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Donald Trump: Was von Trumps Raumfahrtplänen bleibt

Foto: NASA/Neil Armstrong

Er will zum Mond und sein Land wieder zur Heldennation der Raumfahrt machen. Donald Trump hat große außerirdische Pläne. Aber was wird daraus nach der US-Wahl?

Eine Analyse von Alexander Stirn

Es soll der Höhepunkt von Donald Trumps Amtszeit werden. Seiner zweiten, wohlgemerkt. Irgendwann 2024, nachdem der US-Präsident acht Jahre lang dem Land seinen Stempel aufgedrückt hat, sollen eine Amerikanerin und ein Amerikaner auf dem Mond landen. Sie sollen Zeugnis davon ablegen, dass Trump - so zumindest sieht er es - die am Boden liegende Raumfahrtbehörde Nasa wieder großartig gemacht hat. Sie sollen Flaggen aufstellen. Sie sollen Amerika stolz machen und ihn zu einem Helden.

Ein ambitionierter Plan. Ein unvergessliches Vermächtnis. Doch so einfach wird es nicht - und das liegt nicht allein an der Tatsache, dass Donald Trumps Wiederwahl derzeit alles andere als sicher scheint. Was also bleibt von dessen Griff nach den Sternen? Werden seine hochfliegenden, US-zentrierten Pläne von Dauer sein? Oder hat der Präsident womöglich dauerhaften Schaden innerhalb der Nasa hinterlassen?

Die Suche nach Antworten führt aus dem Weltall direkt nach Washington: Raumfahrt ist in den eine zutiefst politische Angelegenheit. Das beginnt bereits beim Nasa-Chef. Er (Frauen gab es in dieser Position bislang nicht) ist ein politischer Beamter, der mit jedem Machtwechsel im Weißen Haus ausgetauscht wird: Demokratische Präsidenten ernennen einen Demokraten, Republikaner einen Republikaner. Unter Trump war das nicht anders. Nie zuvor dauerte der Auswahlprozess so lange wie in seinem Fall - insgesamt mehr als 15 Monate.

Das lag zum einen daran, dass Raumfahrt und Wissenschaft - fernab von ein paar öffentlichkeitswirksamen Prestigeprojekten - bei Trump weit unten auf der Agenda stehen. Doch auch sein Kandidat erwies sich als ausgesprochen umstritten: Führten in der Vergangenheit meist Ingenieure, Wissenschaftler oder (wie zuletzt) ehemalige Astronauten die Behörde, sollte es nun erstmals ein Politiker werden: James Frederick Bridenstine, genannt Jim, republikanischer Abgeordneter aus dem Repräsentantenhaus. Und sogar einer, der in der Vergangenheit den menschengemachten Klimawandel infrage gestellt hatte. Ein Tabubruch, gleich auf mehreren Ebenen. Dennoch nahm der US-Senat Trumps Vorschlag schließlich an - mit einer Stimme Mehrheit.

Ein Politiker wurde Chef der Nasa

Die Marionette seines Präsidenten ist Bridenstine trotzdem nicht. Im Gegenteil: Wer den bulligen Nasa-Chef auf Konferenzen erlebt, ist überrascht von der Fachkenntnis, die sich der Raumfahrtlaie innerhalb kurzer Zeit angeeignet hat. Bridenstine hat Zahlen im Kopf, die andere erst nachschlagen müssen. Er kann selbst komplexe Mondumlaufbahnen schlüssig erklären. Und er preist, wann immer er auf internationalem Parkett auftritt, die weltweite Zusammenarbeit - zuletzt Mitte Oktober auf dem International Astronautical Congress (IAC), dem weltweit wichtigsten Raumfahrttreffen, das wegen der Corona-Pandemie dieses Jahr ausschließlich online stattfinden konnte.

"Wir alle können viel mehr erreichen, wenn wir zusammenarbeiten - und diese Zusammenarbeit ist heute wichtiger denn je", sagte Bridenstine auf dem IAC. Das klingt so gar nicht nach Trump. Die internationalen Partner sehen das ähnlich: "Jim Bridenstine ist ein sehr verlässlicher Administrator", lobt Johann-Dietrich Wörner, Chef der Europäischen Raumfahrtagentur Esa. "Unsere Beziehung zur Nasa ist hervorragend, nichts Kompliziertes."

