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Amazon: Der manipulative Gigant

Vor 20 Jahren hat Amazon sein erstes Buch ausgeliefert. Seither hat sich viel getan. Denn der Konzern manipuliert.


Wie passend. Das erste Buch, das Amazon am 16. Juli 1995 ausgeliefert hat, war ein Buch über das Denken. Seither haben viele Buchhändler darüber nachdenken müssen, wie sie trotz des US-Giganten noch Kunden in ihre Geschäfte locken können. Auch andere Handelssegmente stehen zunehmend unter Druck - seit Amazon eigentlich so ziemlich alles verkauft. Und nicht zuletzt der Kunde selbst denkt um. Statt wie bisher in die Geschäfte der Innenstadt zu gehen, klicken immer mehr Nutzer den US-Versandhändler an. "Amazon beeinflusst die Konsumenten - etwa durch die Sortierung", sagt Bernadette Kamleitner, Konsumentenpsychologin der Wirtschaftsuni Wien. Die Sortierung sei automatisch auf "Beste Ergebnisse" eingestellt. Was Amazon als beste Ergebnisse definiert, ist unklar. Die ersten Suchergebnisse bilden im Kopf der Kunden aber einen Anker, an dem andere Produkte gemessen werden. "Wenn die ersten Kameras bei 300 Euro starten, dann kann die um 100 Euro nicht gut sein." Es gebe aber die Möglichkeit, nach Preis, Neuheit oder Kundenbewertungen zu sortieren. Die Bewertungen seien oft der Grund, warum die Entscheidung auf ein Produkt falle: "Die Konsumenten vertrauen dem Urteil anderer Käufer mehr als der Artikelbeschreibung", sagt Kamleitner.

Amazon hat 2013 Bestellungen im Wert von 343 Millionen Euro nach Österreich versandt und ist damit die klare Nummer eins im Onlinehandel. "Amazon hat es geschafft, dass die Kunden ihm vertrauen", sagt Wolfgang Mayerhofer, Professor an der WU Wien. Die Produkte zahlen die Kunden meist mit ihrer Kreditkarte, Sicherheit sei den Konsumenten am wichtigsten. "Ich habe noch nie gehört, dass Amazon falsch abgebucht hätte."


Amazon vergisst nicht

Einmal das Lieblingsbuch angeklickt, schon verfolgt es einen tagelang im Internet. Wenn das Produkt dann doch im Einkaufswagen landet, empfiehlt einem Amazon weitere passende Produkte. Selbst Monate nachdem der Nutzer einen Artikel gesucht hat, lächelt er ihn wieder an, wenn er die Website anklickt. Amazon vergisst also nicht. Wie kann man dem Konzern vertrauen? Weil es praktisch ist. "Die Grenze zwischen Manipulation und perfektem Service ist sehr fließend", sagt Konsumentenpsychologin Kamleitner. Amazon versuche zu verstehen, was der Kunde brauche - und welchem Produkt er nicht widerstehen könne. Das entspricht dem Zeitgeist: "Wir wollen alles möglichst bequem."

Amazon listet etwa Preise auf, das spart Zeit. "Wenn jemand offline alle Schreibwarengeschäfte vergleichen würde, müsste er sich zwei Tage freinehmen", sagt Stefan Göweil, Marktbeobachter bei der Arbeiterkammer Salzburg. Sein Rat: "Preise vergleichen. Nur weil es auf Amazon ist, heißt es nicht, dass es günstig ist." Je nach Wochentag können sich die Preise ändern, am Wochenende sollen die Produkte tendenziell teurer sein. Zudem soll der Onlineshopper auf die Versandkosten achten.


Ein Trend gegen Online-Shopping

Das Konzept von Amazon funktioniert. Dennoch gibt es einen Trend gegen Onlineshopping, der "research online, purchase offline" heißt. Die Nutzer informieren sich im Internet über die Produkte. Doch sie kaufen in einem Geschäft: "Sie wollen das Produkt angreifen, probieren, die Farbe im Tageslicht sehen", sagt Mayerhofer von der WU Wien. Bei Unterhaltungselektronik, Mode und Computern setzten viele Konsumenten auf Geschäfte, für die sie keine Maus brauchen.

Amazon steht noch vor einem weiteren Problem: Impulskäufe sind online schwierig. "Im Internet muss ich aktiv nach etwas suchen, ich handle mehr rational", sagt Mayerhofer. Die Entscheidung werde nicht durch Duft, Atmosphäre im Geschäft oder das Outfit der Verkäufer beeinflusst. Onlineshopping ist leidenschaftslos, gesteuert von Preis und Eigenschaften. Aber Amazon-Gründer Jeff Bezos hat auch dazu sicher eine Idee: In der Biografie "Der Allesverkäufer" beschreibt der Autor Bezos als passionierten Problemlöser, als Micromanager mit einer endlosen Flut neuer Ideen. Ein Denker also. Wie passend.

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