studium überhaupt zu ihnen passt. Das persönliche Gespräch mit den zukünftigen Studenten aber scheinen die Dozenten weitestgehend zu scheuen - vielleicht fehlt auch schlicht die Zeit. "Wie jemand sein Studium meistert, kann man damit nicht herausfinden", sagt Psychologieprofessor Hell. Wohl aber, wie es um die sozialen Kompetenzen steht und um die berufliche Eignung.
"Ein bisschen Verhaltensauffälligkeit ist gut"
In Friedrichshafen hat Uni-Präsident Jansen nun einen neuen Gesprächspartner. Max, ein brav aussehender Junge mit Pulli und Hornbrille, will gerade einen Gedanken formulieren, da unterbricht Jansen ihn: "Aha, das haben Sie sich bestimmt beim Rauchen eines Joints überlegt, so durchgeraucht wie das klingt? Nein, den haben Sie natürlich nie geraucht. Entschuldigung."
Nicht alle Gespräche an diesem Tag laufen so ab. Jedem Prüfer ist überlassen, welche Form des Interviews er wählt. Jansen hat sich für die "Überraschungen" und "Störungen" entschieden. "So ist ja das Leben - dauernd gestört durch überraschendes Nicht-Wissen", sagt er. "Inszenierte Lebensläufe und Theater-AG-Erfahrung aus der elften Klasse kennen wir zu Genüge." Und er fügt hinzu: "Haben Sie gesehen, wie brav Max seine Hände auf die Knie gelegt hat, als ich ihm unterstellt habe, dass er kifft?" Etwas zu brav für Jansen vielleicht. "Ein bisschen Verhaltensauffälligkeit ist gut", sagt Jansen.
Sarah landet nach diesem Tag auf der Nachrückerliste, Max und Konstantin bekommen einen Studienplatz angeboten und sagen zu. Damit allerdings verhalten sie sich ganz und gar nicht auffällig: Kaum einer, der hier eine Zusage bekommt, entscheidet sich für eine andere Uni.
UND WIE VIEL WISSEN SIE?
Ein weiteres Auswahlverfahren der besonderen Art ist der "Triathlon des Wissens" der Henri-Nannen-Schule:
Der Bildertest fragt nach 30 mehr oder minder bekannten Prominente, der Wissenstest besteht aus 52 Allgemeinwissensfragen.
DIE AUTORIN
Annick Eimer ist freie Journalistin in Hamburg und nahm zuletzt im Oktober als Mitglied der Auswahlkommission an Jurysitzungen der Zeppelin University teil. In einem Zweier-Team mit Uni-Chef Stephan Jansen löcherte sie die Bewerber - und hat hier ihre Erfahrungen aufgeschrieben.