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Worum geht es beim Atomstreit mit dem Iran? Die wichtigsten Fragen und Antworten

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, gemeinsam mit dem iranischen Staatschef Ebrahim Raisi in Teheran.

Im Streit um das Atomprogramm des Irans gibt es Bewegung: Bei einem Besuch in Teheran konnte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA neue Abmachungen mit der iranischen Führung vereinbaren. Aber was genau wurde beschlossen und worum geht es überhaupt in dem Konflikt? Ein Überblick.

Teheran/Wien. Zum ersten Mal seit einem Jahr ist der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA für Gespräche in die iranische Hauptstadt Teheran gereist. Bei dem Besuch vereinbarte Rafael Grossi mit der iranischen Führung neue Maßnahmen, die eine Eskalation des Atomstreits verhindern sollen. Verhandlungen zur Wiederbelebung des Atom-Abkommens standen seit Monaten still.

Worum geht es bei dem Atomstreit?

Der Iran hatte zuletzt die Anreicherung von Uran bis zu einem sehr hohen Reinheitsgrad von 60 Prozent vorangetrieben. Das befeuerte international Sorgen, dass dieses Material für Atomwaffen weiterverarbeitet werden könnte. Dafür wäre ein nur knapp höherer Grad von 90 Prozent nötig. Da die Uran-Anreicherung entlang einer exponentiell aufsteigenden Kurve verläuft, kann 60-prozentiges Material sehr schnell auf 90 Prozent gebracht werden.

Außerdem hatten Experten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA vor kurzem in einer Atomanlage in Fordo Spuren von Uran mit einem Reinheitsgrad von 84 Prozent gefunden. Seitdem versucht die IAEA zu klären, ob der Iran dieses Niveau gezielt erreichte. Teheran gibt an, es handele sich um einen unbeabsichtigten, kurzfristigen Spitzenwert.

Was wurde jetzt im Iran beschlossen?

Die IAEA überwacht die iranischen Nuklearanlagen künftig genauer. Das haben die iranische Atomorganisation AEOI und die IAEA miteinander vereinbart. Zuvor hatte IAEA-Chef Rafael Grossi in Teheran unter anderem Gespräche mit Irans Präsidenten Ebrahim Raisi geführt.

Im Vorjahr abgebaute Kameras und Überwachungsgeräte sollen wieder aufgebaut werden und in Kürze in Betrieb gehen, kündigte Grossi an. Der IAEA-Chef beschrieb die neue Vereinbarung in einer Pressekonferenz als ein „Abbinden, um das Ausbluten des Informationsflusses zu stoppen.“

Teheran erlaube auch häufigere Besuche von Inspektoren in Fordo, sagte Grossi. Details zu dem verbesserten Inspektionsmodus müssten jedoch noch von den beiden Seiten geklärt werden – konkrete Zeitpunkte für die Umsetzung der Vereinbarungen stehen noch nicht fest.

Wie nah ist der Iran am Bau einer Atombombe?

Laut IAEA-Chef Rafael Grossi verfügt der Iran über ausreichend Uran für mehrere Atomwaffen. Jedenfalls, wenn die derzeitigen Bestände noch weiter angereichert würden. Da die Uran-Anreicherung entlang einer exponentiell aufsteigenden Kurve verläuft, kann 60-prozentiges Material sehr schnell auf 90 Prozent gebracht werden.

Bis zur Entwicklung einer Atomwaffe sei es aber „ein langer und auch politisch schwieriger Weg“, sagte Grossi im Januar im EU-Parlament. Laut dem US-Auslandsgeheimdienst CIA gebe es derzeit keine Hinweise, dass der Iran sich entschieden habe, sein militärisches Atomprogramm wieder aufzunehmen.

Sollte Teheran diesen Weg allerdings einschlagen, dürfte es mindestens ein Jahr bis zur Fertigstellung einer Atomwaffe dauern. Die IAEA ist überzeugt, trotz eingeschränkter Inspektionen waffenfähiges Uran binnen kurzer Zeit entdecken zu können und so der internationalen Gemeinschaft Zeit für Gegenmaßnahmen zu verschaffen.

Was werfen andere Länder dem Iran vor?

Israel ist davon überzeugt, dass der Iran an der Entwicklung von Atomwaffen arbeitet und sieht sich dadurch als Staat gefährdet. Die iranische Führung hat in den vergangenen Jahren wiederholt das Existenzrecht Israels bestritten. Israelische Spitzenpolitiker betonen immer wieder, man werde eine nukleare Aufrüstung Teherans unter keinen Umständen zulassen. Auch ein militärischer Präventivschlag könne nicht ausgeschlossen werden.

Ein Angriff auf iranische Atomanlagen dürfte allerdings sehr riskant sein – auch die Aussicht auf Erfolg wäre ungewiss. Israel beschuldigt den Iran zudem der Terrorunterstützung, weil die Führung in Teheran israelfeindliche Gruppen wie die libanesische Hisbollah-Miliz und die im Gazastreifen herrschende militant-islamistische Hamas fördert.

Wann hat der Iran mit seinem Atomprogramm begonnen?

Irans Atomforschung reicht bis in die Fünfzigerjahre zurück. 1970 ratifizierte das Land den Atomwaffensperrvertrag und verpflichtete sich zur rein zivilen Nutzung von Kernenergie. Fünf Jahre später begann die Konstruktion des ersten und bis heute einzigen Atomkraftwerks in der Hafenstadt Buschehr, das auch mithilfe deutscher Firmen gebaut wurde.

Nach der Islamischen Revolution von 1979 und dem Bruch mit dem Westen beschränkte die politische und klerikale Führung in Teheran den Zugang internationaler Kontrolleure immer weiter. Anfang der 2000er-Jahre gab es den ersten großen Streit über neue Nuklearanlagen. 2011 kam die IAEA zum Schluss, dass der Iran bis etwa 2003 geheime Atomwaffenforschung betrieben hatte. Gebaut wurden die Waffen aber nicht.

Was war das Atom-Abkommen?

Der Iran verpflichtete sich 2015, sein Atomprogramm einzuschränken. Im Gegenzug wurden UN-Sanktionen aufgehoben, die unter anderem den iranischen Energie- und Bankensektor betrafen. Der Pakt sollte verhindern, dass das Land Atomwaffen entwickelt.

Nachdem die USA 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem Abkommen ausstiegen, machte auch Teheran die Beschränkungen rückgängig. Das unter dem damaligen Präsidenten Hassan Ruhani geschlossene Abkommen hatte zuvor große Hoffnungen geweckt. Insbesondere viele Iraner feierten den Deal, die Wirtschaft erlebte einen Aufschwung.

Was gab das Atom-Abkommen vor?

Laut dem Abkommen durfte der Iran für friedliche Zwecke eine eingeschränkte Menge Uran mit einem niedrigen Reinheitsgrad unter 4 Prozent produzieren, etwa als Reaktorbrennstoff. Dafür durfte jedoch nur eine Anreicherungsanlage in der Atomanlage Natans mit einer begrenzten Zahl von Zentrifugen betrieben werden.

Zusätzlich erlaubte der Iran in dem Abkommen engmaschige IAEA-Kontrollen. Seit 2019 hatte der Iran die Auflagen jedoch schrittweise verletzt und unter anderem in einer unterirdischen Anlage in Fordo 60-prozentiges Uran hergestellt – als Schwelle für einen waffenfähigen Reinheitsgrad werden etwa 90 Prozent angesetzt. Zudem wurde ein Teil der IAEA-Überwachungsgeräte abgebaut.

(05.02.2023)

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