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Eine herbe Niederlage für die FARC

Bogota (APA) - Es war das erste Mal, dass sich die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) einer demokratischen Wahl stellten: Ein wichtiger Schritt in der Implementation des Friedensvertrags, der im September 2016 in Havanna unterzeichnet worden war. Einen Erfolg feierten die ehemaligen, zu einer politischen Partei mutierten marxistischen Rebellen bei Kolumbiens Parlamentswahl am Sonntag aber nicht.

   Die FARC erhielt gerade einmal 0,34 Prozent der Stimmen für den Senat und 0,22 Prozent der Stimmen für das Abgeordnetenhaus. Zehn Sitze bekommen sie dennoch, diese wurden durch den Friedensvertrag für die frühere Rebellengruppe reserviert.

   Ein Lokalaugenschein am Sonntag in Bogotá: Es herrscht Aufregung im Casa de los Comunes in Bogotá, dem Hauptstadt-Quartier der ehemaligen Guerilla Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC). Gerade bekamen sie die Nachricht, dass das FARC-Mitglied Dario Jimenez Castañeda im Süden des Landes bei der Stimmabgabe vor dem Wahllokal verhaftet worden ist. Außerdem wurden acht Mitglieder nicht als Wähler registriert, obwohl sie sich ordnungsgemäß gemeldet hätten, sagt Sergio Marín, der am zweiten Listenplatz für das Abgeordnetenhaus stand. Der Wahltag beginnt für die Guerilleros mit schlechten Nachrichten.

   "Wer das Gesetz schreibt, gewinnt," fügt er hinzu und rückt die roten Rosen zurecht, die auf dem Tisch im Eingangsbereich platziert wurden. Sie sind das Symbol der Partei und sollen ihren neuen Charakter als demokratische Kraft untermalen: Man gibt sich staatsmännisch. Auch den Namen haben sie geändert. Das Kürzel FARC steht seit der Parteigründung im Sommer 2017 für Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común, auf Deutsch Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes.

   Nichtsdestotrotz herrscht gute Stimmung im Casa de los Comunes. Es wird gelacht, Neuankömmlinge werden mit herzlichen Umarmungen empfangen. Enthusiastisch sprechen die frisch gebackenen Politiker von ihrer Revolution, die sie nun auf legalem Weg fortsetzen wollen. "Wir hatten kaum Geld für den Wahlkampf und die Medien haben gegen uns aufgehetzt. Es war eine wichtige Wahl," sagt Bayron Yepes, einer der fünf Abgeordneten, der trotz des niedrigen Ergebnisses ins Abgeordnetenhaus einzieht.

   "Wir haben viel während dem bewaffneten Kampf gelernt: Unter anderem vernünftige Analysen zu treffen. Deshalb verstehen wir den heutigen Tag als einen Erfolg und einen weiteren Schritt zur Konsolidierung des Friedensvertrags", sagt Julio Pulido, der den Facebook-Account der FARC betreut. Auf seine schwarze Kappe ist eine rote Rose gestickt.

   Im Friedensvertrag zwischen dem kolumbianischen Staat und den FARC ist festgelegt, dass sie fünf Sitze im Senat und fünf Sitze im Abgeordnetenhaus bekommen. Die Senatsmitglieder werden auf nationaler Ebene gewählt. Die Repräsentanten im Abgeordnetenhaus werden aus den einzelnen Bundesstaaten geschickt. Die FARC nehmen an der Wahl für das Abgeordnetenhaus in fünf Bundesstaaten teil. Jeweils ein Kandidat aus Valle de Cauca, Antioquia, Atlántico, Santander und Bogotá zieht unabhängig vom Wahlergebnis ein.

   Bayron Yepes ist einer davon. Er stand auf dem Listenplatz Nummer eins für Bogotá. Der heute 58-Jährige war während dem Krieg Kommandant in mehreren Regionen im Süden und Osten des Landes. Davor studierte er mit Hilfe eines Stipendiums Elektrotechnik im tschechischen Brno. Nach dreieinhalb Jahren machte er Urlaub in seiner Heimatstadt Bogotá und realisierte die vielen Problemen Kolumbiens, wie er sich heute erinnert. Yepes beschloss, das Studium abzubrechen und sich stattdessen dem Kampf der FARC anzuschließen. Nun ist er bereits seit 34 Jahren Guerillero. Den heutigen Wechsel vom Kommandanten zum Abgeordneten sieht er gelassen: "Unsere Armee war immer schon politisch. Es hat sich nicht viel geändert, jetzt machen wir Politik eben auf legale Art."

   Leicht wird es aber nicht, das ist auch ihm bewusst. Ihr Ziel ist nicht weniger als ein kompletter Strukturwechsel: Politisch, wirtschaftlich und sozial. Eine neue Form Politik zu machen, heißt es auf ihren Wahlplakaten. "Die alten Parteien versuchen alte Häuser anzumalen und meinen, sie sind deshalb neu", meint Sergio Marín. Er schloss sich mit 14 Jahren der kommunistischen Jugend an, in Marx fand er seine gesuchten Antworten für die Konflikte im Land. Mit 18 machte er den Schritt zur FARC, die Waffe schien die einzige Lösung. Diese trägt er heute nicht mehr, ansonsten vertritt er dieselbe Ideologie. "Ich bin ein Revolutionär. Das wird sich nie ändern," sagt Sergio Marín.

   Obwohl die FARC ihre zehn Sitze im Senat und Abgeordnetenhaus bekommen haben, ist das Wahlergebnis doch ein schwerer Schlag für die junge Partei. Die FARC arbeiten an ihrem Image, eine Legitimationsgrundlage als politische Kraft wäre wichtig gewesen. Zwar gilt die Übergangszeit, während der sie feste Sitze im Senat und Abgeordnetenhaus haben, noch bis 2026, doch wollen sie Erfolg mit ihren ehrgeizigen Zielen haben, müssen sie das Vertrauen der Kolumbianer zurückgewinnen. Ein langer Weg für die ehemaligen Rebellen.

   Die stimmenstärkste Partei im Senat wird die Partido Centro Democrático des ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe mit 16,40 Prozent. Bei der Wahl für die Abgeordnetenkamme bekam sie 16,1 Prozent. Der große Triumph blieb dem "Uribismo" trotz seines Erfolges aber verwehrt: Die drei Parteien der Zentrumskoalition von Präsident Juan Manuel Santos kamen zusammen auf rund 38 beziehungsweise 43 Prozent. Verschiedene linke Gruppierungen brachten es insgesamt auf jeweils rund elf Prozent für beide Parlamentskammern. Die Abstimmung galt auch als Test für die Präsidentenwahl am 27. Mai.

   Uribe hatte von 2002 bis 2010 einen knallharten militärischen Kurs gegen die FARC verfolgt und später auch gegen die von seinem Nachfolger Juan Manuel Santos eingeleitete Appeasementpolitik mobil gemacht. Daher wurde der Friedensvertrag auch in einer Volksabstimmung im Herbst 2016 zuerst abgelehnt, bevor eine modifizierte Version vom Parlament ohne weiteres Referendum abgesegnet wurde.

(Von Alicia Prager/APA)

APA0135    2018-03-12/10:39