Bridenstine ist natürlich trotzdem ein Trump-Mann. Das zeigt sich auf Auftritten auf der nationalen Bühne, wo er die patriotische Klaviatur und den Stolz auf die Nasa ähnlich gut bedient wie sein Dienstherr. Und Bridenstine steht zu Trumps Beschlüssen. Fünf Direktiven zur Raumfahrtpolitik hat der US-Präsident mittlerweile unterschrieben: Er will die Kommerzialisierung der Raumfahrt vorantreiben - ein Prozess, den bereits seine Vorgänger angeschoben haben und der dazu geführt hat, dass private Raumfahrtfirmen wie SpaceX die Branche aufmischen. Er will Verkehrsregeln fürs All entwickeln, um amerikanische Satelliten zu schützen - ein drängendes Problem, da sich die Zahl der Satelliten im Erdorbit in den kommenden Jahren vervielfachen wird. Auf nationaler Ebene lässt sich dieses Problem - anders als vom Präsidenten gedacht - allerdings nicht lösen.

Soldaten gegen Angriffe aus dem Weltall

Zudem hat Trump mit der Space Force die erste neue Teilstreitkraft des US-Militärs seit mehr als 70 Jahren ins Leben gerufen. Deren Soldatinnen und Soldaten sollen amerikanische Satelliten überwachen, verteidigen und feindliche Weltraumobjekte notfalls sogar angreifen. Frankreich hat bereits nachgezogen und seine Luftwaffe, die Armée de l'Air, zur Luft- und Raumwaffe umgebaut. Auch Russlands Militär plant, zur All-Macht aufzusteigen - als Reaktion auf die Space Force. "Immer mehr Länder wollen den Weltraum nutzen, um ihre militärischen Fähigkeiten und ihre nationale Sicherheit voranzutreiben", schreibt der Sicherheitsforscher Brian Weeden in einer aktuellen Studie der Secure World Foundation, eines privaten Forschungsinstituts. Was US-Präsident Ronald Reagan in den Achtzigerjahren mit seinem Star-Wars-Programm nicht geschafft hat, die weltweite Aufrüstung im All, treibt Trump nun intensiv voran.

Trump will in die Geschichtsbücher eingehen

Vor allem aber will Trump mit einem bemannten Flug zum Mond in die Geschichtsbücher eingehen. Spätestens Ende 2024, und damit rechtzeitig zum Ablauf einer möglichen zweiten Amtszeit, sollen der nächste Amerikaner und die erste Amerikanerin auf dem Erdtrabanten landen, so Trumps Vorgabe. Es gehe darum, die Nasa wieder großartig zu machen. Es gehe darum, wieder die Führung im Weltraum zu erlangen. "Du kannst nicht die Nummer eins auf der Erde sein, wenn du die Nummer zwei im All bist", sagte Trump. "Und wir werden niemals die Nummer zwei sein, nirgends."

Die Führungsrolle in der Raumfahrt hatten die USA allerdings nie verloren. Mit einem Jahresbudget von knapp 20 Milliarden Euro ist die Nasa nach wie vor die größte und wichtigste Raumfahrtagentur der Welt. Sie konnte lediglich, nachdem die USA im Juli 2011 ihre Space-Shuttles eingemottet hatten, mehrere Jahre lang keine Astronauten aus eigener Kraft ins All befördern. Doch auch das hat sich inzwischen geändert: Ende Mai starteten an Bord einer SpaceX-Rakete nach neun Jahren Pause wieder „amerikanische Astronauten mit amerikanischen Raketen von amerikanischem Boden“, wie die Nasa mit viel Pathos verkündete.

Es war Trumps bislang größter Triumph in der Raumfahrt. „Die Vereinigten Staaten haben heute ihren prestigeträchtigen Platz an der Weltspitze zurückerobert“, verkündete der Präsident beim Start in Florida. Das dafür nötige Programm hatte allerdings schon sein Vor-Vorgänger George W. Bush in die Wege geleitet. Barack Obama zog es dann durch – gegen Widerstand im Kongress. Trump hat den Start nur geerbt. Glück gehabt.

