In Thüringen ist der Biathlet Frank Ullrich eine Sportlegende. Nun kämpft der Olympiasieger für die SPD um Wahlkreis 196 – gegen Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Wie will er das enge Rennen gewinnen? Ein Video von Benjamin Braden, Andreas Evelt und Alexander Schmitt, Schmalkalden
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Der »Pleßlauf« in Breitungen/Werra – für den ehemaligen Biathleten Frank Ullrich ist das ein Heimspiel.
Ullrich ist wenige Kilometer entfernt aufgewachsen. Er kennt die Leute. Und die Leute kennen ihn.
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Einen wunder... Ah! Hallo! Ja, sehr schön! Alte Bekannte, ganz prima. Einen wunderschönen guten Morgen!«
Bei solchen Veranstaltungen kann Ullrich das tun, was er am liebsten macht: mit Menschen plaudern.
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Welche habt ihr euch ausgesucht?«
Teilnehmerin
»Die 30.«
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Die dreißiger?«
Teilnehmerin
»Ich nur die 21.«
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Aber trotzdem! Respekt!«
In diesen Tagen bedeutet Plaudern auch Wahlkampf. Denn Ullrich kandidiert für die SPD im Thüringer Wahlkreis 196. Er will in den Bundestag einziehen und sich dort für sein Lieblingsthema einsetzen.
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Sport ist mein Leben. Ich bin mit dem Sport groß geworden, schon klein begonnen hier in der Nähe in Trusetal. Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages wird für mich so das Ziel im Primären sein.«
Ullrichs Wahlkampf erhält im Moment viel Aufmerksamkeit. Das liegt aber weniger an ihm als an seinem Gegner: Hans-Georg Maaßen, Ex-Verfassungsschutz-Chef und nun CDU-Direktkandidat.
Maaßen betont, wie gut er sich in Berlin auskenne. Er stammt aus Mönchengladbach und ist neu in Thüringen. Selbst in der CDU ist er umstritten – und bei AfD-Anhängern beliebt.
Hans-Georg Maaßen, CDU-Direktkandidat
»Es wird ein schöner, ein spannender Wahlkampf werden. Und ich sage Ihnen ganz offen: Für mich ist es eine Art Urlaub, hier in Südthüringen zu sein.«
Auf der anderen Seite der Kandidat aus der Region. Der im Stadtrat von Suhl sitzt – und bei der Landtagswahl 2019 – damals noch parteilos – knapp gegen den AfD-Kandidaten verlor. Ullrich wirbt vor allem mit Heimatverbundenheit und Teamgeist.
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Ich werde auch Respekt denjenigen gegenüber bringen, die anders sind. Dazu gehört auch der Herr Maaßen. Aber nichtsdestotrotz: Ja, der Herr Maaßen wird seine Philosophie haben. Ich habe meine Philosophie. Und ich möchte hier ganz klar für meinen Südthüringer Raum auch die Akzente setzen.«
In der Region ist Frank Ullrich ein Promi, eine Sportlegende. 1980 holte er bei den Olympischen Spielen in Lake Placid für die DDR Gold im Biathlon, nach dem Karriereende war er Trainer.
Nun muss Ullrich aber wirklich weiter. Der nächste Wahlkampftermin steht an. Er schafft es aber kaum zum Auto – weil er am liebsten jede und jeden persönlich verabschieden würde.
In der Innenstadt von Schmalkalden ist Frank Ullrich mit einem besonderen Gast verabredet.
Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz ist nach Thüringen gekommen. Ein selbsterklärter »Zeitreisender« führt die Gäste durch die historische Altstadt. Wochentags wäre das ein schöner Wahlkampftermin. Es ist aber Sonntagmorgen – und es sind nur sehr wenige Wählerinnen und Wähler unterwegs.
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Es gibt andere Tage, wo man doch mehr mit Menschen zusammenkommt. Ob es Markttage sind oder ganz einfach Tage, wo man mit den Leuten in Kontakt kommt. Ist aber auch mal schön, so etwas zu hören.«
Und dann: doch noch ein möglicher Wähler.
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Ich will nicht unbedingt der sein, der groß schreit, sondern ich will den Leuten helfen. Deswegen frage ich. Wenn irgendwas sein sollte...«
Einer von hier – für euch im Bundestag. Mit dieser Strategie will Ullrich den Wahlkreis gewinnen. Und bei vielen kommt das an.
Passant
»Ach der Frank Ullrich. Ja, hätten Sie gleich gesagt Frank Ullrich, natürlich. Ein super Mensch, ist ein Nachbar vor meiner Enkeltochter.«
Passant
»Aus der Region ist immer gut, wenn das einer ist, der von hier kommt.«
Passant
»Der kennt die Menschen hier alle und die Probleme auch. Und von daher ist er eigentlich geeignet, würde ich sagen.«
Passantin
»Und sympathisch obendrein noch. Hallo!«
Für andere gibt es da aber ein nicht ganz unwichtiges Gegenargument.
Passant
»Als Biathlet hat er mir besser gefallen.«
»Warum?«
»Falsche Partei für mich.«
Bei der letzten Bundestagswahl kam die SPD im Wahlkreis 196 nicht einmal auf 14 Prozent der Zweitstimmen, ganz vorn lag mit 30 Prozent die CDU. So eindeutig wird es diesmal wohl nicht.
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Ich kenne Mitglieder der CDU, die sogar für mich werben. Das ist auch interessant. Ich habe nie geglaubt, dass es so etwas gibt. Aber natürlich ich klar sagen: wir haben eine Verantwortung, die Zweitstimme der CDU zu geben. Aber du bekommst hier die Erststimme, weil du zu uns gehörst, weil du hier groß geworden bist, weil du hier alle Leute kennst, die Bedingungen hier kennst und nicht nur irgendwo aufgesetzt studiert hast, sondern weil du von klein auf hier verortet bist. Und ja, das gibt mir doch auch gewaltig Rückenwind.«
Das Rennen ist völlig offen: In einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Vereins »Campact« von Ende Mai lag Frank Ullrich knapp vorn, andere Prognosen sagen dagegen einen Wahlsieg von Hans-Georg Maaßen voraus.
Die nächste Wahlkampfetappe, noch einmal im Windschatten des rheinland-pfälzischen Innenministers. Der bedankt sich bei der Feuerwehr Schmalkalden für ihren Einsatz nach der Flutkatastrophe.
Beim gemütlichen Teil des Termins ist Frank Ullrich wieder in seinem Element.
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Also, ich sag mal: Auf euer Wohl, gell? Ich bin ja gleich nebenan geboren in Trusetal hier. Und jedes Mal, wenn ich drüben vorbeikomme: Oh Jung, bist ja auch wieder mal da. Oh sensationell. Also Kompliment und Hut ab, gell. Das kann nicht jeder, das ist so. Prima.«
Die große Politik spricht der Kandidat auch hier nicht an, scharfe Attacken auf den politischen Gegner – spart er sich. Auch die SPD trägt er nicht vor sich her. Er wirbt einfach nur mit sich, dem Kandidaten von nebenan.
Frank Ullrich, SPD-Direktkandidat
»Unsere Thüringer Heimat muss man schon ein wenig hochhalten, oder? Ja, einwandfrei.«
(29.08.2021)
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