Das Programm, Commercial Crew genannt, zeigt aber auch, dass solche Initiativen – wenn sie gut angelegt und begründet sind – mehrere Administrationen überdauern können. Die Regel ist dies allerdings nicht, jedenfalls nicht bei Prestigeprojekten: Bereits Bush wollte zum Mond, Obama wollte dann zu einem Asteroiden, bei Trump ist es nun wieder der Mond. Hauptsache, man macht etwas anderes als der verhasste Vorgänger.

Der Wahlkreis ist Abgeordneten meist näher als das All

Ein US-Präsident kann solche Dinge allerdings nicht allein entscheiden. Er braucht den Kongress, der das Budget bewilligen muss. Den dortigen Politikerinnen und Politiker ist ihr Wahlkreis in der Regel aber näher als das All. Sie denken nicht programmatisch, sie denken an Wählerstimmen. Schwenks machen sie daher gerne mit, Hauptsache die Bedingungen stimmen: Bush wollte das Space-Shuttle einstellen? Kein Problem, solange die Shuttle-Fabriken und -Startrampen für die nächste US-Rakete genutzt werden, das Space Launch System (SLS). Obama wollte zu einem Asteroiden? Kein Problem, solange SLS auch dorthin fliegt.

Und was will Trumps Konkurrent Joe Biden? Über dessen Pläne fürs All ist bislang kaum etwas bekannt. Doch selbst, wenn er die Wahl gewinnen sollte und plötzlich zur Venus fliegen wollte, könnte der Kongress mitziehen – solange dies Arbeitsplätze und Industrieaufträge im heimischen Wahlkreis sichert. Esa-Chef Wörner hält solche Schwenks trotzdem für unwahrscheinlich, nicht nur wegen der Venus: „Ich glaube kaum, dass sich die US-Raumfahrtpolitik demnächst dramatisch ändern wird, auch nicht bei einem Politikwechsel im Weißen Haus“, sagt der Deutsche.

Darauf will sich Nasa-Administrator Jim Bridenstine nicht verlassen. Um das Mondprogramm zu retten, setzt er auf eine doppelte Strategie: Tempo und internationale Zusammenarbeit. Die Rückkehr zum Mond soll – Trumps nationalen Tönen zum Trotz – ein internationales Projekt werden mit vielen Partnern. Dadurch würde es dem Kongress, so Bridenstines Hoffnung, schwerer fallen, die Pläne zu kippen. Und die Mondlandung, Artemis genannt, soll schnell erfolgen, auf jeden Fall in der nächsten Legislaturperiode. Auch dadurch würde das Risiko einer Absage sinken.

Beides zugleich, schnell und international, ist allerdings nicht möglich. Kooperation kostet Zeit. Nach langen Diskussionen haben vergangene Woche beim IAC zwar sieben Nationen einen von der Nasa diktierten Vertrag zur Erkundung und Ausbeutung des Mondes unterschrieben, er ist aber nur eine Absichtserklärung. Außerdem fehlen wichtige Raumfahrtnationen wie Russland, China, Frankreich und Deutschland. Die nächste Landung auf dem Mond dürfte daher, das ist jetzt schon absehbar, ein rein amerikanisches Vergnügen bleiben.

Doch auch der Zeitplan wackelt. Der Bau der gut 20 Milliarden Dollar teuren Mondrakete SLS liegt viele Jahre hinter dem Plan zurück. Zwar konnte Konstrukteur Boeing zuletzt Erfolge vermelden, damit 2024 tatsächlich eine US-Astronautin und ein US-Astronaut mit solch einer Rakete starten können, darf aber nichts mehr dazwischenkommen. Und das ist in der Raumfahrt sehr unwahrscheinlich.

Trumps Einsatz ist also hoch, wie so oft beim Präsidenten. Seine Chancen sind dennoch ungewöhnlich gering. Denn wenn es ganz schlecht läuft, dann wird Trump am 3. November zwar wiedergewählt, die Meriten für die Mondlandung wird aber trotzdem ein anderer Präsident ernten. Oder eine andere Präsidentin. Irgendwann nach 2024.

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